Frank Meinzer, Partner und Leiter Real Estate Services bei Deloitte

Frank Meinzer, Partner und Leiter Real Estate Services bei Deloitte

Frank Meinzer, Partner und Leiter Real Estate Services bei Deloitte. (Foto: Deloitte)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Meinzer, Deloitte hat in einer Studie die Trends in der Schweizer Arbeitswelt und deren Auswirkungen auf den Arbeitsplatz der Zukunft untersucht. Hat Sie bei den Resultaten etwas ganz besonders überrascht?

Frank Meinzer: Dank Technologie und Veränderung der Wirtschaftsstruktur hin zu mehr wissensbasierten Jobs wird ortsunabhängiges Arbeiten immer wichtiger. Gerade junge Hochqualifizierte fordern heute flexible Arbeitsformen. Umso weniger überrascht es, dass 28% der Schweizer heute bereits mindestens einen halben Tag pro Woche von zu Hause aus arbeiten und sogar die Hälfte grundsätzlich das Potenzial dazu hätte. Vielmehr bestätigen die Ergebnisse den Trend, den wir bereits in anderen Ländern in den letzten Jahren feststellen konnten.

Die Studie hat ergeben, dass bereits heute 25% der Schweizer haupt- oder nebenberuflich als Freelancer arbeiten. Tendenz steigend. Was treibt diese Entwicklung an?

In erster Linie wird diese Entwicklung angetrieben durch die Möglichkeiten, die sich durch die fortschreitende Digitalisierung und die Verbreitung der Sharing Economy ergeben. Heute können Menschen Gütertausch direkt untereinander mit nur einem Klick über Onlineplattformen initiieren. So können zum Beispiel Nutzen und Anbieter durch das Internet wesentlich einfacher zusammengebracht werden unabhängig von Ort und Zeit, Wohnungen oder Autos können vermietet werden, Dienstleistungen von jedem Ort erstellt und kommuniziert werden. Dank der Sharing Economy kann heute jeder relativ einfach zum Freelancer werden und Geld nebenher verdienen, indem er ohne grossen Aufwand Güter und Dienstleistungen rund um den Erdball vermietet oder verkauft. Anders gesagt: Die Sharing Economy fördert Mikrounternehmertum.

Weiterhin existiert der Wunsch, flexibel Dienstleistungen oder Arbeiten zu erbringen, unabhängig von einem spezifischen Ort. Gerade die nachfolgenden Generationen (Y- und Z- Generationen) sind mit technologischer und räumlicher Mobilität aufgewachsen und wünschen sich entsprechende Arbeitsplatzmodelle. Insofern gehen wir davon aus, dass der Anteil von Freelancern weitern steigen wird, zumal der flexible Zugriff auf Expertenwissen oder Dienstleistern auch für Unternehmen von Vorteil ist.

«Die Sharing Economy fördert Mikrounternehmertum.»
Franz Meinzer, Partner und Leiter Real Estate Services bei Deloitte.

Wo liegen denn die Vor- und Nachteile für Unternehmen, die mit Freelancern zusammenarbeiten?

Für Unternehmen bedeutet Freelancing mehr Flexibilität in Abhängigkeit von einem spezifischen Projektbedarf, tiefere Kosten sowie eine kostengünstige Erbringung der Dienstleistung, die nur über einen gewissen Zeitraum benötigt wird. Gerade bei Startups ist das wichtig, da diese häufig für eine kurze Periode spezialisierte Hilfe brauchen. Gleichzeitig kann aber auch der Organisationsaufwand steigen. Zudem besteht das Risiko, dass der Staat neue Regulierungen implementiert und Freelancer zu normalen Angestellten macht, wie das in den USA zurzeit aufgrund von Uber diskutiert wird.

Der Arbeitsplatz der Zukunft zeigt sich flexibel. Rund die Hälfte der Schweizer Beschäftigten hätte bereits heute das Potenzial, ihre Arbeit mobil zu verrichten. Wie offen zeigen sich die Arbeitgeber dieser Entwicklung gegenüber? Wie stark setzen sie auf flexible Arbeitsplatzmodelle?

