Frédéric Füssenich, Direktor Engelberg-Titlis Tourismus, im Interview

Frédéric Füssenich, Direktor Engelberg-Titlis Tourismus (Bild: zVg)

Von Robert Wildi

Moneycab: Herr Füssenich, wie optimistisch blicken Sie auf die bevorstehende touristische Sommersaison am Titlis?

Frédéric Füssenich: Die Indikatoren aus den Fernmärkten Indien und Asien stimmen uns positiv. Mit dem Schneeerlebnis Titlis haben wir ein echtes USP in der Zentralschweiz. Auch in den Nahmärkten Deutschland und Benelux durften wir in den letzten Monaten ein Wachstum verzeichnen. Für unseren wichtigsten Markt, die Schweiz, spielt das Wetter eine entscheidende Rolle.

«Die Indikatoren aus den Fernmärkten Indien und Asien stimmen uns positiv.» Frédéric Füssenich, Direktor Engelberg-Titlis Tourismus

Wie hat sich Engelberg im Bereich der Angebots-Hardware auf den Sommer 2017 vorbereitet?

Wir hoffen auf die Baubewilligung für den Neubau einer neuen Mountain-Bikestrecke im Gebiet Jochpass. Mittelfristig sehen wir ein grosses Potential für Mountain-Biker in Engelberg. Angebotsseitig setzten wir diesen Sommer wieder auf die «Buiräbähnli-Safari»: Im Engelbergertal gibt es viele urchige Seilbähnli, welche von Bauern betrieben und auch für den Personentransport genutzt werden dürfen. Wir haben das Bahnerlebnis mit einer spektakulären Höhenwanderung kombiniert.

Was haben Sie als Vermarktungsorganisation unternommen, um Engelberg möglichst gut zu positionieren? 

Wir erwarten zu den Vorstellungen des Freilichtspieles «Winnetou 1» nach Karl May von Mitte Juli bis Mitte August über 30’000 Zuschauer. Weiter möchten wir mit diversen Angeboten – vom Country-Festival bis zu Kanu fahren auf dem Trübsee – den Gästen möglichst viele gute Gründe geben, um in Engelberg zu übernachten.

«Die Bergbahnen haben sehr gut gearbeitet und liegen ca. 5 % über Vorjahr. In der Hotellerie hat uns der schneearme Dezember einen Strich durch die Rechnung gemacht.»

Inwiefern konnte eine gute Wintersaison dem bevorstehenden Sommer bereits Schub verleihen?

Die Bergbahnen haben sehr gut gearbeitet und liegen ca. 5 % über Vorjahr. In der Hotellerie hat uns der schneearme Dezember einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dieses Defizit konnten wir nicht mehr aufholen und wir rechnen mit einem Minus von 5 %.

Die Gäste aus China, über Jahre ein Hoffnungsträger und wichtig für Engelberg/Titlis, bleiben Europa zurzeit fern. Wie wollen Sie diese kompensieren?

2016 sind wir diesbezüglich auf das Niveau von 2014 zurückgerutscht. Die ersten Monate im 2017 haben sich, nicht zuletzt dank der verbesserten Visa-Situation, jedoch sehr positiv entwickelt. Mittel- bis langfristig sind wir überzeugt vom Potenzial des chinesischen Marktes und erarbeiten Konzepte, wie wir auch vermehrt Individualgäste aus dem Reich der Mitte für Engelberg begeistern können.

Wie treu ist in Engelberg die Schweizer Kundschaft?

Das Reiseverhalten der Schweizer hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Gab es früher die Auswahl zwischen zwei alpinen Destinationen, heisst es heute Berg- oder Strandferien beziehungsweise Skifahren/Wandern oder Tauchen. Ein treuer Gast ist nach dieser Definition jener, welcher nicht jedes Jahr zu uns kommt, sondern Engelberg wählt, wenn er sich für Ferien in alpiner Umgebung entscheidet. Aufgrund unserer guten Erreichbarkeit profitieren wir von diesem Trend. Treu sind die Gäste, wenn die Wettervorhersage am Mittwoch für das Wochenende schön ist.

Wie kann man als saisonal funktionierende Tourismusdestination die Grundauslastungen steigern?

