Hans-Ulrich Bigler, Direktor Schweizerischer Gewerbeverband
Hans-Ulrich Bigler, Direktor Schweizerischer Gewerbeverband. (Foto: sgv)
von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Bigler, der Schweizerische Gewerbeverband sgv übernimmt den Lead im Abstimmungskampf gegen die 1:12-Initiative. Ein eher überraschender Schritt, wären die vom sgv vertretenen KMU vom Verdikt doch kaum bis gar nicht betroffen…
Hans-Ulrich Bigler: KMU Unternehmer sind keine Abzocker. Aber auch wenn bei den KMU eine grosse Mehrheit selten eine entsprechende Differenz zwischen dem höchsten und dem tiefsten Lohn hat, ist das Gewerbe sehr stark von der Initiative betroffen. Denn bei dieser Initiative handelt es sich in erster Linie um einen Angriff auf den flexiblen und gut funktionierenden Arbeitsmarkt in der Schweiz. Diesen zu erhalten ist für die KMU von höchstem Interesse.
Aber ist es nicht so, dass diese Initiative gerade in der KMU-Landschaft einige Sympathie geniesst?
Ich denke, dass KMU-Vertreter sehr wohl erkennen, dass diese Initiative mit massiven Eingriffen in den Arbeitsmarkt und der Schwächung der Sozialpartnerschaft überhaupt nicht im Interesse der KMU-Wirtschaft ist. Die Initiative führt mit einer Deckelung der Einkommen zudem zu Ausfällen an Beiträgen bei Steuern und Sozialversicherungen in der Grössenordnung von 1 bis 1,6 Milliarden Franken. KMU Unternehmen haben überhaupt kein Interesse, diese Ausfälle selber mit kompensieren zu müssen.
«Ich denke, dass KMU-Vertreter sehr wohl erkennen, dass diese Initiative mit massiven Eingriffen in den Arbeitsmarkt und der Schwächung der Sozialpartnerschaft überhaupt nicht im Interesse der KMU-Wirtschaft ist.»
Hans-Ulrich Bigler, Direktor Schweizerischer Gewerbeverband
Muss der sgv nicht in die Bresche springen, weil Economiesuisse nach der Schlappe bei der Abzockerinitiative ein Glaubwürdigkeitsproblem hat?
99,7 Prozent der Unternehmen in der Schweiz sind KMU, die sich weit entfernt von einer Abzocker-Mentalität im Wettbewerb behaupten und 2/3 der Arbeitsplätze und 70 Prozent der Lehrstellen in unserem Land anbieten. Die 1:12-Initiative würde gerade für diese KMU-Wirtschaft grossen Schaden bringen. Deshalb wollen wir den seriösen Stimmen der KMU-Unternehmer Gehör verschaffen. Sie können glaubhaft aufzeigen, dass die 1:12 Initiative ein Schuss ins Bein der hart arbeitenden KMU-Wirtschaft ist. Wir wollen keine Lohnpolizisten in unseren Betrieben. Deshalb dieses klare Nein der KMU-Wirtschaft zum staatlichen Lohndiktat.
Wie plant der sgv, die Nein-Kampagne zu führen? Wie können Sie die KMU einbinden?
Der Schweizerische Gewerbeverband sgv will ein Netzwerk verantwortungsvoller Unternehmer aufbauen, die ihre Persönlichkeit und ihre Glaubwürdigkeit im Abstimmungskampf einsetzen. Diese Abstimmung werden wir nicht alleine an Plakatwänden oder mit Inseraten gewinnen, sondern mit Präsenz an den Stammtischen und in unseren Betrieben.
«Was die Linken aber wirklich wollen, ist eine vollständige Lohnkontrolle und starre Regulierungen im Arbeitsrecht.»
Die Lohndiskussion beschäftigt die Schweiz seit Jahren. Im Zusammenhang mit der Abzockerinitiative gingen die Emotionen hoch. Jetzt folgt die 1:12-, später die Mindestlohninitiative. Wie kann man die Diskussion versachlichen?
