Hanspeter Wolf, CEO Appway, im Interview
von Sandra Willmeroth
Moneycab.com: Herr Wolf, ihre Firma Appway entwickelt Software, um die Prozesse innerhalb von Finanzinstituten zu optimieren und den Kunden ebensolcher Finanzinstitute ein optimales Kundenerlebnis zu bieten. Können Sie ein konkretes Beispiel einer Anwendung einer ihrer Kunden nennen, die Appway entwickelt hat? Wann hat es der Endkunde mit einer Appway-App zu tun?
Hanspeter Wolf: Wenn Sie beispielsweise bei AXA am Handy oder am PC einen Schaden melden oder eine Police abschliessen, laufen verschiedene Prozesse auf der oder über die Plattform von Appway. Ich freue mich wie viele Werbebotschaften für Digitale Produkte bei der Fussball-Euro2020 zu sehen waren, die mit der Hilfe von Appway entstanden sind.
Was ist Ihr Beitrag dazu?
Wir übernehmen im Hintergrund hochkomplexe Teilschritte von Geschäftsprozessen und führen die Aktivitäten des Endkunden und damit verbundenen Daten auf der Infrastruktur des Betreibers wieder zusammen. Das beginnt bei Neukundeneröffnungen oder Hypotheken und geht weiter über die Eröffnung von Firmenkunden mit sämtlichen Produkten bis hin zu komplexesten Finanzierungsvorhaben wie der Gründung eines Milliardenfonds in Luxembourg.
Man kann sich das so vorstellen, dass sich bei den Finanz- und anderen Dienstleistern mit der schrittweisen Digitalisierung ein Fächer von immer mehr und immer spezialisierteren Teilschritten und Abläufen öffnet – ein Spaghetti-Knäuel aus Teilprozessen. Durch die Implementierung bei laufendem Betrieb lässt sich das nicht vermeiden. Die Abläufe werden damit aber immer weniger effizient, fehleranfälliger und aus Sicht der Compliance problematisch.
Und wo setzt Appway da an?
Mit unserer Plattform bietet Appway das System, um diese Teilschritte wieder zu verknüpfen, in Layers sauber aufzuteilen und die Datenströme zu konsolidieren. Wir machen aus dem Spaghetti-Knäuel mit unseren Modulen eine ordentlich geschichtete Lasagna – mit appetitlicher Kruste (lacht). Das heisst, wir bieten sowohl Experten-Userinterfaces für den internen Gebrauch als auch Schnittstellen für unsere Module, auf die der Kunde seine eigenen Interfaces für die Endkunden aufsetzen kann.
«Wir machen aus dem Spaghetti-Knäuel mit unseren Modulen eine ordentlich geschichtete Lasagna – mit appetitlicher Kruste.»
Hanspeter Wolf, CEO Appway
Im vergangenen Jahr hat Appway von Investoren eine Finanzspritze von 37 Mio CHF bekommen, mit dem Ziel, die globale Expansion voranzutreiben. Welche Märkte stehen auf Ihrer Shortlist?
Wir setzen voll auf die Cloud. Bisher waren Workflows mit hochsensiblen Daten in die Umgebung des Kunden integriert und als individuelle Anwendungen pflegebedürftig. Appway bietet aus der Cloud einen Weg zur «effortless Innovation» für all die Workflows und Systemintegrationen. Deswegen fokussieren wir auf Länder mit einer hohen Bereitschaft für die Cloud – und solche, in denen die Digitalmaturität der Märkte klar erkennbare Ausprägungen hat: Von nicht gestartet über entered bis next level.
Mit Appway geben wir unseren Kunden weltweit die Souveränität über ihre Daten. Das heisst, der Kunde bestimmt, wo diese verarbeitet und wo sie gespeichert werden. Wir können uns dabei den Bedürfnissen und der Regulierung anpassen und jeden Standard erfüllen. Das tun wir mit dem typischen Schweizer Mindset und unserem Wertesystem, aber als extrem diverse und multinationale Unternehmung.
«Appway ist der Spezialist für die Zusammenführung verschiedener digitalisierter Teilschritte – und die ist, wie die Digitalisierung selber, eigentlich nie abgeschlossen.»
