Gustavo Möller-Hergt, CEO ALSO, im Interview
von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Möller-Hergt, die drei ALSO-Geschäftsmodelle beginnen alle mit S: Supply, Solutions, Service. Wieso bezeichnen Sie das Cloud-Geschäft als Service? Wegen dem Stabreim?
Gustavo Möller-Hergt: Auch wenn man sich unsere „Drei S“ sehr gut merken kann, hat die Nutzung dieser Terminologie inhaltliche Gründe. Der Bereich Supply umfasst das transaktionale Geschäft, bei Solutions entwickeln wir komplexe IT- und IoT-Lösungen. Der Bereich Service besteht aus Logistik-, Sales- und IT-Services, welche die Cloud als Tool nutzen.
Cloud Computing stellt höchste Ansprüche an die Sicherheit für die Daten. Wie wird verhindert, dass sie sich buchstäblich in Luft auflösen?
Daten lösen sich nicht einfach so in Luft auf. Die Gefahr liegt vielmehr im Zugang, der Speicherung und dem Besitz von Daten. Deshalb ist Cybersecurity ein zentraler Bestandteil. Für unsere Kunden haben wir ein „Security Stack“ entwickelt. Dieses modulare Angebot umfasst alle Bestandteile von Authentifizierung bis Zertifizierung für ein sicheres, cloudbasiertes Arbeiten.
Der Zugriff auf die Daten erfolgt in den meisten Fällen dezentral. Wie umgeht man da Backup-Chaos?
Um Chaos zu umgehen ist es notwendig, eine Prozess-Struktur mit klaren Zugriffsrechten zu entwickeln. Basierend darauf wird die IT-Architektur geplant. Dazu kommen automatische, zentrale Backups, eine sichere Lagerung und das Management der Daten.
Ihr Cloud-Geschäft wuchs letztes Jahr um 38.2%. Welche Rolle spielt dabei die Pandemie?
Das cloudbasierte IT-as-a-Service-Geschäft wächst nicht erst seit dem letzten Jahr. In der Zeit von 2017 bis 2020 betrug das Wachstum rund 570 Prozent. Die Vorteile dieses Geschäftes liegen auf der Hand: es ist nutzungsbasiert, sie bezahlen nur das, was sie tatsächlich brauchen. Es gibt ständige Updates, die Software ist immer auf dem neuesten Stand. Sie können über zusätzliche Services wie Device- oder sogar IT-as-a-Service interne Kosten flexibilisieren. Dadurch werden die Eintrittsbarrieren für Digitalisierung gesenkt, da die hohen Anfangsinvestitionskosten entfallen. Das alles hat nichts mit der Pandemie zu tun.
«Die Skalierbarkeit unseres Geschäfts kommt aus der Vielzahl an Herstellern und Resellern, aus unserem Ökosystem.»
Gustavo Möller-Hergt, CEO ALSO
Ebenfalls um 38 Prozent ging es mit Ihrem Cash-Bestand aufwärts. Dieser liegt jetzt bei knapp einer halben Milliarde. Sie werden 2021 sicher kräftig expandieren, nicht wahr? Denn bei Nettofinanzschulden/EBITDA von –0,17 brauchen Sie wohl keine Stärkung der Kapitalbasis.
Wir optimieren ständig den Cash-Bestand der Firma, um die Freiheit und die Schnelligkeit für mögliche Akquisitionen zu haben. Ja, wir wollen weiter expandieren. In welchem Masse und in welchem Land wir das tun, hängt sehr stark von Markt und Möglichkeiten ab. Der Markt muss Potential haben. Wir wollen eine gemeinsame Vision für die Weiterentwicklung des Akquise-Kandidaten entwickeln. Er muss überzeugt sein, dass sein Unternehmen mit uns bessere Entwicklungsmöglichkeiten hat als bisher. Die Skalierbarkeit der digitalen Tools ist notwendig. Und die Annäherung der Kulturen sollte möglich sein. Denn zu einer Akquisition gehören zwei Unternehmen, aber ebenso die vielen Mitarbeiter, die dahinterstehen.
Ich nehme an, eine vertikale Integration ist für ALSO kein Thema?
