Guido Schilling, Gründer und CEO guido schilling ag. (Bild: guido schilling ag)
Von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Schilling, Sie haben zum siebten Mal die Spitze der diesmal 115 wichtigsten Schweizer Unternehmen analysiert. Was war für Sie die überraschendste Erkenntnis?
Guido Schilling: Zum ersten Mal während des gesamten Erhebungszeitraums stagniert der Ausländeranteil. Der Anteil der ausländischen CEOs ist sogar leicht rückläufig. Aussagekräftig erscheint uns auch, dass 48% der ausländischen CEOs Deutsche sind.
Folgt man der Berichterstattung in den Medien, entsteht der Eindruck, die Geschäftsleitungen von Schweizer Unternehmen seien fest in ausländischer Hand. 2011 hat der Anteil ausländischer Geschäftsleitungsmitglieder aber bei 45 % stagniert. Wo sehen Sie die Gründe?
Nach wie vor sind die Top Unternehmen der Schweiz gefordert, nach den Besten zu suchen, denn der Druck zu performen wird weiter zunehmen. Daher muss nach dem Besten für die externe Besetzung auf dem «Weltmarkt» gesucht werden, wenn auch das Unternehmen in dieser Dimension tätig ist. Die anziehende Konjunktur in den wichtigsten Rekrutierungsmärkten Deutschland und den USA führte dazu, dass dieses Jahr, mit 44 %, weniger Ausländer unter den neuen Geschäftsleitungsmitgliedern waren. Wir gehen aber davon aus, dass sich in den nächsten Jahren der Anteil der Ausländer weiter erhöhen wird und sie bald den Grossteil der Geschäftsleitungsmitglieder der 100 grössten Unternehmen in der Schweiz ausmachen.
«Die Schweiz ist generell ein sehr attraktives Arbeitgeberland für ausländische Manager.»
Guido Schilling, Gründer und CEO guido schilling ag
Obwohl es der deutschen Wirtschaft gut geht, sind wieder mehr Führungskräfte in die Schweiz gekommen. Ihr Anteil in den Führungsetagen liegt jetzt bei 32 % unter den Ausländern. Was zieht die deutschen Manager in die Schweiz?
Die Schweiz ist generell ein sehr attraktives Arbeitgeberland für ausländische Manager. Zum Entscheid, eine neue Herausforderung im Ausland anzutreten, tragen die Ehefrau und die Familie wesentlich bei. Den Deutschen ist die Schweiz oft schon sehr vertraut von Ferien oder positiven Erzählungen von Bekannten, die den Wechsel in die Schweiz schon vor Jahren gewagt haben. Ausserdem tragen zur Entscheidung positiv bei, dass die Schweiz eine hohe Stabilität, verlässliche Politik sowie ein gutes Bildungssystem und einen hohen Freizeitwert bietet.
Was macht die ausländischen Manager, speziell die Deutschen, für die Schweizer Wirtschaft so wertvoll?
Auf der Suche nach dem Besten ist der «Topf» in der Schweiz vielfach zu klein für die grossen Unternehmen. Um eine Spitzenposition zu besetzen sucht man in der Regel bei einem noch grösseren Arbeitgeber nach den Besten. Somit suchen die grossen Schweizer Unternehmen oft im Ausland. Die deutschen Manager sind mit unserem Führungsstil und unseren Managementsystemen vertraut und sprechen Deutsch, während die Angelsachsen eine ganz andere Führungskultur leben.
«In Deutschland wird in der Politik und den Medien vermehrt auf die Deutschenfeindlichkeit der Schweizer hingewiesen.»
Befürchten Sie, dass deutsche Führungskräfte durch die zunehmend deutsch-kritische Stimmung im Land vermehrt von einem Engagement in der Schweiz absehen?
Hier spielen wir in der Schweiz mit dem Feuer. In Deutschland wird in der Politik und den Medien vermehrt auf die Deutschenfeindlichkeit der Schweizer hingewiesen, denn die deutsche Politik will ja auch ihre gut ausgebildeten Manager im eigenen Land halten. Wir verzeichnen bereits Absagen von Deutschen, nicht weil die Position zu wenig herausfordernd wäre oder das Salärangebot nicht stimmen würde, sondern weil die Ehefrau Angst hat, dass sie beim Metzger oder Bäcker beleidigt wird, wie das in den deutschen Zeitungen zu lesen ist. Letztlich gefährden wir damit Arbeitsplätze in der Schweiz, denn uns bringen nur die Besten weiter.
Wäre es nicht auch Aufgabe der Unternehmen, der teilweise sehr plumpen Kritik an den Deutschen in der Schweiz entgegen zu wirken, und sei es nur mit dem Hinweis, dass es schlicht nicht genug Schweizer für entsprechende Posten gibt?
Es kann nicht die Aufgabe der einzelnen Unternehmen sein, eine Kampagne für die Deutschen zu lancieren. Doch in Zukunft sind sicher die Wirtschaftsverbände gefordert, alles daran zu setzen, damit wir uns nicht ins eigene Fleisch schneiden, denn der Teich in der Schweiz ist ausgefischt.
Ist ein ähnlicher Run ausländischer Top-Manager auch in die Verwaltungsräte der wichtigsten Schweizer Unternehmen festzustellen?
Wo wir in den Geschäftsleitungen auf die Besten angewiesen sind, unabhängig von der Nationalität, ist in den Verwaltungsräten ein guter Bezug zur Schweiz wichtig, denn letztlich steuert der Verwaltungsrat ein Unternehmen nach Schweizer Recht. Somit sind fundierte Kenntnisse der unternehmerischen und volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie der Gesetzgebung in der Schweiz erforderlich. Daher gehen wir nicht von einer starken Ausweitung an Ausländern in den Verwaltungsräten aus.
