Georg Strasser, Country Director Too Good To Go Schweiz und Österreich, im Interview
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Strasser, Geburtstage bieten immer die Möglichkeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Wie fällt diese bei Too Good To Go aus, das nun seit fünf Jahren in der Schweiz aktiv ist?
Georg Strasser: Äusserst positiv! Als wir vor fünf Jahren begonnen haben, war Lebensmittelverschwendung ein Randthema, inzwischen ist es in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das zeigt sich auch in unseren Ergebnissen: Dank Millionen User*innen hierzulande sowie mehr als 7’100 Partnerbetrieben wurden bis heute bereits über acht Millionen Überraschungspäckli gerettet – eine grossartige Zahl, aber auch ein Zeichen, dass noch viel mehr gemacht werden muss, um Zero Food Waste zu erreichen.
In der Schweiz wird jährlich die unvorstellbare Menge von 2,8 Millionen Tonnen Lebensmittel entsorgt. Vielleicht eine naive Frage – aber warum werfen wir so viele Lebensmittel weg?
Am meisten Lebensmittelabfälle fallen in privaten Haushalten an. Pro Jahr und pro Person werden so circa 620 Franken verschwendet. Einer der Hauptgründe ist, dass wir oft mehr Produkte kaufen, als wir dann tatsächlich konsumieren. Dies führt zu einer Überfüllung des Kühlschranks – Lebensmittel werden vergessen oder verderben. Ein weiterer Grund ist sicherlich das Unwissen oder die Unsicherheit über das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD). Viele werfen die Esswaren weg, obwohl sie noch geniessbar sind. Mit unserer «Oft Länger Gut»-Kampagne versuchen wir die Menschen anzuregen, ihre Sinne zu verwenden und Produkte auch über das MHD hinaus zu verwerten.
«Mit unserer «Oft Länger Gut»-Kampagne versuchen wir die Menschen anzuregen, ihre Sinne zu verwenden und Produkte auch über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus zu verwerten.»
Georg Strasser, Country Director Too Good To Go Schweiz und Österreich
Bis heute haben 2 Millionen User in der Schweiz über die Too Good Too Go-App Lebensmittel vor dem Wegwerfen bewahrt. Finden sich darunter typische Verbraucher-Typen?
Unsere Userinnen und User setzen sich aus allen Altersgruppen zusammen. Dazu gehören sowohl Studierende wie auch Familien, Singlehaushalte und Seniorinnen. Die Gründe, warum sie retten, sind unterschiedlich. Ein Teil macht es, um etwas Nachhaltiges für unsere Umwelt zu tun, der andere, um hochwertige Produkte zu einem günstigen Preis zu bekommen und damit das Portemonnaie zu schonen.
7’100 Partnerbetriebe von Too Good To Go verkaufen ihre überschüssigen Lebensmittel in Form von «Überraschungspäckli» zu einem Drittel des Preises. Coop, Migros oder Lidl gehören dazu, wer macht aber die grosse Masse der Unternehmen aus?
Die Detailhandelsunternehmen wie Migros oder Coop machen einen grossen Anteil aus, aber auch zahlreiche Bäckereien, Hotels und Restaurants sind wichtige Partnerbetriebe für uns. Sie ergänzen mit den Supermarktketten sowohl in den Städten als auch in ländlichen Bereichen das Angebot. Sie alle ermöglichen eine vielfältige Auswahl.
Die Händler profitieren davon, dass sie mit Lebensmitteln, die vernichtet würden, zumindest noch etwas verdienen. Die Kunden erhalten gute und günstige Lebensmittel. Sie weisen als grössten Profit die Rettung von Millionen Tonnen Lebensmittel aus. Schreibt TGTG in der Schweiz auch schwarze Zahlen?
Wir sind profitabel, messen als Social Impact-Unternehmen unseren Erfolg aber nicht am Umsatz, sondern an den geretteten Überraschungspäckli – das ist unser Nordstern.
Sie verdienen an Provisionen. Wie hoch sind diese?
Too Good To Go erhält für jedes gerettete Überraschungspäckli eine Provision, die je nach Menge und Preis des Päcklis variiert. Unseren Gewinn reinvestieren wir in unser Unternehmen, um unsere Lösungen weiter auszubauen und voranzutreiben.
Wie hat sich das Wachstum seit der Gründung vor fünf Jahren entwickelt?
Vor fünf Jahren haben wir klein mit einer Handvoll Partner angefangen und uns über jedes gerettete Überraschungspäckli gefreut. Jetzt können wir uns täglich über Tausende freuen. Und mittlerweile kommen Partner auf uns zu, weil sie unsere Lösung für sich nutzen wollen. Dennoch sind wir noch nicht am Ziel angekommen, wir wachsen kontinuierlich weiter – dieses Jahr haben wir zum Beispiel unsere Kooperation mit Coop auf alle Supermärkte in der ganzen Schweiz ausgeweitet.
«Wir konnten in den letzten fünf Jahren vielen Betrieben zeigen, dass wir ein verlässlicher Partner sind.»
Müssen Sie bei den Unternehmen Aufklärung leisten oder treten diese mittlerweile von selbst an Too Good To Go heran?
Wir konnten in den letzten fünf Jahren vielen Betrieben zeigen, dass wir ein verlässlicher Partner sind. Wir bieten ihnen eine einfache und effektive Lösung gegen ihre Lebensmittelüberschüsse und darüber hinaus durch unsere Kooperation eine sehr positive Wahrnehmung bei unterschiedlichen Zielgruppen, was auch zu zufriedenen neuen Kund*innen führen kann. Eine klare Win-Win-Situation, an der sich vor allem aber unsere Umwelt erfreut.
Muss sich Too Good To Go auf der anderen Seite nicht den Vorwurf gefallen lassen, dass die grossen Kunden ihre Geschäftspraxis nicht zu ändern brauchen, sprich viel zu viel von Vielem in den Regalen haben, da sie den Überschuss ja über Too Good To Go immer noch verkaufen können?
Lebensmittel extra für den Verkauf über Too Good To Go zu produzieren, zahlt sich für keinen Betrieb aus. Unser Modell ermöglicht es ihnen lediglich, hochwertige Lebensmittelüberschüsse zu einem vergünstigten Preis zu verkaufen, bevor diese in der Tonne landen. Damit es zu strukturellen Veränderungen kommen kann, braucht es vor allem auch das Zutun der Politik und viel Aufklärung in der Gesellschaft.
«Lebensmittel extra für den Verkauf über Too Good To Go zu produzieren, zahlt sich für keinen Betrieb aus.»
Von welcher weiteren Entwicklung gehen Sie für TGTG in der Schweiz aus?
Die Nachfrage nach unserer App steigt und das ist gut, denn die Reduktion von Food Waste zählt zu den effektivsten Hebeln gegen die Klimakrise. Damit wir hier noch mehr und noch effizienter zum Ziel kommen, müssen wir kontinuierlich an der Verbesserung und Erweiterung unseres Lösungsansatzes arbeiten. Wir setzen unseren Fokus in der nächsten Zeit daher direkt auf Produzenten und arbeiten auch an einer weiteren Lösung zur Erfassung des MHDs und damit zur Vermeidung von MHD kritischen Produkten.
Herr Strasser, besten Dank für das Interview.