Sie haben Recht, das ist kein Thema. Die Skalierbarkeit unseres Geschäfts kommt aus der Vielzahl an Herstellern und Resellern, aus unserem Ökosystem. Diese breite Aufstellung macht es auch robust. Das hat sich gerade in der Pandemie gezeigt.
Ist die Eigenkapitalrendite ROCE, jetzt bei 21 Prozent, überhaupt noch steigerbar?
Lassen Sie uns hier präzise sein. Wir haben als Ziel einen ROCE über 15 Prozent, falls wir Akquisitionen vornehmen, und über 20 Prozent ohne Akquisitionen. Über 20 definiert keine exakte Zahl – das muss noch nicht mal heissen, dass eine 2 an der ersten Stelle steht. Je stärker wir unser Solutions- und Service-Geschäft ausweiten, desto mehr können wir die Eigenkapitalrendite steigern.
«ALSO hat als Ziel einen ROCE über 15 Prozent, falls wir Akquisitionen vornehmen, und über 20 Prozent ohne Akquisitionen.»
700 Hersteller, 110 000 Verkaufspunkte und 380 Millionen Endkunden generieren fast 20 Millionen Transaktionen pro Jahr. Gab es in Zeiten von Trump und jetzt von Corona je ein nennenswertes Supply Chain-Problem?
Es kommt immer wieder vor, dass in bestimmten Produktkategorien Probleme auftreten, sei es durch Naturkatastrophen, geopolitische Zuspitzungen etc. Um hier schnell zu reagieren, braucht es ein breit aufgestelltes Ökosystem. Und es braucht die richtigen Daten- und Monitoring-Tools, um im besten Fall schon Lösungen parat zu haben, bevor die Schwierigkeiten überhaupt entstehen.
Im Geschäftsmodell Solutions fungiert ALSO wie ein Projektmanager. Kann man die dort generierte Kundenbindung quantifizieren?
Wenn Sie zusammen an einem grossen Projekt arbeiten, dann entwickelt sich dadurch eine Arbeitsgemeinschaft, die zu einer starken Bindung und Loyalität führt. Über die intensive Zusammenarbeit lernen wir Stärken und Anforderungen des Partners sehr genau kennen und können genau da unterstützen, wo es notwendig ist.
Endkunden sind vor allem KMU. In welcher Grössenordnung spielen bei ALSO die ganz grossen Aufträge?
Was verstehen Sie unter KMU? Dafür gibt es keine einheitliche Definition. Es gibt Anbieter, die nach eigenen Aussagen Probleme mit diesem Segment haben. So wie wir KMUs fassen, sind sie vor allem deshalb interessant, weil wir gemeinsam mit ihnen wachsen können. Und das tun wir. Für uns sind Endkunden allerdings nicht nur KMUs, sondern ebenso grössere Unternehmen oder auch sehr viele Privatpersonen, die wir über Retailer oder Etailer beliefern. Was uns letztlich erfolgreich macht ist die Breite des Kundenstamms, nicht der einzelne Grossauftrag.
«Wir akquirieren auf Grundlage unserer MORE-Strategie.»
Im letzten Jahr war ALSO sehr zurückhaltend was Zukäufe anbelangt. Es blieb bei der dicom Computer-Vertriebsges.m.b.H. mit einem Kaufpreis von 2,3 Millionen Franken. In welchen Bereichen könnte das «New Normal» sogar Schnäppchen generieren, immerhin haben Akquisitionen in den letzten acht Jahren zu einem Viertel die Umsatzsteigerungen von ALSO getragen?
Wir akquirieren auf Grundlage unserer MORE-Strategie: in Märkten, in denen ALSO führend ist, wollen wir diese Stellung weiter aus- und neue Geschäftsmodelle aufbauen. In Märkten in denen ALSO keine dominierende Position hat, entwickeln wir diese über Akquisitionen. Und in neuen Märkten wollen wir über den Kauf bestehender Ökosysteme mit den bestehenden Geschäftsmodellen Fuss fassen. Wir kaufen nur Unternehmen, die strukturell gesund sind, ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell und einen soliden Kundenstamm haben.