Gert De Winter, CEO Baloise Group, im Interview
von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr De Winter, das Geschäft mit Vorsorgeprodukten für Privatkunden in ganz Europa betreibt die Baloise vom Kompetenzzentrum Luxemburg aus. Der Renner ist dabei die fondsgebundene Lebensversicherung. Die oft totgesagte Lebensversicherung lebt also länger?
Gert De Winter: Die Nachfrage nach Altersvorsorge und Hinterbliebenenschutz hat nie abgenommen. Es mag aber für Lebensversicherer schwieriger geworden sein, Garantien darzustellen.
Hintergrund für den Erfolg ist sicher die unverschämt hohe Besteuerung in den Nachbarländern Deutschland und Frankreich…
Wir bieten im freien Dienstleistungsverkehr in jedem Markt Produkte an, welche den lokalen steuerlichen und gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Mit Einführung des automatischen Informationsaustauschs werden auch sämtliche existierende Verträge an die Steuerbehörden des Wohnsitzlands des Kunden gemeldet. Steuervorteile sind heute nicht mehr das entscheidende Argument für eine Lebensversicherung.
«Mit den Herausforderungen, denen sich die Staatshaushalte in den nächsten Jahren stellen müssen, werden auch in Zukunft Anreize geschaffen, dass Bürger mehr Eigenverantwortung in der Vorsorge übernehmen.» Gert de Winter, CEO Baloise
Die Lösungen sind selbstverständlich absolut steuerrechtskonform. Aber haben Sie bei der Baloise keine Angst, dass das Steuerregime wieder ändert? Frankreich wechselt es ja wie sein tägliches Hemd.
Die Möglichkeiten der Lebensversicherung, wie die Vorsorgeplanung, Vermögensweitergabe im Todesfall, Kapitalschutz, vereinfachte Darstellung in der Steuererklärung und geografische Diversifizierung des Vermögens sind ebenso wichtig. Und vor allem das letzte Argument spricht für eine Lösung aus Luxemburg oder Liechtenstein. Änderungen der Steuerregimes haben in der Tat einen Einfluss auf die Nachfrage. Die anderen Gründe für eine Lebensversicherung werden jedoch auch in Zukunft für eine Grundnachfrage sorgen. Mit den Herausforderungen, denen sich die Staatshaushalte in den nächsten Jahren stellen müssen, werden auch in Zukunft Anreize geschaffen, dass Bürger mehr Eigenverantwortung in der Vorsorge übernehmen.
Seit unserem letzten Interview hat die Baloise Group das einstige Problemkind Deutschland in den Griff bekommen. Der Schaden-Kosten-Satz fiel für das erste Semester 2018 zielgenau auf 96.4%. Ich vermute Deutschland wird in den nächsten Jahren zur Profit-Lokomotive?
Wir haben am letzten Investorentag einen 5-Jahresplan aufgezeigt, um Deutschland zurück in die Profitabilität zu führen. Hieran halten wir fest. Der Geschäftsmix entwickelt sich wie angestrebt. Unser Geschäftsmodell ist auf Langfristigkeit ausgelegt, und wir glauben unverändert an den Erfolg unserer Deutschen Geschäftseinheit.
Viele neue Baloise-Produkte haben nur indirekt etwas mit klassischer Versicherung zu tun, wie beispielsweise Carhelper, eine Vergleichsplattform für Autoservices, an der Sie sich beteiligt haben. Geht der Trend in Richtung totaler vertikaler und horizontaler Integration der Produkte?
Entlang unserer Strategie «Simply Safe» investieren und kooperieren wir mit Unternehmen, um unser Dienstleistungsangebot sinnvoll zu erweitern. Mit der Investition und Zusammenarbeit mit Carhelper bauen wir unser Ökosystem an Dienstleistungen rund um Mobilität weiter aus. Das Kundenverhalten ist in stetigem Wandel: die Tendenz geht hin zum «Plattformbusiness» – der Kunde möchte alle Aspekte rund um ein Thema zentral an einem Ort finden. Nehmen wir das Beispiel mit Carhelper. Der Kunde begibt sich auf die Seite, um eine Serviceleistung zu vergleichen und eine Offerte zu erhalten. Das ist auch der Moment, indem er sich mit dem Thema Auto sowie damit verbundenen Services wie Autoversicherung auseinandersetzt – sprich: wir müssen unsere Dienstleistungen dort anbieten, wo der Kunde danach sucht.