Engelberg hat eine der geringsten saisonalen Schwankungen im ganzen Alpenraum. Dies dank der Tatsache, dass der grösste Teil der indischen Gäste im Mai/Juni reist. Dank neuer Beschneiungsanlagen möchten wir in Zukunft den momentan schwächsten Monat November beleben. Explizit für Trainingspisten für Skiclubs aus Skandinavien und Deutschland. Ein richtungsweisendes Projekt ist das Fünf-Sterne-Hotel «Grand Hotel Titlis Palace», welches 2019 eröffnet wird. Wir freuen uns sehr, dann auch im Luxussegment ein entsprechendes Angebot offerieren zu können.

«Engelberg hat eine der geringsten saisonalen Schwankungen im ganzen Alpenraum. Dies dank der Tatsache, dass der grösste Teil der indischen Gäste im Mai/Juni reist.»

Vor vier Jahren gerieten die lokalen Bergbahnen wegen eines Falls von Veruntreuung negativ in die Schlagzeilen. Ist dieser Fall inzwischen bereinigt?

Die Aktie der Titlis Bahnen hat sich in den letzten vier Jahren mehr als verdoppelt. Der Vorfall ist abgeschlossen. Persönlich tut es mir leid für den damaligen CEO und CFO. Sie hatten die Weichen richtiggestellt und grossen Anteil am momentanen Erfolg.

Inwiefern kann der lokale Tourismus von den verschiedenen renommierten Schulen (Internat, Sportschule etc.) in Engelberg profitieren?

Wir arbeiten sehr eng mit der Sportmittelschule und dem Kloster zusammen. Besonders von den Erfolgen der Sportmittelschule profitiert Engelberg. Mit Dominique Gisin, Michele Gisin, Denise Feierabend, Lena Häcki und Fabian Bösch haben wir tolle lokale Imageträger dank der Unterstützung der Sportmittelschule. Die Sportmittelschule bringt aber auch viel Kompetenz vom Spitzensport nach Engelberg. Momentan arbeiten wir gemeinsam mit der Gemeinde an einem Nordic Center.

Was wünschen Sie sich ganz generell für den Schweizer Tourismus?

Als standortgebundene Exportindustrie sind unsere Produktionskosten zu hoch. Offene Märkte und weniger Regulierung würden uns helfen, aber diesbezüglich habe ich wenig Hoffnung. Engelberg-Titlis hat sich in den letzten Jahren positiv entwickelt. Wir müssen den Weg konsequent weitergehen und gemeinsam mit allen Leistungsträgern in das Produkt investieren und im Sinne einer Risikodiversifikation ein möglichst breites Gästesegment ansprechen.

Der Gesprächspartner
Frédéric Füssenich (Jg. 1974) studierte Betriebsökonomie an der Fachhochschule Zentralschweiz in Luzern, absolvierte zudem einen Abschluss zum Eidgenössisch diplomierten Hotelier an der Hotelfachschule sowie einen Executive Master of Business Administration an der Hochschule in Luzern. Der gebürtige Bochumer und zweifache Familienvater war als Tourismusdirektor der Bündner Skiregion Sedrun-Disentis tätig, bevor er 2010 zum Direktor und Geschäftsführer der Engelberg-Titlis Tourismus AG ernannt wurde. Zum Klosterdorf hat er einen ganz besonderen Bezug, denn seine Mutter stammt aus Engelberg und lernte ihren Mann, einen Bochumer Holzgrosshändler, in ihrem Heimatdorf kennen, als dieser während den Ferien verunfallte und ihren Vater, den damaligen Dorfarzt aufsuchte.

Das Unternehmen
90% der Wertschöpfung in Engelberg werden direkt oder indirekt aus dem Tourismus erwirtschaftet. Die Engelberg-Titlis Tourismus AG ist dabei ein wichtiges Bindeglied zwischen Leistungsträger und Gast. Sie ist zudem eine Marketingorganisation mit dem Ziel, den nationalen und internationalen Bekanntheitsgrad der Destination Engelberg zu steigern, ein authentisches Image zu transportieren und Wertschöpfung in der Region auszulösen. Das Team zählt derzeit 24 Mitarbeitende, wovon acht die Gäste im lokalen Tourismuscenter direkt betreuen. www.engelberg.ch

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