Hanspeter Konrad, Direktor des Schweizerischen Pensionskassenverbandes ASIP.
Von Alexander Saheb
Moneycab: Herr Konrad, welche grossen Ziele hat der ASIP im Jahre 2012?
Hanspeter Konrad: Es geht darum, im Rahmen der Diskussion um den Bericht über die Zukunft der 2. Säule die Weichen richtig zu stellen. Im Vordergrund steht die Entwicklung der das BVG prägenden Eckwerte wie etwa den Umwandlungssatz. Angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheiten und dem zunehmenden Druck auf die Verwaltungskosten ist der Einsatz gegen einen weiteren Regulierungsschub zentral. Der ASIP setzt sich dafür ein, dass ein Verwaltungskosten-Franken sinnvoll verwendet wird. Für den ASIP steht schliesslich eine effiziente, praxisgerechte und im Interesse der Versicherten liegende sozialpartnerschaftliche Umsetzung der Strukturreform im Vordergrund.
Den vom Bundesrat auf 1,5% festgelegten Mindestzins begrüsst der ASIP. Warum sollte die Definition dieses Satzes entpolitisiert werden?
Die Festlegung der technischen Grundlagen einer Pensionskasse ist eine Kernaufgabe des obersten Führungsorgans. Diese haben dafür zu sorgen, dass auch unter den aktuellen Rahmenbedingungen das finanzielle Gleichgewicht sichergestellt werden kann. Strukturelle Schwachstellen im Finanzierungs- oder Leistungsbereich sind auszumerzen. Dies bedingt, dass die Risiken, welche die Erfüllung der Leistungserbringung gefährden können, bekannt sind. Dazu braucht es letztlich keine gesetzlichen, mehrheitlich politisch geprägten Vorgaben. Wichtiger ist aber, dass der von der Politik festgelegte Umwandlungssatz entpolitisiert wird.
Dient ein vorgegebener Satz nicht dem Vermögensschutz der Versicherten und würde eine an Marktkriterien orientierte Definition nicht zu viel Freiraum nach unten öffnen?
Diese Entwicklung – insbesondere bei sozialpartnerschaftlich geführten Pensionskassen – sehen wir nicht. Die Führungsorgane nehmen ihren treuhänderisch wahrzunehmenden Gestaltungsauftrag ernst. Zudem besteht gegenüber den Versicherten vollständige Transparenz. Jeder nicht ausgegebene Franken bleibt im Vorsorgekreislauf.
«Auch wenn die Deckungsgrade infolge der massiven Anlageverluste sinken, heisst das nicht, dass dadurch die Stabilität des Systems ‹Berufliche Vorsorge› gefährdet ist.»
Hanspeter Konrad, Direktor ASIP
Nach wie vor will der ASIP den Umwandlungssatz thematisieren, dessen Senkung bei der Bevölkerung nicht auf Zustimmung gestossen ist. Wie werden Sie das Thema beim nächsten Mal angehen?
Es geht darum, aufzuzeigen, dass die Bedürfnisse aller Beteiligten, der erwerbstätigen Versicherten und der Rentenbezüger, in einer Pensionskasse fair abgedeckt werden müssen. Es ist für die kapitalgedeckte berufliche Vorsorge unumgänglich, ein Gleichgewicht zwischen den auszurichtenden Rentenleistungen sowie den Beiträgen und erzielten Renditen herzustellen. Auf Dauer erträgt das System kein Abweichen der Pensionskassen-intern beschlossenen Parameter von der langfristigen Entwicklung der zugrunde liegenden externen ökonomischen und demografischen Faktoren.
Ein für die Berechnung der Renten zu hoher Umwandlungssatz führt beispielsweise zu auszahlbaren Leistungen an die Rentner zulasten der erwerbstätigen Versicherten durch eine Umverteilung der Erträge. Wird der Mindest-Umwandlungssatz nicht gesenkt, kommt dies einem „Rentenklau“ an der erwerbstätigen Bevölkerung gleich. Diese Tatsachen sind möglichst einfach zu vermitteln. Der ASIP hat deshalb schon länger eine Informations- und Sensibilisierungskampagne gestartet beispielsweise mit der Webseite www.mit-uns-fuer-uns.ch).