Ist der Markt in der Schweiz gesättigt?
Keineswegs. Denn Digitalisierung kann im Kern, in den Kanälen oder an der Peripherie betrieben werden. Egal, wo Sie ansetzen, um Prozesse zu digitalisieren, mittelfristig werden die eingespielten Abläufe zwangsläufig gestört und verlieren an Effizienz. Digitalisierung bedeutet daher auch, zu messen und zu vergleichen was wie gut läuft, die neu konfigurierten Abläufe kontinuierlich zu verdichten, zu optimieren, zu automatisieren und zu verbessern. Appway ist der Spezialist für die Zusammenführung verschiedener digitalisierter Teilschritte – und die ist, wie die Digitalisierung selber, eigentlich nie abgeschlossen.
Wie sehen Sie die Zukunft des Bankings ganz allgemein? Wird der Berater aus Fleisch und Blut demnächst obsolet?
Banking hatte bereits sehr viele und bekommt immer mehr Facetten. Finanzdienstleistungen werden immer mehr kombiniert mit anderen Angeboten, die von Dritten erbracht werden, damit sich eine Bank ein individuelles Ökosystem aufbauen kann. Umgekehrt sind Finanzdienstleistungsprodukte nicht mehr ausschliesslich den Banken vorbehalten, und so übernehmen immer mehr «branchenfremde» Unternehmen mit grosser Kundenbasis Teile des einst klassischen Angebots von Finanzdienstleistungen.
Das Spielfeld wird also grösser: Es dehnt sich aus in neue Kanäle und spezialisierte Finanzdienstleistungen. Der Verkauf der Finanzdienstleistungen wird damit anspruchsvoller und setzt Vernetzung voraus. Bei immer mehr Optionen gibt es nur zwei Lösungen: Automatisierung oder durch Technologie unterstützte menschliche Berater. Deren Aufgaben werden mit der Digitalisierung, wie ich sie verstehe – nämlich als Vernetzung und Optimierung – immer persönlicher. Die Anforderungen an die Beratung steigen eher, als dass sie kommodifiziert werden könnten.
Bislang fokussiert sich Appway primär auf Banken und Finanzintermediäre und ich zähle nur einen Versicherer in der Kundenliste. Warum nicht mehr? Die regulatorischen Anforderungen sind doch ähnlich?
Das ist richtig: Die Regulierung wird mit der Digitalisierung von Dienstleistungen in allen Branchen zunehmen. Das wurde deutlich beim digitalen Onboarding von Neukunden, dem «Aufnehmen von Neukunden ohne persönliche Identifikation»: Das war ursprünglich ausschliesslich ein Thema für Banken und ist nun weit verbreitet bei Versicherern, Kautionsanbietern und so weiter. Die Faustregel lautet: je vernetzter die Dienstleistungen einer Branche sind, umso besser passt Appway als Lösungsanbieter.
Welche anderen Branchen eignen sich für die Anwendung ihrer Software und welche nicht?
Ursprünglich kamen wir vom Onboarding: Anfangs hiess es, das sei keine entscheidende Funktion einer Bank, Digitalisierung müsse bei den komplexen Kernprozessen ansetzen. Inzwischen ist nicht nur klar geworden, dass eine digitale Bank nur mit einem Top-Onboarding existieren kann. Es geht noch weiter: Wenn Sie CSX von Credit Suisse anschauen sehen sie rasch, dass die Verwaltung der Hypotheken eigentlich eine einfache Sache ist. Das Unterscheidungsmerkmal besteht darin, dass ich als Endkunde in drei Minuten eine Hypothek verlängern und jederzeit am Handy auf die Daten zugreifen kann.
Auf Appway lässt sich das ganze Spektrum vom Individualkunden-Onboarding bis zur Erfassung von Geschäftskunden oder zur Eröffnung eines Multi-Millionen-Fonds abbilden. In einer Umgebung, die dem Kunden die Hoheit über seine Daten und die volle Integration der Workflows garantiert.