Sie bieten seit einem guten halben Jahr eine Cyber-Versicherung für KMU an. Wie grenzt sich die Baloise hier gegen sehr ähnliche Konkurrenzprodukte ab?
Die Cyber-Versicherung für KMU erfreut sich tatsächlich grosser Beliebtheit. Das KMU kann aus unterschiedlichen Versicherungspaketen auswählen – so, wie es für seinen Betrieb passt. Unsere Versicherungslösung ist umfassend und beinhaltet eine weitgehende Assistance-Dienstleistung. Speziell ist bei uns die Cyber-Erpressung mitversichert. Ausserdem wird bei Produktweiterentwicklung der Versicherungsschutz automatisch erweitert. So können wir dem Kunden in diesen sich rasant ändernden Risiko-Szenarien einen stetig wachsenden Schutz bieten.
Mit dem Baloise-Hagelflieger, welcher auf dem Flughafen Birrfeld stationiert ist und zunächst die Deutschschweiz abdeckt, lancierten Sie letzten Sommer ein Projekt zur Hagelbekämpfung. Um die Hagelwahrscheinlichkeit um die Hälfte zu eduzieren, fliegt ein mit einer speziellen Sprühvorrichtung bestücktes Kleinflugzeug unter die Wolke und setzt im Zentrum der Aufwinde ökologisch unbedenkliches Silberjodid frei, damit sich gefährliche Hagelkörner erst gar nicht bilden können. Wer hatte diese Idee?
Federführend bei der Idee-Entwicklung war bei uns Mathias Zingg, Leiter Schaden und Geschäftsleitungsmitglied der Basler Schweiz. Die Kollegen sind dann eine Kooperation mit einem spezialisierten Unternehmen eingegangen, das bereits in Süddeutschland erfolgreich in der Hagelbekämpfung tätig ist. Mit dem Hagelflieger möchten wir einen signifikanten Beitrag zur Schadenreduktion in der Schweiz infolge von Hagel betreiben, der jährlich Schaden in Millionenhöhe verursacht. Das Pilotprojekt ist auf drei Jahre angesetzt, und wir werten die Ergebnisse laufend aus. Wir sind im Austausch mit anderen Versicherern, dem Bauernverband sowie der ETH Zürich, um das Projekt wissenschaftlich begleiten zu lassen.
Kann man schon eine Kurzbilanz ziehen, um wieviel Ihre Piloten die Schadenquote gesenkt haben?
Es ist noch zu früh, um eine Bilanz zu ziehen. Der Hagelflieger war erst ab August bis Ende September – das entspricht dem Ende der Hagelsaison – im Einsatz. In dieser kurzen Zeit kann man noch nicht von repräsentativen Zahlen sprechen. Aber erste Indikationen stimmen uns zuversichtlich und am Ende der Pilotphase werden wir wohl auch Ihre Berechnung anstellen können.
«Unsere Investition in Infracore im sich wandelnden Markt für Gesundheitsimmobilien kann interessante Möglichkeiten bieten.»
Wie soll man Ihren Schritt in den Gesundheitsimmobilienmarkt bewerten? Besteht bei klassischen Immobilien ein Anlagenotstand?
Wir beurteilen Investitionen grundsätzlich nach ihrer Attraktivität und nach den Opportunitäten im Markt. In dieser Hinsicht macht es auch Sinn, die Anlagen zu diversifizieren, wobei unsere Investition in Infracore gerade im sich wandelnden Markt für Gesundheitsimmobilien künftig interessante Möglichkeiten bieten kann. Dennoch; der Schwerpunkt unseres Immobilienbestands bleibt jedoch im Bereich der Wohn- und Gewerbeimmobilien.
