Gina Domanig, Managing Partner Emerald Technology Ventures
Interview von Annina Haller und Christoph Hilber, Unternehmerzeitung, P-Connect
Als Frau zählen Sie zur Minderheit in den VRs. Glauben Sie, dass Frauen bei Entscheidungen anders denken?
Gina Domanig: Ja, sicherlich. Als ich jünger war, dachte ich noch «Nein, da gibt es doch keine Unterschiede!» Aber das stimmt einfach nicht. Die Interaktion ist anders. Männer sind mehr Konkurrenztiere und greifen untereinander auch eher an. Frauen suchen ein solches Verhalten weniger. Wir wollen eher, dass sich alle gleichberechtigt, gleich behandelt und wohl fühlen. Das macht uns vielleicht etwas naiv, weil wir nicht nach den gleichen Regeln spielen wie die Männer. Wir erreichen unsere Ziele auch, einfach anders. Das sind aber Generalisierungen.
«Im Vergleich zu anderen Ländern gibt es leider sehr wenig erfahrene Leute in der Schweiz, die den Schritt ins Unternehmertum wagen.» Gina Domanig, Emerald Technology Ventures
Sollte man zwischen Frauen und Männern im VR eine Unterscheidung machen?
Man sollte das Können weder bei Frauen noch Männern auf ihr Geschlecht reduzieren, da sollten keine Unterschiede gemacht werden. Aber rein von der Dynamik her gibt es Unterschiede. Darum finde ich durchmischte Gremien besser. Das bringt viel bessere Diskussionen. Das betrifft aber auch andere Faktoren, beispielsweise eine Durchmischung des Alters.
Bei der Mobiliar sind 27 Personen im VR. Kommt man da überhaupt zu Wort?
Die Grösse ist bei der Mobiliar wichtig, denn das ist der VR von der Genossenschaft, in welchem möglichst viele Regionen, Kundensegmente und gleichzeitig strategische Themen vertreten sein sollten. Der Holding-VR besteht aus Mitgliedern der Genossenschaft, welcher vom Genossenschafts-VR überstimmt werden kann. Diversity ist wirklich ein grosser Faktor, wenn es um die Besetzung des VR bei der Mobiliar geht.
Haben Sie einen Fokus im VR der Mobiliar?
Meine Themen sind die Nachhaltigkeit und KMU, weil das in meinen Erfahrungsbereich fällt.
Sind Nachhaltigkeit und Venture Capital nicht ein Widerspruch?
Nein, aber es kommt natürlich darauf an, wie man Nachhaltigkeit definiert. Ich denke bei Nachhaltigkeit stark an Umwelttechnologien. Wir investieren in Nordamerika, Europa, Israel (und in der Schweiz) in Technologien in den Bereichen Energie, Wasser, Advanced Materials und Industrial-IT. Diese Themen interessieren mich und unser Strategie-Fokus liegt in dieser Art Nachhaltigkeit.
«Wir achten darauf, dass die Firmen, in die wir investieren, schon ein, zwei Kunden haben. In Firmen einzusteigen, die noch gar keine Kunden haben, ist ein grosses Risiko.»
Nehmen wir das Beispiel Energie. Dort liegt das Interesse aber sicher eher in alternativen Energien?
Ja natürlich, es gibt wenig Venture Capital in Nuklearenergie (lacht). Es geht nicht nur um Windparks und Solarenergie, hinter Nachhaltigkeit steckt noch viel mehr. Nebst Stromerzeugungstechnologien gibt es auch im Bereich des Wasserkreislaufs einiges an neuen Technologien zu finden. Hinzu kommt die Verbesserung von industriellen Prozessen, die z.B. zu massiver Einsparung von Ressourcen und Senkung von Emissionen führen. Viele unserer Firmen konzentrieren sich sehr stark auf innovative Technologien.
Bei Innovationen herrscht ja doch auch ein gewisses Risiko. Wie hält man das in Grenzen?
Wir achten darauf, dass die Firmen, in die wir investieren, schon ein, zwei Kunden haben. In Firmen einzusteigen, die noch gar keine Kunden haben, ist ein grosses Risiko. Sehr selten machen wir das auch. Etwa ein Drittel unserer Investitionen funktionieren darum nicht optimal. Die Technologien funktionieren zwar, aber es rentiert nicht oder der Markt ist noch nicht bereit dafür. Das heisst nicht, dass das ganze Geld verloren geht, aber es ist kein Erfolg. Das ist nicht immer schön, aber wir versuchen dann zu retten, was zu retten ist.
Bei allen Firmen, in die Sie investieren: Wie ist das Verhältnis von Schweizer zu ausländischen Firmen?
Insgesamt haben wir bisher in 53 Firmen investiert. Davon sind 50 Prozent in Nordamerika und 50 Prozent in Europa plus Israel. Zu unserem grossen Leidwesen kommt keine unserer Firmen aus der Schweiz.
