von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Daniellot, Straumann hat ein sehr klares Produktportfolio. Das ermöglicht Ihnen, ein weit in der Zukunft liegendes Umsatzziel von fünf Milliarden Franken bis 2030 zu visieren. Ich nehme an, daran hat der Coronarücksetzer gar nichts geändert?
Guillaume Daniellot: Das ist korrekt, daran hat auch die Corona-Pandemie nichts geändert. Die makroökonomischen Unsicherheiten bleiben bestehen, und die geopolitischen Spannungen haben im ersten Quartal nicht nachgelassen. Der Patientenstrom bleibt stabil blieb und mit einem geschätzten global adressierbaren Markt von 19 Milliarden Schweizer Franken sind wir zuversichtlich, dass wir weiterhin Marktanteile gewinnen und das Umsatzziel von 5 Milliarden Franken bis 2030 erreichen werden.
«Der Patientenstrom bleibt stabil und wir sind zuversichtlich, dass wir weiterhin Marktanteile gewinnen und das Umsatzziel von 5 Milliarden Franken bis 2030 erreichen.»
Guillaume Daniellot, CEO Straumann
Braucht es dafür nicht deutlich mehr Umsatz im Asien-Pazifik-Markt, der ja im ersten Quartal schwächelte?
Generell hat die Region Asien-Pazifik im ersten Quartal gut abgeschnitten. Aufgrund des erwarteten starken negativen Gegenwinds aus China, der geprägt war durch die COVID-19 Entwicklung und dem dortigen Übergang zum volumenbasierten Beschaffungswesen, welches darauf abzielt, die Kosten für die Verbraucher zu senken, wurden die Ergebnisse der gesamthaften Asien-Pazifik-Region-Region beeinträchtigt. Die Region verzeichnete daher ein negatives organisches Umsatzwachstum von 23,5 Prozent und einen Umsatz von 80 Millionen Schweizer Franken.
Der Ausblick fürs laufende Jahr wurde bestätigt: Es wird ein organisches Umsatzwachstum im hohen einstelligen Prozentbereich und eine Profitabilität von rund 25 % inklusive Wachstumsinvestitionen erwartet. Wie können sie den gerade erwähnten staatlich verordneten chinesischen volumenbasierten Beschaffungsprozess managen?
Der neue Beschaffungsprozess wurde rasch umgesetzt, wodurch einerseits die durchschnittlichen Verkaufspreise auf ein deutlich niedrigeres Niveau sanken und andererseits zu erwarten ist, dass die Menge der Verkäufe ansteigen wird.
Nach dem Abschluss des Prozesses führte der sehr grosse Nachholbedarf im Zahnersatz der letzten Monate in Verbindung mit den niedrigeren durchschnittlichen Verkaufspreisen zu einer deutlichen Beschleunigung des Patientenstroms. Das führte gegen Ende des Quartals zu einem erheblichen Anstieg der Implantatmengen. Volumenbezogen ist China eines der grössten Länder weltweit und hat deshalb auch ein riesiges Potential; daher braucht es auch eine Übergangsfrist.
Letztes Jahr gab es rund 200 Millionen Investitionssumme in den Kapazitätsausbau. Welche Kernkompetenzen werden bald im neuen Technologie- and Innovationszentrum in Arlesheim zuhause sein?
Wir werden auch in den kommenden Jahren weltweit in unsere Produktionskapazitäten investieren. Unser zukünftiges Technologie- und Innovationszentrum in Arlesheim wird vier Hauptaktivitäten beherbergen:
- Forschung, Entwicklung und Industrialisierung
- Verkauf Schweiz
- Globale Lagerung und Auslieferung unserer Produkte
- Produktionsaktivitäten, wie etwa unser Dentallabor für die Schweiz
Dieser Standort wird auch im Bereich der Umweltinnovation eine Vorreiterrolle spielen, was unser Bekenntnis zur Nachhaltigkeit weiter ausdrückt.
Im Implantatgeschäft hat Straumann mit 30 Prozent – dabei im Premium-Segment sogar 50% – den grössten Marktanteil. Wächst die Marge weiter?
Da wir eine Wachstumsstrategie bis 2030 verfolgen, werden unsere Investitionen einen entsprechenden Einfluss auf die Marge haben.
Bei Biomaterialien sind es jetzt gut 10 Prozent Marktanteil für Ihre Firma. Mein eigener Oberkiefer besteht nach einer Operation zum Teil aus Rinderknochen, allerdings ist es ein Konkurrenzprodukt. Wohin geht bei Biomaterialien der Trend?