Viele Unternehmen haben bereits keine fixen Arbeitsplätze mehr — sondern Hot Desking — und erlauben ihren Mitarbeitern von Zuhause zu arbeiten. SBB, Post, Basler Versicherungen als Beispiel haben durchschnittlich noch 8 fixe Bürotische pro 10 Wissensarbeiter, Microsoft sogar nur noch 6. Allerdings geht es nicht mehr um Home-Office oder nicht, sondern um eine intelligente Form, die den Mitarbeitern die Chance gibt, die anfallenden Arbeiten möglichst effizient zu erbringen. Je nach Arbeitsinhalt und -anforderungen, im Team oder individuell, kreative Tätigkeiten oder wiederkehrende Präzisionstätigkeiten sind unterschiedliche Modelle denkbar. In der Praxis werden zukünftig Mischformen vorzufinden sein. Ob Einzelbüros, Ruhezonen, Kommunikationszonen, Gemeinschaftsbüros, Home-Office, Coworking-Büros – je nach Arbeitsaufgabe können damit die Mitarbeiter die beste Arbeitsplatzumgebung nutzen.

Coworking Spaces kommt als Ergänzung zum Home Office eine grosse Bedeutung zu. Wer nutzt diese Coworking-Arbeitsplätze am häufigsten?

Zurzeit werden Coworking Spaces in erster Linie von Freelancern genutzt. Wir sehen aber auch einen Bedarf für diese alternative Arbeitsplatzumgebung für Angestellte im Rahmen vorab beschriebener flexibler Arbeitsplatzmodelle. Die Schweiz hat heute rund 50 Coworking Spaces. Die meisten sind in Grossstädten oder Agglomerationen zu finden, wie etwa der Impact Hub in Zürich oder das Coworking Business Center in Genf.

Wie wird sich der Markt der Coworking Spaces Ihrer Einschätzung nach entwickeln?

Coworking wird immer wichtiger, weil man erstens kurzfristig, flexibel und günstig Arbeitsplätze oder Büroräume über Onlineplattformen mieten kann – ein Mausklick genügt. Zudem erhält man dadurch Zugang zu einem Netzwerk von Unternehmern, und, weil die Hauptnachfrager nach flexiblen Arbeitsplätzen Freelancer sind. Da der Anteil an Freelancer in Zukunft steigen wird, wird auch die Nachfrage nach Coworking Spaces zunehmen.

Zudem setzen immer mehr Unternehmen auf flexible Arbeitsplatzmodelle für ihre Mitarbeiter. Dadurch gewinnt auch Coworking als Alternative zum Home-Office an Bedeutung. Entsprechend einer allfälligen Nachfrage werden sich solche Arbeitsflächen sicherlich stark entwickeln und beispielsweise auch innerhalb der Flächen grosser Unternehmen angeboten werden. Unternehmen wie die ZKB oder die Swisscom vermieten schon heute selber Arbeitsplätze an Externe.

«Unternehmen, die flexible Arbeitsformen anbieten, werden als attraktive, innovative Arbeitgeber wahrgenommen, insbesondere von den neueren Generationen, die in den Arbeitsmarkt eintreten.»

Wo liegen die grössten Vorteile einer flexiblen Arbeitskultur – für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer einerseits, für die Gesellschaft andererseits?

Der grösste Vorteil ergibt sich aus der erhöhten Mitarbeitermotivation für Arbeitgeber und die flexiblere Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben für die Mitarbeiter. Des Weiteren können existierende Arbeitsplätze und Büroflächen effizienter genutzt sowie generelle Kosten (beispielsweise Fläche oder Büroausstattung) eingespart werden. Auch kann ein Abgehen von starren Arbeitszeiten und – orten die Infrastruktur in der Schweiz entlasten, da die Verkehrsbelastung zu Stosszeiten reduziert werden kann.

Und inwiefern verändert die Möglichkeit zu alternativen Arbeitsformen das Image eines Unternehmens?

Unternehmen, die flexible Arbeitsformen anbieten, werden als attraktive, innovative Arbeitgeber wahrgenommen, insbesondere von den neueren Generationen, die in den Arbeitsmarkt eintreten. Firmen wie Google oder Pixar bieten sogar selbst flexible Arbeitsplätze für Externe an. Dadurch erhalten sie Zugang zu einem externen Netzwerk aus jungen und innovativen Köpfen (wie beispielsweise Startups) und können gleichzeitig Einnahmen durch nicht genutzte Flächen generieren.

Welche Veränderungen müssen Unternehmen bereit sein, einzugehen? Und wie gehen Sie diesen Prozess am besten an?

