Franz Julen, CEO IIC – INTERSPORT International Corporation. (Foto: Intersport)
von Bob Buchheit
Moneycab: Herr Julen, wegen eines grossen Debitorenverlustes muss die Schweizer Intersport AG fast den ganzen Jahresgewinn abschreiben. Kann man so etwas nicht versichern oder verhindern?
Franz Julen: Es gibt nationale Intersport-Lizenznehmer, die nur mit eigenen Geschäften am Markt vertreten sind. Andere nationale Lizenznehmer vergeben ausschliesslich Sublizenzen an Händler, welche die Geschäfte auf eigene Rechnung führen. Wiederum andere operieren sowohl mit eigenen Geschäften, als auch mit sublizenzierten Händlern, für welche die nationalen Lizenznehmer die Zahlungen gegenüber den Lieferanten garantieren. Es liegt im Entscheidungsbereich des nationalen Lizenznehmers, ob er diese Zahlungsverpflichtung versichert oder nicht.
Sie stehen aber der Intersport International vor. Das ist die Lizenzgeberin der Marke Intersport. Wie muss man sich denn eine Lizenznahme auf nationaler Ebene vorstellen?
Die Intersport International Corporation IIC ist Inhaberin der Marke Intersport und aller Eigenmarken wie ENERGETICS, etirel, FIREFLY, McKINLEY, PRO TOUCH, TECNOpro. Im Lizenzvertrag und den dazugehörenden Manuals sind die Rechte und Pflichten betreffend die Marke Intersport sowie die Eigenmarken festgehalten. Da die IIC die Einkaufsvolumen der nationalen Lizenznehmer bündeln kann, erhalten diese entsprechend vorteilhafte Einkaufskonditionen. Neben den Produkten verhandelt die IIC mit den grossen Marken Marketingzuschüsse, die in Form von internationalen Marketingkampagnen den Absatz dieses internationalen Sortiments fördern.
«Ein Ladenkonzept gibt den Lizenznehmern Vorgaben zur Gestaltung der Geschäfte inklusive der entsprechenden Kennzahlen und Benchmarks.»
Franz Julen, CEO IIC – INTERSPORT International Corporation
Und dann kommt noch das Ladenkonzept hinzu…
Richtig. Ein Ladenkonzept gibt den Lizenznehmern Vorgaben zur Gestaltung der Geschäfte inklusive der entsprechenden Kennzahlen und Benchmarks. Hinzukommen seitens der IIC weitere Serviceleistungen in den Bereichen IT, Logistik, Benchmarking und vieles mehr.
Rund 10.5 Milliarden Euro beträgt der Jahresumsatz der Gruppe auf allen Kontinenten. Das meiste damit wird durch Sportartikel erwirtschaftet. Oder sehen Sie in Zukunft einen zunehmenden Trend zur Miete? Es heisst ja, nicht der Besitz macht glücklich, sondern der Nutzen.
Jährlich werden circa 3 Millionen Paar Ski und 3,3 Millionen Paar Skischuhe verkauft. Davon werden etwa 50 Prozent der Ski und ein Drittel der Skischuhe für Mietzwecke verwendet. In den letzten Jahren hat der Trend zur Miete stark zugenommen. Wir rechnen damit, dass sich das Verhältnis Verkauf/Miete in etwa auf dem gegenwärtigen Stand einpendeln wird. Das Mietgeschäft ist für die über 600 Intersport-Händler in den Bergen von grösster Bedeutung. Deshalb behandelt die Intersport-Wintersport-Strategie sowohl das Verkaufs- als auch das Mietgeschäft mit identischer Priorität.
Welches ist denn für Sie als Manager die grösste Gefahr, die einer so breiten und gut etablierten Marke wie Intersport drohen könnte?
Jedes Geschäftsmodell hat seine Vor- und Nachteile. Unser Franchising-/Lizenzmodell hat den Vorteil, dass wir schnell mit wenig Kapital expandieren können, das Geschäftsmodell den nationalen Marktgegebenheiten wo nötig anpassen können und dass das finanzielle Risiko auf verschiedene Schultern verteilt ist. Wenn wir aber kurzfristig auf veränderte Markt- und Konsumentenbedürfnisse reagieren müssen, gilt es sicherzustellen, dass wir diesen Prozess schnell, flexibel und kostengünstig bewältigen können.