Wie hat sich die Corona-Pandemie auf Ihr Geschäft ausgewirkt? Spüren Sie kundenseitig den allseits beschworenen Digitalisierungsschub, den die Pandemie ausgelöst haben soll?
Als internationales Unternehmen haben wir die Auswirkungen von allem Anfang an in Asien zu spüren gekriegt. Als die Welt sich ins Homeoffice zurückzog, stieg die Digitalisierung der Touchpoints bei unseren Kunden sprunghaft an. Dabei fehlte ihnen die Zeit, sauber integrierte Lösungen auszurollen. Also sind für die Mitarbeitenden viele neue Schnittstellen und Tools hinzugekommen. Denn die digitalisierten Endpunkte mussten auch remote bedient werden können, und so manche Prozessschritte enden derzeit noch als zusätzliche Links als E-Mails in der Inbox. Diese Vorgänge müssen nun konsolidiert und die Endpunkte zusammengeführt werden. Appway ist dafür der ideale Partner.
Appway hat sieben Standorte weltweit, 150 Mitarbeitende und 2000 Appway-Entwickler in den Ökosystemen. Wie ist das zu verstehen?
Den Kern des Unternehmens bilden unsere 150 Mitarbeitenden verteilt auf der ganzen Welt – ich bin stolz darauf, dass wir ein äusserst diversifiziertes, multikulturelles Unternehmen sind. Die Community ist aber weit grösser: Appway-Lösungen sind integriert mit Umsystemen und Drittanbieteranwendungen. Dabei müssen die Konfigurations- und Injektionsarbeiten nicht zwingend durch uns vorgenommen werden. Wir zertifizieren Entwickler, die als eigenständige Unternehmer auftreten, bei grossen und kleinen IT-Dienstleister oder innerhalb der Abteilung beim Kunden mit der Appway-Umgebung betraut sind – analog dem Modell bekannter Softwarehersteller.
Dieses Netzwerk von Experten und ausgebildeten, zertifizierten Entwicklern wächst stetig. So können die Kunden mit unseren über 30 Systemsintegrationspartnern ihre Digitalisierungsvorhaben im Appway-System skalieren, kontinuierlich verbessern, weiter ausbreiten und Innovation neuer Produkte und Dienstleistungen vorantreiben. Dazu steht die No-Code Oberfläche «Appway Studio» für Integrationen, Optimierungen und Veränderungen an Appway mit geringem Aufwand zur Verfügung. Damit lassen sich Lösungen immer wieder neu arrangieren und anpassen. Einige unserer Kunden haben über 100 geschäftskritsche Workflows auf Appway umgesetzt.
«Dieses Netzwerk von Experten und ausgebildeten, zertifizierten Entwicklern wächst stetig.»
Sie haben Appway vor knapp 20 Jahren mitbegründet. Was war damals Ihre Vision, ihr Ziel? Haben Sie diese erreicht?
Wir hatten zwei Visionen: Zum einen haben wir gesehen, dass Software nicht weniger, sondern mehr Komplexität bringt. Wir wollten zum Optimierer der digitalen Innovation in den Unternehmen werden, der wir heute sind.
Und aus Unternehmersicht war es uns immer wichtig, ein grosser Fisch in einem kleinen Teich zu sein. Diesen Fokus haben wir immer weiter geschärft. Heute vertrauen einige der grössten Finanzdienstleister aus den USA auf Appway, genau so wie Kantonalbanken in der Schweiz, welche Appway einsetzen, um ihre operativen Ergebnisse ebenso zu verbessern wie das Kundenerlebnis.
Und was ist heute ihre (neue) Vision, welche Ziele wollen Sie mit Appway erreichen?
Wir haben bewiesen, dass Appway funktioniert, skaliert und dass es sehr breit eingesetzt werden kann. Wir wollen als Schweizer Unternehmen für Enterprise Software gleichbedeutend werden mit effizienten Workflows, die sich nicht in den Vordergrund drängen und dennoch ständig optimiert werden können. Appway steht dabei im Schweizer Mindset von (Daten-)Souveränität, Effizienz und Präzision. Das zeichnet uns im internationalen Markt aus, darin besteht die eigentliche Substanz von «Swiss made».