Giorgio Pradelli, CEO EFG International, im Interview

Giorgio Pradelli, CEO EFG International, im Interview
Giorgio Pradelli, CEO EFG International. (Foto: EFG)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Pradelli, die Zinswende sollte Ihrem Geschäftsmodell in die Hände spielen, da viele Kunden bei hoher Inflation mehr Bruttorendite wollen, richtig?

Giorgio Pradelli: Wir profitieren in der Tat von den steigenden Zinsen. Das liegt jedoch nicht primär an unserem Geschäftsmodell. Banken profitieren grundsätzlich von den steigenden Zinsen über das klassische Zinsdifferenzgeschäft – will heissen sie erhalten auf der Aktivseite mehr Zins, als dass sie auf der Passivseite aufwenden.

Ihr Nettozinsertrag hat sich aber fast verdoppelt. Liegt das auch oder vor allem an den Lombard-Krediten?

Nein, die Lombard-Kredite sind kein wesentlicher Treiber für die Verdoppelung des Zinsertrages im ersten Quartal. Wir verfügen über eine äusserst starke Liquidität. Unsere Überschussliquidität können wir im aktuellen Umfeld wieder zu attraktiveren Margen anlegen. Zum Beispiel durch Einlagen bei Zentralbanken. Deshalb verdienen wir im Zinsgeschäft wieder mehr, nachdem wir lange Zeit Negativzinsen hatten.

In den letzten drei Jahren hat sich auch der Reingewinn schrittweise mehr als verdoppelt, gleichzeitig wurden einige Operationen abgestossen. Was gab den Ausschlag für die daraus gewonnene Effizienz?

Wir haben in den letzten Jahren unsere Strategie mit dem klaren Fokus auf nachhaltig profitables Wachstum konsistent und erfolgreich umgesetzt und unsere Profitabilität stark gesteigert. Die Ziele, die wir uns 2019 für die Periode bis Ende 2022 gesetzt haben, erreichten wir, indem wir trotz des anspruchsvollen Umfelds konsequent unseren Weg gegangen sind. Heute ist die EFG nicht nur viel profitabler, sondern auch deutlich effizienter. Den neuen strategischen Zyklus bis 2025 gehen wir deshalb aus einer Position der Stärke an: Wir wollen weiterwachsen und die Profitabilität steigern.

«Die Kosteneinsparungen von 40 Millionen Schweizer Franken bis 2024 wollen wir primär durch Automatisierung, Optimierung und Zentralisierung von Prozessen und Dienstleistungen erreichen.»
Giorgio Pradelli, CEO EFG International

Im selben Dreijahreszeitraum konnte EFG die Cost-Income-Ratio von 85 auf 75,4 (Stand Ende 2022) Prozent senken. Ende April lag sie sogar bei rund 70%. 40 Millionen Kosteneinsparungen soll es bis 2024 geben. Wo sollen die genau geschehen?

Disziplin im Kostenmanagement ist eine unserer Stärken. Und wir haben unsere Effizienz auch im ersten Quartal 2023 weiter gesteigert. Die Kosteneinsparungen von 40 Millionen Schweizer Franken bis 2024 wollen wir primär durch Automatisierung, Optimierung und Zentralisierung von Prozessen und Dienstleistungen erreichen. Wir haben sämtliche Initiativen in unserem Effizienzprogramm «Simplicity» gebündelt.

Vier bis sechs Prozent Neugelder sind das jährliche Ziel. Da liegen Sie, trotz etwas weniger Wachstum im letzten Jahr, genau im Mittelfrist-Plan. Was wäre Plan B, wenn die Börse nochmal crashen sollte?

Wir haben in den letzten Jahren gezeigt, dass wir dank unserem diversifizierten Geschäftsmodell auch in einem anspruchsvollen Umfeld wachsen und Neugeld anziehen können. Neben unseren bestehenden Client Relationship Officers oder kurz CROs, wie wir unsere Kundenberaterinnen und Kundenberater nennen, setzten wir dazu auch auf die Rekrutierung erfahrener CROs oder auch ganzer Teams. Wir haben die Ambition jedes Jahr zwischen 50 bis 70 neue CROs zu rekrutieren.

Die variablen Gehaltsleistungen für die EFG-Kundenberater dürften letzthin gestiegen sein. Was bedeutet das?

Wir haben ein sehr transparentes und leistungsabhängiges Vergütungssystem für unsere CROs, das auch das regelkonforme Verhalten berücksichtigt. EFG hat im letzten Jahr operativ sehr gut gearbeitet und den Gewinn deutlich gesteigert, dies widerspiegelt sich auch in den variablen Lohnbestandteilen. Insgesamt blieben unsere Kosten im Jahr 2022 jedoch stabil.