Zu Jahresende profitierte die Baloise ja von Ihrem konservativen Anlageportfolio. Aus einem Teil des stark auf Anleihen ausgerichteten Portfolios verabschieden Sie sich gerade. Eidgenossen bringen nichts mehr – setzen Sie jetzt vermehrt auf Unternehmensanleihen?
Das Anleiheportfolio der Baloise bleibt die wichtigste Anleiheklasse (rund 55% per 30.6.2018). Aufgrund des anhaltenden Tiefzinsumfelds investieren wir auch in andere Anlagemöglichkeiten mit höherer Rendite. Auslaufende Bonds wurden beispielsweise teils in Immobilien und teils in Senior Secured Loans reinvestiert. Die gestiegenen Währungsabsicherungskosten haben zu einer Reallokation der USD-Obligationen hinzu zu EUR-Obligationen geführt, welche nach Währungsabsicherungskosten eine attraktivere Rendite gewähren.
«Die gestiegenen Währungsabsicherungskosten haben zu einer Reallokation der USD-Obligationen hinzu zu EUR-Obligationen geführt.»
Währungsabsicherungskosten werden nach meinen Berechnungen im Geschäftsjahr 2018 einen dreistelligen Millionenbetrag ausmachen. Liesse sich daran etwas sparen oder rechnen Sie mit einem Wiedererstarken des Frankens?
Die Währungsabsicherungskosten sind eine Folge der gestiegenen USD-Zinsen und der damit angestiegenen Renditedifferenz zwischen USD- und CHF-Zinsen. Im Gegensatz dazu liefern auf USD lautende (emittierte) Obligationen auch deutlich höhere laufende Erträge als auf CHF lautende (emittierte) Obligationen. Die hohe Währungsabsicherungsquote widerspiegelt nicht eine spezifische Meinung unseres Asset Managements über die zukünftige Entwicklung des Schweizer Frankens: Eine Reduktion der Währungsabsicherungsquote würde zwar zu Einsparung von Währungsabsicherungskosten führen, dies hätte aber zur Folge, dass die nicht abgesicherten Fremdwährungsrisiken gemäss Swiss Solvency Test mit teurem Eigenkapital unterlegt werden müssten, was wiederum zu einer schlechteren Kapitaleffizienz führt.
Bei Ihrem Banking-Arm SoBa nahmen die Vermögensverwaltungs- und Beratungsmandate extrem zu. Müssen Sie jetzt neue Kundenberater einstellen?
Wir sind mit der Entwicklung des schweizweit einzigartigen Geschäftsmodells «Versicherung und Bank» sehr zufrieden. Da unser Vertrieb unsere Kunden in beiden Belangen ganzheitlich beraten kann und wir somit auf die ganze Verkaufskraft der Basler Versicherung sowie der Baloise Bank SoBa zurückgreifen können, wird die vermehrte Einstellung von Kundenberater nicht nötig sein.
Zum Gesprächspartner:
Gert De Winter (1966, BE, MSc) studierte angewandte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Antwerpen. Von 1988 bis 2004 hatte er bei Accenture, Brüssel, verschiedene Funktionen für Fragen zu IT- und Geschäftstransformationsmanagement im Finanzsektor inne. 2000 wurde er Partner. 2005 trat er als Chief Information Officer (CIO) und Leiter HR der Mercator Versicherungen, Belgien, in die Baloise Group ein. Von 2009 bis 2015 hatte Gert De Winter als Chief Executive Officer die Leitung der Baloise Insurance inne, die 2011 aus der Zusammenführung der drei Versicherungen Mercator, Nateus und Avéro hervorgegangen ist. Seit dem 1. Januar 2016 ist Gert De Winter Vorsitzender der Konzernleitung (Group Chief Executive Officer). Seit Juni 2016 ist er Vorstandsmitglied der Handelskammer beider Basel.