Günther Zangerl, Vorstandsmitglied der Silvrettaseilbahn AG in Ischgl, und Mario Jenal, Direktor der Bergbahnen Samnaun AG, im Interview
Von Michael Baumann
Seit 40 Jahren sind die beiden Skigebiete Ischgl und Samnaun miteinander verbunden. Die binationale Silvretta Arena ist ein absolutes Schnee-Mekka mit rund 240 Kilometer Pisten, das aber gerade coronabedingt eine schwierige Saison erlebt. Günther Zangerl, Vorstandsmitglied der Silvrettaseilbahn AG in Ischgl, und Mario Jenal, Direktor der Bergbahnen Samnaun AG, erklären, wie sie mit den ständig wechselnden Herausforderungen umgehen.
Moneycab: Wie würden Sie die aktuelle Lage und die Stimmung in Ischgl/Samnaun beschreiben?
Günther Zangerl: Der Saisonstart war insgesamt gesehen mehr als zufriedenstellend, wobei insbesondere die aktuellen Gästezahlen bei den Bahnen, aber auch jene bei den Vermietern im Ort Anlass zu Optimismus geben. Dies trotz der Ungewissheit rund um die neue Omikron-Variante, die in ihrer Verbreitung Fahrt aufgenommen hat.
«Grundsätzlich und erfreulicherweise kann als Fazit festgehalten werden, dass der Start in die Wintersaison 2021/22 klar besser verlaufen ist, als dies hätte erwartet werden dürfen.» Mario Jenal
Mario Jenal: Grundsätzlich und erfreulicherweise kann als Fazit festgehalten werden, dass der Start in die Wintersaison 2021/22 klar besser verlaufen ist, als dies hätte erwartet werden dürfen. Die Monate November und Dezember verliefen sogar leicht besser als vor der Pandemie. Die Vermieterbetriebe waren sehr gut gebucht.
Was sind die grössten Herausforderungen für den Skibetrieb?
Günther Zangerl: Das sind zweifellos die unterschiedlichen Coronaregeln in Österreich und in der Schweiz. Für den Gast, der die mitten durch die Silvretta Arena verlaufende Staatsgrenze ja nicht bewusst wahrnimmt, sind diese Unterschiede jedenfalls nur schwer nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass sich die entsprechenden behördlichen Vorgaben beiderseits sehr häufig und oft auch kurzfristig ändern.
Mario Jenal: Eine gewisse Unsicherheit aufgrund der aktuellen pandemischen Lage bleibt. Speziell die Frage, wie lange die aktuellen Bestimmungen und Auflagen gelten werden.
Wie meistern Sie diese?
Günther Zangerl: Wir sind hier im ständigen Austausch mit unseren Partnern in Samnaun und versuchen gemeinsam, auf kurzem und direktem Weg zu unbürokratischen und praktikablen Lösungen zu kommen. So haben wir uns in dieser Wintersaison beispielsweise auf ein «2G» in der gesamten Silvretta Arena verständigt, was letztlich die Grundvoraussetzung dafür war, unseren Gästen trotz der aufgezeigten Problematik überhaupt einen grenzüberschreitenden Skibetrieb zu ermöglichen. Im Gegenzug hat Ischgl seinem Samnauner Partnerunternehmen mit dem vorzeitigen Saisonstart am 3. Dezember ein breiteres Pistenangebot ermöglicht. Diese gelebte Solidarität zeichnet unsere langjährige und in den letzten Jahrzehnten sehr erfolgreiche Zusammenarbeit aus.
«Wir haben uns in dieser Wintersaison auf ein «2G» in der gesamten Silvretta Arena verständigt, was letztlich die Grundvoraussetzung dafür war, unseren Gästen trotz der aufgezeigten Problematik überhaupt einen grenzüberschreitenden Skibetrieb zu ermöglichen.» Günther Zangerl, Vorstandsmitglied der Silvrettaseilbahn AG in Ischgl
Mario Jenal: Verschiedene Szenarien sind im Hintergrund aufgegleist, damit eine Anpassung kurzfristig umgesetzt werden könnte. Die bisherige Strategie, wonach immer in der gesamten Silvretta Arena Ischgl/Samnaun dieselben Regelungen praktiziert werden, bewährt sich bestens.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Behörden konkret, wenn alle paar Wochen die Massnahmen ändern?
Günther Zangerl: In Österreich sind die Behörden, welche die Corona-Massnahmen erlassen, meistens nicht identisch mit jenen, die am Ende für deren Vollziehung zuständig sind. Speziell mit Letzteren, in unserem Fall also konkret mit der Bezirkshauptmannschaft Landeck, ist die Zusammenarbeit eine sehr gute.
Mario Jenal: In der Schweiz kann die Zusammenarbeit mit den Behörden nur lobend erwähnt werden. Aufgrund der Erfahrungen des letzten Winters hatte die Behörde den Nachweis, dass ein Skibetrieb ohne Probleme möglich ist. Sie unternimmt alles, damit der Wintersport – er findet ja im Freien statt – aufrecht erhalten bleiben kann.
Wie sieht die rechtliche Situation für den Sonderfall eines grenzüberschreitenden Skigebiets aus?
Günther Zangerl: Neben unterschiedlichen Einreisebestimmungen besteht der wesentliche Unterschied in rechtlicher Hinsicht darin, dass in Österreich für die Benützung von Seilbahnen zwingend ein 2G-Nachweis erforderlich ist. Dahingegen gibt es in der Schweiz diesbezüglich, abgesehen von einer Maskenpflicht in den Seilbahnkabinen, keine Beschränkungen. Von der Schweiz kommende Gäste, die folglich nicht auf 2G kontrolliert werden müssten, dürften im Ischgler Teil der Silvretta Arena somit keine Seilbahnen nutzen.