Intersport verkauft auch sehr viele Merchandising-Artikel. Wieviel Prozent vom Umsatz machen diese denn aus?
Merchandising-Artikel werden in erster Linie vor und während der grossen Sportveranstaltungen, insbesondere Fussball, wie WM, EM oder Champions League Finale verkauft. Auf den gesamten Einzelhandelsumsatz von 10.5 Milliarden Euro bezogen, bilden die Merchandising-Artikel einen Anteil im tiefen einstelligen Prozentbereich.
Ich nehme an, bei Merchandising-Artikeln ist die Marge besonders hoch. Oder geht der Gewinn eher an die Clubs und die Stars?
Merchandising-Artikel sind gerade im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen ein sehr risikoreiches Geschäft. Wenn bei einer Fussball EM das nationale Team ausscheidet, bricht der entsprechende Verkauf komplett ein. Deshalb müssen die Margen dieser Artikel höher sein als die übrigen saisonalen Produkte. Die Lizenzgebühren, die wir der FIFA, UEFA oder anderen Markeninhabern bezahlen, entsprechen den üblichen Marktbedingungen und sind beispielsweise im selben Rahmen, wie wir Lizenzgebühren an Walt Disney für Comicfiguren, die wir bei Eigenmarkenprodukten benützen, auch entrichten.
«Merchandising-Artikel sind gerade im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen ein sehr risikoreiches Geschäft.»
In den nächsten fünf Jahren will Intersport in China insgesamt 80 bis 100 Multisport-Sportfachgeschäfte mit einer Verkaufsfläche von jeweils 1’000 bis 1’500 Quadratmeter eröffnen. Leben die Chinesen mittlerweile auf grossem Sportfuss?
Einer der Hauptgründe, warum wir uns im jetzigen Zeitpunkt zum Markteinstieg in China entschlossen haben, liegt in der Tatsache, dass auch in China Sport, Bewegung, Gesundheit immer mehr an Bedeutung gewinnen. Bisher bestand der chinesische Markt ausschliesslich aus Monobrand-Shops der grossen Marken wie adidas, Nike etc. Sobald nun mehr Sport getrieben wird und die Sportprodukte nicht ausschliesslich für Freizeitzwecke, fürs Shopping oder als Statussymbol verwendet werden, sondern zum wirklichen Sporttreiben, braucht es Sportgeschäfte, die wie Intersport den Konsumenten mehrere Marken und mehrere Sportarten in ein und demselben Geschäft anbieten. Der Konsument will nun Auswahl, Vergleichsmöglichkeiten und Service. Darüber hinaus sind wir überzeugt, dass die wirtschaftlichen Perspektiven in China weiterhin positiv bleiben und die Mittelschicht an Kaufkraft gewinnen wird.
Auch in Australien hat Intersport Fuss gefasst. Wie unterscheidet sich das Einkaufsverhalten der Leute down under von dem der Europäer oder Chinesen?
Im Gegensatz zum chinesischen Sportmarkt ist der australische Sportmarkt sowohl von den Sportarten, den Marken, den Produkten als auch von den Grösseneinteilungen und Schnitten her fast identisch mit dem europäischen. Die grosse Differenz liegt in der unterschiedlichen Saisonalität, wobei bei ganzjährig betriebenen Sportarten wie Fussball oder Running die Timings der Produktlancierungen identisch mit Europa sind.
Läuft mittlerweile das Geschäft in Osteuropa wieder besser?
Mit Ausnahme von Russland und Ungarn ist unser Osteuropa-Geschäft, wo wir gegenwärtig in 15 Märkten mit fast 400 Geschäften vertreten sind, in den letzten Jahren sehr gut gelaufen und wir sind in den allermeisten Märkten kontinuierlich gewachsen. Selbst in Märkten wie Griechenland oder Zypern, welche von der Wirtschafts- und Finanzkrise stark in Mitleidenschaft gezogen wurden, wiesen wir jedes Jahr Umsatzsteigerungen aus. Die meisten dieser Geschäfte in Osteuropa weisen Verkaufsflächen zwischen 800 und 1‘000m2 aus und werden von den Lizenznehmern in Eigenregie geführt.
«Die Bedeutung des Sports insbesondere für die Gesundheit wird unsere Branche weiterhin beflügeln.»