Zunächst gilt es festzustellen, dass der Souverän mit der Annahme der Minderinitiative das Problem der Abzockerei gelöst hat. Die Ablehnung des Vergütungsreglementes an der Generalversammlung der Privatbank Julius Bär zeigt zudem, dass dieser Druck bereits wirkt. Der Bundesrat sorgt mit der Verordnung zur Minderinitiative zusätzlich für eine rasche Klärung. Was die Linken aber wirklich wollen, ist eine vollständige Lohnkontrolle und starre Regulierungen im Arbeitsrecht. Dies ist ein Frontalangriff auf unser Erfolgsmodell Schweiz. Die 1:12-Initiative ist nur eines von vielen Begehren von linker Seite, das in nächster Zeit zur Abstimmung kommen wird. Ebenfalls aufgegleist ist wie Sie erwähnt haben die Initiative für einen fixen Mindestlohn.
Das Thema bewegt und jetzt steht also eine staatlich verordnete Lohnobergrenze zur Diskussion. Wie definieren Sie persönlich Lohngerechtigkeit?
Ein Salär hängt von vielen Faktoren ab wie Ausbildung, Berufserfahrung, Funktion, regionalen Lebenshaltungskosten und vor allem von der Leistung des Mitarbeiters bzw. der Mitarbeiterin. Ob für einen Fachmitarbeiter 3000 Franken pro Monat gerecht sind oder 5000 Franken oder mehr, definiert der Arbeitgeber zusammen mit dem Arbeitnehmer und allenfalls den Sozialpartnern, falls ein Gesamtarbeitsvertrag vorliegt. Eine starre und letztlich willkürlich gewählte Grenze bringt aber sicher nicht mehr Gerechtigkeit, sondern schadet der Wirtschaft und den Arbeitnehmenden gleichermassen.
«Wir wollen keinen Arbeitsmarkt à la française.»
Die Schweiz schlägt sich in der Krise achtbar, sie weist im internationalen Vergleich ein hohes Lohnniveau, tiefe Arbeitslosigkeit und gute Sozialleistungen auf. Wie stark gefährdet die Initiative den Wirtschaftsstandort Schweiz?
Die Schweiz ist die innovativste Wirtschaft weltweit. Rund 1/3 aller Innovationen kommen von den Mitarbeitenden in einem Unternehmen. In einem verkrusteten Arbeitsmarkt riskieren wir unsere Innovationskraft zu verlieren und können neue Unternehmen nicht mehr in die Schweiz holen. Mit der 1:12-Initiative würden künftig nicht mehr die Sozialpartner sondern der Staat die Löhne festlegen. Der Blick nach Frankreich mit seiner hohen Arbeitslosigkeit, der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit, hohen Schulden und Inflation zeigt, dass die Schweiz und mit ihr die KMU-Wirtschaft überhaupt kein Interesse an einem überregulierten und verkrusteten Arbeitsmarkt haben kann. Wir wollen keinen Arbeitsmarkt à la française.
Welche Massnahmen könnten Unternehmen bei einer Annahme der Initiative in Betracht ziehen?
Es ist eine grosse Schwäche der Initiative, dass sie bezüglich der Löhne von den wenigen betroffenen Grossunternehmen mit einfachen Massnahmen wie der Auslagerung von Niedriglohnjobs oder der Auszahlung von Dividenden anstatt Löhnen einfach umgangen werden kann und hier nicht viel bewirken wird. Was gerade für die KMU-Wirtschaft bleibt und nicht umgangen werden kann, ist der negative Effekt, dass der Arbeitsmarkt geschwächt wird und die Allgemeinheit Steuereinnahmen, Sozialbeiträge und Arbeitsplätze verliert.
Die Debatte könnte ja auch kreative Ansätze fördern, wie der von Swatch-Chef Nick Hayek gemachte Vorschlag, dass jeder Betrieb auf zwölf Angestellte mindestens einen Lehrling beschäftigen sollte. Was halten sie davon?
Ich schätze es sehr, dass sich Herr Hayek für die Stärkung der Berufsbildung engagiert. Der Fachkräftemangel ist ein Problem, das wir mit der Stärkung der Berufsbildung angehen müssen. Das Angebot an Lehrstellen ist dabei eine Seite. Viele Betriebe finden aber keine Lehrlinge, weil wir die jungen Leute geradezu zu einer akademischen Ausbildung drängen. Wenn wir die Berufsbildung, beispielsweise bei der Finanzierung von Kursen in der höheren Berufsbildung stärken, können wir sie attraktiver machen und auch mehr Fachkräfte in der Schweiz ausbilden.
Herr Bigler, besten Dank für das Interview.