Beim Übergang von fixen zu flexiblen Arbeitsplatzmodellen (also zu Hot Desking und Home Office) sollten gewisse Rahmenbedingungen umgesetzt werden. Ansonsten kann es zu negativen Begleiterscheinungen kommen, wie etwa dem Verlust der Identifikation und Bindung zu Arbeitgeber. Es erscheint wenig sinnvoll, Mitarbeiter nur noch von zu Hause arbeiten zu lassen, da sonst die zuvor erwähnten Effekte auftreten können. Vielmehr sollte es eine Abstimmung im Team geben, wer wann wo ist, und wann alle anwesend sein müssen. Es geht um die richtige Balance zwischen An- und Abwesenheit.

Anderseits braucht es einen Kulturwandel. Flexible Arbeitsplatzmodelle basieren auf Vertrauen und Kommunikation, und können nicht von heute auf morgen eingeführt werden. Führungskräfte und Mitarbeiter müssen in diesen Prozess eingebunden und geschult werden. Wer Mitarbeitende in Coworking Spaces arbeiten lässt, sollte zudem beachten, dass die Mitarbeiter geschult werden im Umgang mit vertraulichen Daten und die Risiken kennen. Deloitte begleitet Unternehmen bei diesem Prozess und verfolgt dabei einen ganzheitlichen Ansatz. Von der Interaktionen zwischen Informationstechnologie über die Arbeitsplatzumgebung, bis hin zu Standortfragen und der Rekrutierung von Arbeitskräften werden alle Aspekte beleuchtet, um eine firmenspezifische Strategie zu formulieren und umzusetzen.

«Flexible Arbeitsplatzmodelle basieren auf Vertrauen und Kommunikation und können nicht von heute auf morgen eingeführt werden. Führungskräfte und Mitarbeiter müssen in diesen Prozess eingebunden und geschult werden.»

Wenn Sie mit dem Ausland vergleichen – wie weit entwickelt ist der Trend hin zu flexiblen Arbeitsplatzmodellen in der Schweiz, wie wird er heute umgesetzt?

Es ist schwierig, eine generelle Aussage zu treffen, da zu berücksichtigen ist, dass Arbeitsplatzrichtlinien von Land zu Land variieren. Bisher liegen nur wenige Studien dazu vor. Eine Untersuchung von Citrix aus dem Jahr 2012 zeigt, dass Länder wie UK, USA oder Holland relativ weit entwickelt sind was flexible Arbeitsplatzmodelle angeht.

Was sich aber direkt vergleichen lässt, ist die Anzahl Freelancer. Unsere Studie basiert auf derselben Methodik wie eine kürzlich veröffentlichte Studie aus den USA. Sie zeigt, dass mehr als ein Drittel der US-Amerikaner als Freelancer tätig sind. Wie in unserer Studie ist die dafür verwendete Definition breit und umfasst nicht nur hauptberufliche Freelancer, sondern auch Angestellte, die zusätzlichen Arbeiten nachgehen. In den USA ist das Phänomen Freelancing folglich stärker verbreitet als in der Schweiz.

Herr Meinzer, besten Dank für das Interview.

Zur Person:
Karl Frank Meinzer, Partner, Leiter Real Estate Services, Deloitte in der Schweiz

Frank Meinzer ist als Leiter der Real Estate Beratung verantwortlich für die Koordination und Umsetzung der firmenweiten Immobiliendienstleistungen für gewerbliche und staatliche Selbstnutzer in der Schweiz. Hierzu zählen u.a. Mietervertretung, Portfolio-Optimierung, Sale-and-Lease-back-Transaktionen, Standortberatung und Arbeitsplatzoptimierung.

Über Deloitte in der Schweiz
Deloitte ist ein führendes Prüfungs- und Beratungsunternehmen in der Schweiz und bietet branchenspezifische Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Consulting und Financial Advisory. Mit über 1‘400 Mitarbeitenden an den sechs Standorten Basel, Bern, Genf, Lausanne, Lugano und Zürich (Hauptsitz) betreut Deloitte Unternehmen und Institutionen jeder Rechtsform und Grösse aus allen Wirtschaftszweigen. Deloitte AG ist eine Tochtergesellschaft von Deloitte LLP, dem Mitgliedsunternehmen in Grossbritannien von Deloitte Touche Tohmatsu Limited (DTTL). Über DTTL sind deren Mitgliedsunternehmen mit über 225‘000 Mitarbeitenden in mehr als 150 Ländern vertreten.

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