Die Schweiz-spezifischen Anforderungen sind im VR grösser als in den Chefetagen. Werden deshalb auch künftig Schweizer Konzernlenker in der Überzahl sein?
Wir dürfen auch mittelfristig davon ausgehen, dass die grosse Mehrheit der Top 100 Arbeitgeber der Schweiz an oberster Stelle in Schweizer Hand bleiben. Wir haben dazu ausgezeichnete Persönlichkeiten, welche in der Lage sind, einen Verwaltungsrat zu präsidieren. Hier rechne ich auch langfristig damit, dass die Schweizer im Verwaltungsratspräsidium mehr als 70 % ausmachen.
«In diesem Bereich gilt die Regel der homosozialen Reproduktion – ‹Männer stellen Männer ein!'»
Das siebte Jahr in Folge verharrt der Anteil von Frauen in den Geschäftsleitungen bei 5 %, nur 11 % sind es in den Verwaltungsräten. Was sind aus Ihrer Sicht die Hauptgründe, dass sich in diesem Bereich so wenig bewegt?
Wenn ein Unternehmen den Frauenanteil erhöhen möchte, sollte es sich bewusst sein, dass es die Männer sind, welche Frauen fördern und entwickeln müssen. Und in diesem Bereich gilt die Regel der homosozialen Reproduktion – «Männer stellen Männer ein!». Ein weiterer Aspekt hierzulande ist, dass viele Frauen keine Vorbilder haben, weil ihre eigenen Mütter Hausfrauen bzw. nicht erwerbstätig waren. Während die Männer lernen müssen, mit Frauen in Führungsteams umzugehen, müssen die Frauen lernen, robuster und widerstandsfähiger zu sein. Leider ist die Fluktuation bei den Frauen fast doppelt so hoch wie bei den Männern. Freut sich ein Unternehmen, eine Top Frau rekrutiert zu haben, verliert dasselbe Unternehmen oft zeitgleich eine andere – somit wird die Frauenförderung zum Nullsummenspiel. Daher wird es wohl noch lange Zeit dauern, bis die Frauen, wie in der Politik, die Top Positionen stürmen.
Bei rund 50 % weiblichen Studierenden ist das Potenzial an sehr gut ausgebildeten Führungskräften enorm. Was entgeht der Schweizer Wirtschaft dadurch?
In Europa und ganz speziell in der Schweiz werden in Zukunft noch ausgeprägter Arbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung geschaffen. Doch da die Menschheit nicht intelligenter wird, sondern die Verteilung ähnlich bleibt, werden uns die geeigneten Männer definitiv ausgehen. Spätestens dann wird jede Firma erkannt haben, dass es weitsichtig gewesen wäre, vermehrt auf Frauen zu setzen.
Wird sich daran langfristig etwas ändern?
Ja, denn der Druck auf die Unternehmen wird exponenziell zunehmen. Um an der Spitze der Weltwirtschaft zu bleiben ist es unerlässlich, das Potenzial aus dem Frauenpool zu nutzen. In Zukunft wird es nicht mehr so einfach sein, Manager aus den umliegenden Ländern in die Schweiz zu holen, denn die jeweiligen Länder werden alles daran setzen, ihre Top Leute selber zu behalten. Die Frauen werden in der Rekrutierung immer wichtiger. Firmen, die das verstehen, rüsten sich für die Zukunft, denn sie werden die Firmen, die nicht frühzeitig einen Schwerpunkt auf die Frauenförderung setzen, bald hinter sich lassen.
Was haben Sie bei den Veränderungen in den Chefetagen feststellen können. Hat die herausfordernde wirtschaftliche Lage zu einer höheren Fluktuation geführt?
Die CEO-Fluktuation ist auf dem zweithöchsten Niveau des gesamten Erhebungszeitraums, nur im schillingreport des Krisenjahres 2009 war die Fluktuation höher – um 1 Prozentpunkt. Die Verwaltungsratspräsidenten sind heute ungeduldiger, greifen schneller ein und nehmen einen stärkeren Einfluss auf den Geschäftsverlauf, wodurch sie den CEO unter Druck setzen. Ein Wachstumsmanager ist nicht zwingend ein guter Restrukturierungsmanager, somit muss jemand Neuer her. Hier werden wir uns in Zukunft an ausländische Verhältnisse gewöhnen müssen.
Zur Person
Guido Schilling trat 1987 als Partner in das 1980 gegründete Executive-Search-Unternehmen ein, welches heute als guido schilling ag firmiert. Dank dieser über zwanzigjährigen Tätigkeit im Executive Search verfügt er nicht nur über umfangreiche Sucherfahrungen, sondern prägte diese Branche in der Schweiz entscheidend mit. Als Managing Partner setzt er sein profundes Know-how bei der Besetzung von Positionen auf höchster Managementstufe und Verwaltungsratsmandaten ein. Ein Spezialgebiet, welches er auch durch seine langjährige unternehmerische Tätigkeit betreut ist die Bearbeitung von Nachfolgelösungen in Familienunternehmen.
Guido Schilling verfügt über herausragende Kenntnisse in den verschiedensten Branchen und pflegt seit vielen Jahren ein grosses Netzwerk zu Entscheidungsträgern in der Wirtschaft. Vor seinem Einstieg in den Executive Search war Guido Schilling in verschiedenen Führungspositionen in internationalen Unternehmen tätig. Guido Schilling besitzt einen Abschluss als Betriebsökonom und bildet sich laufend zu Management- und Führungsthemen im In- und Ausland weiter.