Nach der Übernahme der US-amerikanischen Athlete’s Foot, womit Intersport nun mit der einen oder anderen Marke in über 60 Ländern der Welt vertreten ist, sahen Sie auch in der Schweiz Chancen für diese neuen Shops. Bisher hat man aber noch nichts davon mitbekommen…
Nicht nur in der Schweiz, auch in den übrigen Ländern hat man von unseren zukünftigen Athlete’s Foot Plänen und Strategien noch nichts mitbekommen. Wir haben allen nationalen Franchisenehmern mitgeteilt, dass wir das Jahr 2013, nachdem wir die Kette im Dezember 2012 übernommen haben, dazu nutzen werden, die zukünftigen Strategien und Konzepte in Bereichen wie Positionierung, Markenwerte, Ladenkonzept, Einkauf, Marketing, Expansion festzulegen. Dieser Prozess befindet sich in der Endphase. Im neuen Jahr beginnen wir dann mit der Umsetzung in bestehenden und neuen Märkten und werden zweifellos auch mit der Intersport Schweiz entsprechende Gespräche führen.
Ich hatte früher als Kind ein einziges Paar Turnschuhe. Mittlerweile habe ich fünf paar Bergschuhe, je zwei paar Snowboardschuhe, Skischuhe, dann noch Tennisschuhe und wenn es nach der Runner’s Industry geht, brauche ich unbedingt noch ein drittes Päarli Jogging-Schuhe. Übertreiben wir es nicht langsam etwas? Ist der Markt bald einmal gesättigt?
Sehr gut. Danke. Genau solche Konsumenten brauchen wir. Nein, Spass beiseite, aufgrund der Megatrends Bewegung, Fitness, gesund bleiben, Natur, werden die Märkte weiter wachsen. In Westeuropa eher im kleinen einstelligen Bereich, in Osteuropa und den Schwellenländern sicher im mittleren einstelligen Bereich. Die Bedeutung des Sports insbesondere für die Gesundheit wird unsere Branche weiterhin beflügeln.
Sie haben einst Vreni Schneider gemanagt und waren Chef von Völkl. Schlägt Ihr Herz immer noch am meisten für den Skisport?
Dem Skisport habe ich sehr viel zu verdanken. Auch wenn ich meinen beruflichen Werdegang selber bestritten habe, war der Olympiasieg meines Bruders Max 1984 im Riesenslalom von Sarajevo, den ich als Betreuer begleiten durfte, eine gute Starthilfe. Wenn ich auch kaum mehr Skirennen vor Ort anschaue, so verfolge ich Skisport doch immer noch mit grossem Interesse. Ich bin auch weiterhin ein begeisterter Skifahrer und fahre pro Jahr, vorwiegend in Zermatt, zwischen 15 und 20 Tagen Ski. Aber auch andere Sportarten insbesondere Fussball, Tennis und Eishockey verfolge ich nachhaltig. Ich jogge sehr viel und wenn es mein Tennisarm wieder erlaubt, werde ich auch wieder intensiv Tennis spielen. Somit bin ich einer der wenigen Privilegierten, die ihr Hobby zum Beruf machen durften.
Zur Person:
Franz Julen (55) ist seit April 2000 CEO der IIC – INTERSPORT International Corp. Er stammt aus Zermatt und war Betreuer und Manager seines Bruders Max Julen, der 1984 in Sarajevo im Riesenslalom Olympiasieger wurde. Danach arbeitete er als Sportjournalist, in der Sportvermarktung und war CEO der Völkl (International) AG.
Zum Unternehmen:
Die IIC – INTERSPORT International Corp. ist die Lizenzgeberin der Marken INTERSPORT, The Athlete’s Foot und der IIC Eigenmarken. Die IIC arbeitet weltweit mit nationalen Lizenznehmern. Mit einem Einzelhandelsumsatz von 10.2 Milliarden Euro und mehr als 5’400 angeschlossenen Geschäften in 42 Ländern ist Intersport die weltweit führende Sportartikel-Fachhändlerin. Zur Intersport-Gruppe gehört seit Dezember 2012 auch die US-Sportschuhkette The Athlete’s Foot mit mehr als 400 Geschäften in 27 Ländern. Die Intersport-Gruppe ist in 63 Ländern und auf allen fünf Kontinenten vertreten und ist der offizielle Event Store des Weltfussballverbandes FIFA für den Verkauf offizieller Lizenzprodukte der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Brasilien 2014™ .