«Per 30. September 2011 befinden sich insgesamt 79% der öffentlich-rechtlichen und 37% der privatrechtlichen Kassen in Unterdeckung», heisst es im Swisscanto-Pensionskassen Monitor. Ist das ein Alarmsignal oder eine vorübergehende Phase, verursacht durch ausserordentliche schwache Kapitalmärkte?
Auch wenn die Deckungsgrade infolge der massiven Anlageverluste sinken, heisst das nicht, dass dadurch die Stabilität des Systems «Berufliche Vorsorge» gefährdet ist. Da die zukünftigen Erträge auf dem Kapital nie im Voraus bekannt sind, unterliegt unser nach dem Kapitaldeckungsverfahren finanziertes System immer Schwankungsrisiken. Ob die aktuelle negative Entwicklung sich auch längerfristig negativ auswirkt, kann heute niemand voraussagen. Angesichts der gewaltigen noch ungelösten Probleme auf den Finanzmärkten sind aber wohl in Zukunft die erwarteten Erträge vorsichtig zu budgetieren. Die Stabilität der 2. Säule ergibt sich vor diesem Hintergrund aus einer langfristig ausgerichteten und vor allem breit diversifizierten Anlagestrategie.
«Positiv zu werten ist auch der Umstand, dass sich kollektive Vorsorge in der Schweiz lohnt: Die Vermögensverwaltungskosten im Retailbereich sind um ein Vielfaches höher als bei den Pensionskassen.»
Ein BSV-Bericht kritisierte jüngst die hohen Kosten die Anlageberater in der 2. Säule verursachen. Die Kosten werden wohl nur thematisiert, weil der Leistungsausweis der Anlageberater so schwach ist. Oft wird ja nicht einmal die Marktperformance erreicht. Fehlt es den Beratern einfach an Anlagetalent, oder ist es schlicht nicht möglich, die Märkte anhaltend zu schlagen?
Zunächst ist festzuhalten, dass klar zwischen den Anlageberatern und den Asset-Managern zu unterscheiden ist. Erstere beraten die Kassen bezüglich der Anlagestrategie, während die taktische Umsetzung über die Asset-Manager erfolgt. Diesbezüglich haben die Pensionskassen-Verantwortlichen die Möglichkeit, vergebene Vermögensverwaltungsmandate periodisch wieder neu auszuschreiben oder neu zu verhandeln und so den Wettbewerb unter den Anbietern spielen zu lassen. Bei aller Konzentration auf die Kosten darf nicht vergessen werden, dass letztlich das gekaufte Produkt und die gekaufte Dienstleistung zu berücksichtigen sind. Es geht nicht primär nur um eine Minimierung der Kosten, sondern viel eher um eine Optimierung des Kosten-/Nutzenverhältnisses.
Der Bericht bestätigt zudem, dass der Wettbewerb in der Schweiz im institutionellen Bereich sehr gut spielt: Die Verhandlungsmacht mit den grossen Vermögen der Pensionskassen wird gut eingesetzt. Positiv zu werten ist auch der Umstand, dass sich kollektive Vorsorge in der Schweiz lohnt: Die Vermögensverwaltungskosten im Retailbereich sind um ein Vielfaches höher als bei den Pensionskassen. Die Vermögensverwaltungskosten bei Schweizer Pensionskassen sind schliesslich im internationalen Vergleich sehr konkurrenzfähig.
Wie weit glauben Sie ist das Milizsystem, bei dem fachliche Laien im Stiftungsrat von Kassen sitzen, für die schwache Allgemeinperformance mitverantwortlich?
