Fritz Mumenthaler, CEO Ascom, im Interview
Ascom-CEO Fritz Mumenthaler. (Foto: Ascom)
von Robert Jakob
Moneycab.com: Herr Mumenthaler, seit der Gewinnwarnung im Dezember hat Ascom ein Viertel seines Börsenwertes eingebüsst. War das nicht übertrieben?
Fritz Mumenthaler: Aus grundsätzlichen Erwägungen kommentiere ich den Börsenkurs nicht: Wichtig ist aber, dass sich die Fundamentaldaten für Ascom nicht geändert haben. Ascom ist mit hochmodernen Produkten und Lösungen in attraktiven Wachstumsmärkten wie dem Gesundheitswesen unterwegs.
Der kleinere der beiden Ascom-Geschäftsbereiche, nämlich Network Testing, hat trotz Technologieführerschaft zu geringe Marktmacht und kämpft mit den entsprechenden Problemen. Ist der Verkauf des Teilbereiches Systems & Solutions jetzt Startschuss für die Veräusserung der gesamten Division?
Network Testing ist globaler Marktführer für Test- und Optimierungslösungen für Mobilfunknetze. Insbesondere in Nordamerika haben wir eine starke Marktposition. Deswegen wurden wir von den grossen Umwälzungen auf dem amerikanischen Telekommunikationsmarkt auch erfasst. Wir sehen aber die attraktivsten Entwicklungschancen für Ascom im Gesundheitswesen. Deswegen haben wir im Januar 2015 kommuniziert, dass sich Ascom darauf fokussiert, zu einem führenden Anbieter für Workflow-Optimierungslösungen, vorab im Gesundheitswesen, zu werden. Für die Division Network Testing werden nun strategische Optionen evaluiert, wobei auch eine Devestition nicht ausgeschlossen ist. Der Verkauf des Geschäftsbereichs Systems & Solutions ist ein Teil dieser Strategie.
«Ascom hat darauf fokussiert, zu einem führenden Anbieter für Workflow-Optimierungslösungen, vorab im Gesundheitswesen, zu werden.»
Fritz Mumenthaler, CEO Ascom
Wird der ins 2016 verschobene Grossauftrag von 8 Millionen bei der Division Network Testing jetzt bald nachgeholt?
Wir sind zuversichtlich, dass der Kunde investieren wird – wobei dieser natürlich auch über den Umfang und das Timing entscheidet.
Als ehemaliger Leiter der Division Wireless Solution dürften Sie die Performance von Network Solutions mit gemischten Gefühlen sehen…
Als CEO der Ascom sind mir alle Bereiche gleich wichtig. Network Testing bewegt sich zurzeit in einem schwierigen Marktumfeld, da sich die Telekommunikationsbranche in einem Umbruch befindet. Dies kann sich aber auch wieder ändern…
Im Dezember hat Ascom das italienische Medizinalsoftwareunternehmen UMS übernommen. Wieviel Ihrer F&E-Kosten entfallen denn generell auf Software?
Die Akquisition von UMS ist eine hervorragende strategische Ergänzung für Ascom. Dank den erworbenen Softwarelösungen können wir den Kunden im Medizinalbereich eine noch breitere Palette an Integrationslösungen anbieten. Zudem erhalten wir einen direkten Zugang zum italienischen Markt. Die Division Wireless Solutions investiert insgesamt rund 7% ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung.
«Die Division Wireless Solutions investiert insgesamt rund 7 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung.»
Der Geschäftsbereich Wireless Solutions ist nicht nur Cashgenerator, sondern auch Innovationstreiber. Welchen bedeutenden Produkt-Launch kann man auf Ende 2016 erwarten?
Nachdem wir im Jahr 2015 Myco lanciert haben, werden wir im Jahr 2016 den Fokus auf die Unite Middleware legen und zusätzliche Applikationen anbieten, wobei Myco ein wesentlicher Bestandteil der integrierten Lösungen ist.
Nach Ihrem strategischen Plan sollte sich das organische Umsatzwachstum 2016/2017 beschleunigen. Welche Treiber müssen dafür 2016 aktiviert werden?