«Die Schweizer wollen ihren «Besitz» nicht loslassen, obwohl sie damit vielleicht viel Gewinn machen könnten.»
Wieso keine aus der Schweiz?
Wir schauen uns etwa 1 000 Unternehmen/Businesspläne pro Jahr an, wovon etwa fünf Prozent aus der Schweiz stammen. Nur in drei bis fünf von diesen 1 000 investieren wir. Darunter war bis jetzt noch kein einziges aus der Schweiz. Im Vergleich zu anderen Ländern gibt es leider sehr wenig erfahrene Leute in der Schweiz, die den Schritt ins Unternehmertum wagen. In Israel zum Beispiel ist das ganz anders: Dort will jeder eine Firma gründen. An den Universitäten haben wir hier zwar eine Menge junge Leute, die auch viele Innovationen hervorbringen. Nichts gegen junge Menschen, aber das Problem liegt am Markt: Niemand kauft eine Brennstoffzelle von einem 25-Jährigen! Ideal wäre ein gesunder Mix von Innovation und Markterfahrung.
Besteht denn kein Potenzial an Hochschulen wie der ETH? Dort gibt es ja sehr viele Techniker und Materialwissenschaftler. Paart man diese mit einem Praktiker…
Das wäre eben entscheidend! Aber viele Erfinder sind nicht bereit, jemanden auf CEO-Ebene beizuziehen, mit denen sie ihr Unternehmen teilen müssten. Stattdessen setzen sie gänzlich auf die Technologie, was sicherlich interessant ist. Aber die Erfahrung auf dem Markt – die ist fast wichtiger. In der Schweiz ist auch wenig Bereitschaft vorhanden, die eigene Firma zu verkaufen und sich wieder auf neues Terrain zu begeben. Es gibt hier keine «serial entrepreneurs». In anderen Ländern freut man sich, wenn sich jemand für die eigene Erfindung oder das eigene Unternehmen interessiert. Aber die Schweizer wollen ihren «Besitz» nicht loslassen, obwohl sie damit vielleicht viel Gewinn machen könnten. Persönlich finde ich dies sehr schade, denn ich würde lieber mit dem Tram zu Geschäftsterminen fahren, als in derselben Woche beispielsweise nach Finnland, Tel Aviv und wieder zurück in die Schweiz fliegen zu müssen.
Ist Swissness auch ein Vorteil?
Für unsere Investoren – das sind vor allem Industriefirmen aus dem Ausland – tätigen wir langfristige Investitionen. Sie versprechen uns Gelder für zehn Jahre. Zuverlässigkeit, Glaubwürdigkeit, Struktur und Transparenz spielen eine grosse Rolle – und dies sind klar Attribute von Swissness. Alles hat Hand und Fuss.
Haben Sie ein Vorbild? Jemanden, der Sie geprägt hat?
Ich habe kein spezielles Vorbild. Es ist vielleicht vielmehr die Zeit bei Sulzer, die mich sehr geprägt hat: Ich durfte dort mit Menschen zusammen arbeiten, die extrem hohe ethische Werte pflegten. Sie waren für nichts bereit, ihre Werte aufzugeben oder dabei Kompromisse einzugehen. Dieses Wertesystem habe ich aus meiner Zeit bei Sulzer mitgenommen.
«Zuverlässigkeit, Glaubwürdigkeit, Struktur und Transparenz spielen eine grosse Rolle – und dies sind klar Attribute von Swissness.»
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie verändern wollen?
Ich hätte gerne einen Tag in der Woche mehr, den niemand sonst hat. Das würde mir bei meinen Pendenzen sehr helfen (lacht). Und dann hätte ich auch etwas Freizeit. Im Moment existiert die eigentlich nicht. Auch wenn ich in den Ferien bin, so richtig loslassen kann ich nicht. Wenn in einem der VR eine wichtige Entscheidung ansteht, existieren Ferien nicht. Aber meine Tätigkeit ist meine Leidenschaft. Trotzdem, gegen einen Tag mehr hätte ich nichts einzuwenden.
Die Gesprächspartnerin:
Gina Domanig ist Managing Partner bei Emerald Technology Ventures. Im Jahr 2000 gründete sie mit Emerald den ersten unabhängigen Cleantech Venture Capital Fonds in Europa. Gina Domanig hat über 25 Jahre internationale Berufserfahrung in den Bereichen Bankwesen, Mergers & Acquisitions, Strategisches Management und Venture Capital. Zurzeit betreut sie neben ihren hauptberuflichen Tätigkeiten VR-Mandate bei Mobiliar, Pelamis, SDC Materials, GeoDigital und TaKaDu. Bevor Gina Domanig Emerald gründete, war sie als Vizepräsidentin bei Sulzer tätig und für strategische Planung, Fusionen und Übernahmen verantwortlich. Sie hat MBA Abschlüsse der Thunderbird School of Global Management in Arizona sowie der ESADE in Barcelona. Gina Domanig spricht fliessend Englisch, Deutsch und Spanisch.