Hier besteht kein Zusammenhang. Zudem ist die Aussage in ihrer Verallgemeinerung nicht zutreffend. Die Pensionskassen können die volkswirtschaftlichen und finanzmarktpolitischen Entwicklungen nicht bekämpfen, sie müssen vielmehr damit umgehen und für sich die richtigen Konsequenzen ziehen. Die Führungsorgane müssen gestützt auf die finanzielle Risikofähigkeit ihrer Pensionskasse und die Bereitschaft ihrer Risikoträger allfällige Mehrleistungen zu erbringen, entscheiden, welche Anlagestrategie sie umsetzen wollen.
Immer mehr Unternehmen (natürlich auch die Versicherten) müssen teils jahrelang Sanierungslasten aus der unterdeckten Pensionskasse schultern. Wann wird das zum Vertrauenstest für das System?
Solche Massnahmen sind notwendig, um die finanzielle Stabilität einer Pensionskasse wiederherzustellen. Es ist klar, dass sie zeitlich zu befristen sind, ansonsten in der Tat das System an Glaubwürdigkeit verlieren kann. Sanierungsmassnahmen sind immer auch mit entsprechenden Informationen zu verknüpfen. Es braucht eine Kommunikationsoffensive. Zudem sind die Rahmenbedingungen – etwa die versicherungstechnischen Grundlagen – anzupassen.
Die von der Politik beschlossene Strukturreform setzt die 2. Säule neuen Reglementen aus, die nicht überall auf Zustimmung stossen. Wird die 2. Säule dadurch teurer, sicherer oder etwas von beidem?
Von beidem etwas. Die Umsetzung wird höhere Verwaltungskosten auslösen, wobei diesbezüglich keine generalisierenden Angaben möglich sind. Für die künftigen Planungen zentral werden stets der kritische Blick auf das eigene Tun, die aktuellen Verfahren, Strukturen und Prozesse einer PK sein. Wertvolle Hilfestellung für die Umsetzung der Loyalitäts- und Integritätsbestimmungen leistet die seit 2009 gültige und in den letzten Wochen überarbeitete ASIP-Charta, auf die sich die Pensionskassen-Verantwortlichen beziehen können. Sie umfasst Regelungen, die zu mehr Sicherheit und Transparenz führen.
Vielen Dank für Ihre Antworten.
Der Gesprächspartner:
Hanspeter Konrad (*1958) ist seit dem 1. April 2004 Direktor des Schweizerischen Pensionskassenverbandes (ASIP: Association suisse des Institutions de Prévoyance; Fach- / Interessenverband der beruflichen Vorsorge in der Schweiz). Konrad war zuvor 15 Jahre verantwortlich für Vorsorge und Versicherungen im Sulzer Konzern und ist noch heute Berater und Stiftungsrat der Sulzer Vorsorgesysteme. Ferner ist er Mitglied der Eidg. Kommission für die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHV/IV-Kommission) sowie Mitglied der Eidg. Kommission für die berufliche Vorsorge (BVG Kommission). H. Konrad vertritt den ASIP in weiteren Fachkommissionen und ist als Dozent verschiedener Institutionen tätig. Konrad schloss das Studium der Jurisprudenz mit dem lic.iur. ab.
Der Verband:
Der Schweizerische Pensionskassenverband ASIP mit Sitz in Zürich ist der Dachverband für über 1000 Vorsorgeeinrichtungen mit 2,5 Mio. Versicherten und einem verwalteten Gesamtvermögen von gegen 400 Mia. Franken. Der ASIP bezweckt die Erhaltung und Förderung der beruflichen Vorsorge auf freiheitlicher und dezentraler Basis. Er setzt sich für das Drei-Säulen-Konzept in ausgewogener Gewichtung ein. Zudem fordert er versicherungs- und finanztechnisch korrekt festgelegte Eckwerte (z. B. Umwandlungssatz). Webseiten: www.asip.ch und www.mit-uns-fuer-uns.ch