Nachdem aber der Betreiber für die Einhaltung dieser Vorgaben verantwortlich ist, kann die grenzüberschreitende Silvretta Arena faktisch nur bei einer – aus Samnauner Sicht freilich nicht auf eine entsprechende Behördenvorgabe zurückgehende – Vereinheitlichung in diesem Punkt betrieben werden. Wie erwähnt, gibt es darüber hinaus weitere Unterschiede, wie beispielsweise bei der FFP2-Maskenpflicht, die zwar ebenfalls eine Herausforderung darstellen, letztlich aber nicht dieses Gewicht haben.
Mario Jenal: Aufgrund des Verordnungstextes und in Absprache mit den Behörden ist der grenzüberschreitende Skibetrieb (vorerst) gesichert.
Wie sind die wirtschaftlichen Auswirkungen?
Günther Zangerl: Die sind natürlich gravierend. Die vorzeitig abgebrochene Wintersaison 2019/2020, der Totalausfall im Winter 2020/2021 und der verspätete Start im Dezember 2021 mit bedeutenden Einschränkungen (keine Beherbergung, keine Gastronomie) haben bei der Silvrettaseilbahn AG zu Umsatzeinbussen im dreistelligen Millionenbereich geführt. Hinzu kommt eine grosse Verunsicherung unter den Bediensteten, die im letzten Winter ja immer wieder vertröstet bzw. in Kurzarbeit übernommen werden mussten, was sich auch in der aktuell sehr schwierigen Arbeitsmarktlage niederschlägt. Umso wichtiger war es, ungeachtet der Pandemie, an wichtigen Zukunftsprojekten wie der Silvretta Therme oder dem neuen Team Resort festzuhalten, um hier als Leitbetrieb wichtige Signale für einen Neustart zu setzen.
«Die vorzeitig abgebrochene Wintersaison 2019/2020, der Totalausfall im Winter 2020/2021 und der verspätete Start im Dezember 2021 mit bedeutenden Einschränkungen (keine Beherbergung, keine Gastronomie) haben bei der Silvrettaseilbahn AG zu Umsatzeinbussen im dreistelligen Millionenbereich geführt.» Günther Zangerl
Mario Jenal: Im Unterschied zum Vorjahr – das Skigebiet Ischgl war geschlossen – bewegen wir uns wieder auf dem Niveau vor der Pandemie. Es wird aufgrund der unterschiedlichen Bestimmungen und Auflagen in der Schweiz und Österreich (freier Zugang in die Skigebiete in der Schweiz, 2-G-Regelung in Österreich und in Samnaun) wohl klar kein Rekordwinter resultieren. Allerdings stimmt die Richtung, denn die Zeichen stehen aufgrund des bisherigen Verlaufs auf «Plus». Aufgrund des späteren Saisonstarts in Ischgl, der Lockdown wurde erst am 13. Dezember beendet, fehlte bei uns das Gästepotential aus Ischgl und Paznaun. Diese insgesamt 18 Tage und der stornierte Eröffnungsevent in Ischgl machten sich natürlich speziell in den Gastronomiebetrieben negativ bemerkbar. Zudem wurden im Unterschied zu den Vorjahren auf weitere besucherstarke Events verzichtet, die üblicherweise Mitte Dezember durchgeführt werden und jeweils zusätzlich von mehr als 1000 Teilnehmenden besucht werden.
In der ganzen Silvretta Arena gilt 2G. Auf Schweizer Seite wurde die «Tageskarte Samnaun» lanciert, die Gäste mit einem gültigen Test-Zertifikat für nur 38 CHF erwerben können. Lohnt sich der Aufwand?
Mario Jenal: Der Aufwand diesbezüglich hielt sich im Rahmen. Wichtig war uns diese Massnahme, damit alle Gäste, unabhängig ihrer Einstellung zur ganzen Pandemiethematik, die Möglichkeit zum Skifahren erhielten.
Wie optimistisch schauen Sie auf die eben begonnene Saison?
Günther Zangerl: Wir sind guter Dinge, dass die Silvrettaseilbahn AG, sollten wir gemeinsam die sicherlich herausfordernden nächsten Wochen überstehen, noch eine durchaus erfolgreiche Wintersaison haben wird. Zudem zeigen uns die aktuellen Zahlen, dass uns unsere Gäste die Treue halten und dass ein Anknüpfen an die wirtschaftlichen Erfolge vergangener Jahre nach Corona damit absolut im Bereich des Möglichen liegt.
«Die bisherigen Erfahrungen stimmen zuversichtlich. Der Saisonstart verlief nahezu auf demselben Niveau wie vor der Pandemie. Die Buchungslage bei den Vermieterbetrieben sieht sehr gut aus.» Mario Jenal
Mario Jenal: Die bisherigen Erfahrungen stimmen zuversichtlich. Der Saisonstart verlief nahezu auf demselben Niveau wie vor der Pandemie. Die Buchungslage bei den Vermieterbetrieben sieht sehr gut aus. Allerdings werden die Gästezahlen aus der Schweiz weniger hoch ausfallen, da viele ihre Skiferien in anderen inländischen Skigebieten verbringen, wo keine Einschränkungen gelten. Dafür dürfte unsere 2G-Regelung für ein gewisses Sicherheitsgefühl sorgen und so wiederum die Buchungen positiv beeinflussen. Was per Saldo überwiegt, wird wohl erst am Ende der Saison feststehen.