Wireless Solutions hat sich für die Jahre 2016 und 2017 ein Umsatzwachstum von 5-10 Prozent zum Ziel gesetzt. Dies wollen wir mit einem höheren Softwareanteil und noch mehr professionellen Services erreichen. Zu beachten ist, dass die Projekte mit umfassenden Lösungen grösser und komplexer geworden sind und deshalb auch längere Laufzeiten haben.
Allein in Europa gibt es über 2 Millionen Krankenhausbetten, ein riesiger Markt. Und selbst wenn die Verweilzeiten im Krankenhaus gesenkt werden, hat es genug Applikationen, die Ascom in den Krankenhäusern abdecken kann. Ist damit die angepeilte Umsatzverdopplung 2020 möglich?
Im Rahmen der Strategie Ascom 2020 hat sich Ascom zum Ziel gesetzt, den Umsatz im Bereich Healthcare ICT zu verdoppeln. Unsere Ambition besteht darin, in jedem erstklassigen Spital der Welt präsent zu sein. Wir zählen bereits heute bedeutende Spitalzentren in der ganzen Welt zu unseren Kunden und sehen nicht nur in Europa, sondern auch in Nordamerika und Asien noch viel Potenzial für unser Angebot. Gezielte Akquisitionen sollen uns bei der Strategieumsetzung unterstützen.
«Projekte mit umfassenden Lösungen sind grösser und komplexer geworden und haben deshalb auch längere Laufzeiten.»
Ihre Systeme für Personensicherheit und technische Sicherheit müssen extrem zuverlässig sein. Haben Sie da nicht manchmal Angst, dass es zu einem Haftpflichtfall kommen könnte, gerade beispielsweise in Ihrem bedeutenden US-Markt?
Unsere Produkte und Lösungen sind „state-of-the-art“ und werden spezifisch für „mission critical communication“ entwickelt und hergestellt. Damit differenzieren wir uns auch von Commodity Produkten. Zudem werden die Benutzer in der Anwendung umfassend ausgebildet. Bis heute hatten wir noch keinen grösseren Zwischenfall.
Wie muss man sich bei Ihren Pagern und Überwachungssystemen denn die umfangreichen Tests vor der Serienproduktion vorstellen?
Unsere Produkte durchlaufen umfangreiche Langzeittests und werden dabei beispielsweise auf Schlag, Schock, Hitze und Feuchtigkeit getestet. Ebenso werden Feldversuche bei Kunden durchgeführt.
Für 2015 stellen Sie einen rund ein Drittel tieferen Reingewinn in Aussicht. Die Dividende wird aber gleich bleiben. Heisst das, Sie werden die Scharte, welche die Division Network Testing gerissen hat, bereits in 2016 auswetzen?
Ich bin zuversichtlich für das Jahr 2016 und bin überzeugt, dass wir bei Wireless Solutions die für 2016 und 2017 gesetzten Ziele einer EBITDA-Marge von 14-18 Prozent bei einem Umsatzwachstum von 5-10 Prozent erreichen können. Network Testing hat das Restrukturierungsprogramm bereits im Januar 2016 weitgehend umgesetzt und erwartet nun einen deutlicher höheren EBITDA im Jahr 2016.
Zur Person:
Der studierte Wirtschaftswissenschaftler (lic. pol.) Fritz Mumenthaler hat auch einen Abschluss in Business Administration am renommierten INSEAD. Von 1985-1988 arbeitete er bei der Credit Suisse als Manager Human Resources. Weitere Stationen waren Swissphone Telecommunications sowie Landis & Gyr respektive Siemens Building Technologies. Seit April 2011 führt der ehemalige Divisionsleiter die gesamte Ascom.
Zum Unternehmen:
Ascom ist ein internationaler Lösungsanbieter mit umfassendem Technologie-Know-how in sogenannt Mission-Critical Communication. Das Unternehmen fokussiert sich auf die Bereiche Wireless Solutions (hochstehende, kundenspezifische On-site-Kommunikationslösungen) und Network Testing (ein weltweiter Marktführer für Test-und Optimierungslösungen von Mobilfunknetzen). Das Unternehmen mit Sitz in der Schweiz ist mit Niederlassungen in 19 Ländern vertreten und beschäftigt weltweit rund 1700 Mitarbeitende. Die Ascom Namenaktien (Symbol ASCN) sind an der SIX Swiss Exchange in Zürich (Schweiz) kotiert.