Auch die Investitionen in die IT werden in diesem Jahr nochmal kräftig steigen. Sind die häufigen Cyberattacken, welche die gesamte Wirtschaft durchziehen, der Hauptgrund?

Nein. Digitalisierung und Automatisierung sind wichtige Pfeiler unserer Strategie bis 2025. Wir wollen in den kommenden Jahren diesen Prozess weiter vorantreiben und beschleunigen. Das geht auch mit steigenden Investments einher. Im Fokus stehen für uns dabei kurzfristig vor allem neue digitale Lösungen für unsere Kunden sowie die operative Effizienz. Gleichzeitig hat das Thema Cyber-Security für uns als Bank absolute Priorität. Die Gewährleistung von Datensicherheit ist eine zentrale Grundvoraussetzung für unser Geschäft, und wir investieren entsprechend, um auf alle möglichen Szenarien vorbereitet zu sein.

EFGs Liquidität ist zu 205 Prozent gedeckt. Was ist langfristig beim Rückkauf eigener Aktien geplant?

Unser Anspruch ist es, attraktive Renditen für unsere Aktionärinnen und Aktionäre zu erwirtschaften: Dazu gehören neben unserer progressiven Dividendenpolitik auch Aktienrückkäufe. Alleine im letzten Jahr haben wir zum Beispiel Aktien im Wert von rund 60 Millionen Franken zurückgekauft und anlässlich unseres Updates für das erste Quartal 2023 einen weiteren Aktienrückkauf über drei Millionen Aktien bekanntgegeben. Seit 2019 haben wir knapp 470 Millionen Franken an Dividenden ausgeschüttet und Aktien zurückgekauft.

«Seit 2019 haben wir knapp 470 Millionen Franken an Dividenden ausgeschüttet und Aktien zurückgekauft.»

Stehen Sie aktuell weiterhin bei 17% hartem Kernkapital? Sie konnten es ja im H2 2022 schon um ein ganzes Zehntel steigern.

Ja. Wir verfügen über eine äusserst starke Kapitalisierung und eine grundsolide und liquide Bilanz. Ich spreche in diesem Zusammenhang gerne von unserer Bilanz als «Festung». Zusammen mit unserer äusserst starken Liquidität ist das im aktuellen Umfeld natürlich ein wichtiges Argument im Gespräch mit Kunden.

In den ersten drei Monaten des neuen Jahres haben Sie bereits 50 neue Kundenberater eingestellt. Nach den Diskussionen über Bankerboni ist ihr Vergütungsmodell für CROs, das auch Abzüge vorsieht, wohl ein Highlight: Wie gehen ihre Kundenberater damit um?

In der Regel sehr gut. Unsere CROs sind meist sehr erfahren und schätzen unser transparentes Vergütungsmodell, das eng an die Leistung und die Einhaltung regulatorischer Vorschriften geknüpft ist. Letztlich ist die Vergütung an die Performance und das regelkonforme Verhalten der CROs gebunden. Wir kennen auch keine Verkaufsziele für eigene Produkte und pflegen konsequent eine offene Architektur. Der Kunde und seine Bedürfnisse stehen für unsere CROs im Zentrum.

Mit 145 Milliarden verwaltetem Vermögen, 30 Prozent davon in der Schweiz und Italien, ist EFG sehr stark lokal verankert. Wie sehen Sie die Grossbankenlandschaft Schweiz jetzt?

Ja, gemessen an den verwalteten Vermögen ist die Region Schweiz und Italien unser grösster Markt und wir wollen weiterwachsen. Natürlich ist die aktuelle Situation für den Schweizer Finanzplatz kurzfristig herausfordernd. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass der Schweizer Finanzplatz nicht nur von Grossbanken geprägt wird, sondern breit aufgestellt ist und über viele starke Banken mit ganz unterschiedlichen Geschäftsmodellen verfügt. Die Schweiz bietet einzigartige Standortvorteile, von denen wir und unsere Kunden und Kundinnen profitieren – beispielsweise herausragendes Know-how sowie wirtschaftliche und politische Stabilität. Ich bin zuversichtlich, dass der Schweizer Finanzplatz einer der wettbewerbsfähigsten Standorte für das internationale Privatbanking und Vermögensverwaltungsgeschäft bleibt.

«Der Schweizer Finanzplatz wird nicht nur von Grossbanken geprägt, sondern ist breit aufgestellt.»

Wie lange wird die Abwicklung Ihres Portfolios an Lebensversicherungspolicen noch dauern? Bleibt es beim Plan?

Wir haben die Risiken im Zusammenhang mit unserem Portfolio von Lebensversicherungspolicen in den letzten Jahren bereits massiv reduziert und in den letzten Semestern Gewinne realisiert.

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