Es ist schwierig, von einem globalen Trend zu sprechen, denn der Markt ist sehr fragmentiert. Innerhalb der einzelnen Produktkategorien finden jedoch Innovationen statt: So haben wir beispielsweise unlängst mit dem Vertrieb von Cerabone Plus begonnen, ein bovines Knochenersatzmaterial, welches mit Hyaluronsäure versetzt ist. Nebst einer einfacheren Handhabung in der Klinik unterstützt die Hyaluronsäure auch die Wundheilung, sowie die Angiogenese; das heisst das Ausbilden der Blutgefässe. Dieses Knochenersatzmaterial in dieser Form ist einzigartig.
«Der intraorale Scanner hat die Zahnmedizin in den letzten Jahren verändert.»
Das Intraoralscannergeschäft ist bei Weitem noch nicht gesättigt. Hat bald jeder Zahnarzt auf allen Kontinenten einen Dentalscanner in der Hand?
Der intraorale Scanner hat die Zahnmedizin in den letzten Jahren verändert. Die Planung von Behandlungen mithilfe von 3D-Röntgenbildern in Kombination mit intraoralen Scans hilft uns nicht nur bei Restaurationen, sondern auch bei der Frage, wie Implantate gesetzt werden sollten oder kieferorthopädische Behandlungen zu evaluieren. Und von dort aus können die Ärzte den chirurgischen Teil jetzt viel effizienter steuern. Zudem ist eine Behandlung mit intraoralen Scannern viel angenehmer für Patienten, da die Behandlungszeit verkürzt wird. Ausserdem gibt es keine Zahnabdrücke, die entsorgt werden müssen, was somit auch für die Nachhaltigkeit des intraoralen Scanners spricht.
Was will denn genau die Smilecloud-Smile-Design-Kollaborationsplattform?
SmileCloud bietet Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit, virtuelle Modelle für ein Wunsch-Lächeln zu kreieren. Diese Modelle werden mittels einer biometrischen 3D-Bibliothek unter Einsatz von KI-Technologie entworfen und tragen so zu einem bestmöglichen Behandlungsergebnis für Patientinnen und Patienten bei. SmileCloud fördert die Zusammenarbeit unter Ärztinnen und Ärzten und ermöglicht, die Interaktion mit den Patientinnen und Patienten zu verbessern, indem sie die Gestaltung des künftigen Lächelns gemeinsam besprechen.
«Durch die Akquisition von Galvosurge können wir nun auch eine Präventionsmassnahme anbieten, die langfristig gesunde Zahnimplantate ermöglicht.»
Zuletzt wurde die auf Implantate-Reinigung spezialisierte St. Galler Galvosurge Dental komplett übernommen. Welche Rolle spielen für Straumann solche kleineren «Arrondierungen»?
Eine grosse Rolle – denn dies unterstreicht unser Engagement für die Weiterentwicklung unserer Mundpflegelösungen und die Möglichkeit innovativer Behandlungen weltweit. Durch die Akquisition von Galvosurge können wir nun auch eine Präventionsmassnahme anbieten, die langfristig gesunde Zahnimplantate ermöglicht.
Die Kapitalrentabilität ROCE von 35,1 Prozent ist extrem. Als Wachstumswert wird Straumann sicherlich nicht an Übernahmen vorbeikommen. Wo würde das geographisch und technologisch Sinn machen?
Für die Erreichung unseres 5-Milliarden-Umsatzziels benötigen wir keine Übernahmen. Es kann aber durchaus Sinn machen, dass wir im Bereich Technologie selektiv Zukäufe tätigen, welche uns auf der digitalen Transformation helfen, rascher voranzukommen. Wenn interessante Firmen zum Verkauf stünden, die uns in unserer Strategieumsetzung helfen, dann schauen wir uns das sicherlich an.
Sehr dynamisch entwickelt sich das Geschäft mit Alignern. Der Einstieg von Migros bei bestsmile hat im letzten Jahr viele überrascht. Sind solche breiten vertikalen Integrationen auch bei Straumann geplant?
Das ist richtig – der globale Markt für Clear Aligner ist in den letzten drei Jahren durchschnittlich um mehr als 20% gewachsen und bietet weiterhin starke Wachstumschancen. Hier haben wir bereits Integrationen im Direct-to-Consumer (DTC)-Marketing-Bereich getätigt. Wir fokussieren uns darauf, den Verbrauchern die Vorteile von Clear Alignern zu vermitteln und eine komplette Behandlungslösung anzubieten, bei der alle zahnmedizinischen Aspekte von erfahrenen lokalen Partnerpraxen übernommen werden. Dies unterstützt Behandlungsqualität, optimale Ergebnisse und die langfristige Patientenzufriedenheit.