Harald Nedwed, Präsident der Migros Bank-Geschäftsleitung. (Foto: Migros Bank)
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Nedwed, die Migros Bank hat das Geschäftsjahr 2015 mit einem leicht höheren Gewinn von 0,5 % abgeschlossen. Was überwiegt – die Freude über die erfreuliche Entwicklung im Kommissions- und Handelsgeschäft oder die Sorgen über die grossen Herausforderungen durch die Negativzinsen?
Harald Nedwed: Das Kommissions- und Handelsgeschäft entwickelte sich mit einem Plus von 6,3% bzw. 9,2% tatsächlich sehr erfreulich. Das war unter anderem darauf zurückzuführen, dass Kundinnen und Kunden nach der Freigabe des Euro-Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank vermehrt Transaktionen tätigten. Für uns weit stärker ins Gewicht fiel aber, dass die Nationalbank gleichzeitig mit der Aufgabe des Euro-Mindestkurses im Januar 2015 ihre Leitzinsen noch weiter unter null senkte.
Welches waren die konkreten Folgen der Negativzinsen auf das Zinsgeschäft der Migros Bank, welches rund drei Viertel der gesamten Erträge generiert?
Die Bilanzabsicherung gegen steigende Zinsen hat sich deutlich verteuert: Die damit verbundenen Kosten waren 2015 um einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag höher als im Vorjahr.
Weshalb?
Die Bilanzabsicherung mittels Swaps ist gewissermassen ein Zins-Tauschgeschäft: Wir bezahlen einen fixen Swap-Zins und erhalten dafür einen variablen Libor-Zins. Letzterer ist aber im gegenwärtigen Zinsumfeld negativ. Mit anderen Worten: Wir bezahlen doppelt.
«Wir bezahlen einen fixen Swap-Zins und erhalten dafür einen variablen Libor-Zins. Letzterer ist aber im gegenwärtigen Zinsumfeld negativ. Mit anderen Worten: Wir bezahlen doppelt.»
Harald Nedwed, Präsident der Migros Bank-Geschäftsleitung
Kann man sagen, dass die Migros Bank dafür büsst, dass sie die Risiken möglichst gering halten will?
Wir verfolgen in der Tat eine vorsichtige Risikopolitik, indem wir das Zinsänderungsrisiko der Bilanz zu einem grossen Teil absichern. Aber es ist wie bei einer Hausratversicherung: Rückblickend betrachtet hätten Sie sich die Prämien sparen können, wenn Sie keinen Schaden erlitten haben. Doch wenn es um Risiken geht, müssen Sie vorwärtsschauen und Vorsorge treffen.
Nicht zuletzt ist der leicht höhere Jahresgewinn dem strikten Kostenmanagement geschuldet. Welche hauptsächlichen Massnahmen führten zum 3,4 % tieferen Geschäftsaufwand?
Die Verbesserung war nicht das Ergebnis von einigen wenigen spektakulären Sparmassnahmen. Vielmehr haben wir über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg ein konsequentes Kostenmanagement betrieben.
Das Hypothekarvolumen wurde 2015 um 3,1% ausgeweitet. Inwiefern haben sich die verschärften Regeln für das Hypothekengeschäft bemerkbar gemacht?
Die neuen Eigenmittelregeln dürften das Marktwachstum im Hypothekargeschäft tendenziell verlangsamt haben, denn die finanziellen Hürden für Interessenten mit eher knappen Eigenmitteln sind höher geworden. Solche Personen sind besonders betroffen von den verschärften Anforderungen bei Zweithypotheken, also bei jenem Teil der Finanzierung, der zwei Drittel der Belehnungshöhe übersteigt.
Was heisst das konkret für die Migros Bank?
Wir suchen keine aggressiven Finanzierungen; in unserem Bestand an Wohnhypotheken machen Zweithypotheken lediglich 3% aus. Daher hat sich die Einführung der verschärften Eigenmittelanforderungen nicht gross auf unser Geschäft ausgewirkt. Trotz vorsichtiger Risikopolitik haben wir 2015 bei den Hypotheken erneut ein ansehnliches Volumenwachstum erzielt, das in etwa dem Marktdurchschnitt entsprach.
Der Zeitpunkt für Festhypotheken ist ideal. Bei der Migros Bank liegt der Anteil bei 91 %. Wie hat sich die Nachfrage bezüglich Laufzeiten in den letzten Monaten entwickelt?
Viele Kunden erwarten, dass die Zinsen noch länger tief bleiben werden. Daher hat sich die Laufzeit der Hypotheken eher wieder verkürzt. Dementsprechend liegt die Mehrzahl unserer Abschlüsse von Festhypotheken bei Laufzeiten von bis zu fünf Jahren.
«Mit der jüngsten Eröffnung in Meyrin-Vernier ist die Expansion unseres Niederlassungsnetzes weitgehend abgeschlossen.»
Während andere Banken ihr Filialnetz zusammenstreichen, setzt die Migros Bank ihre Expansion fort und hat in diesen Tagen in Meyrin-Vernier ihre 67. Filiale eröffnet. In den letzten acht Jahren sind über 20 Filialen dazu gekommen. Wie sieht die weitere Planung aus?
Wir haben in den vergangenen Jahren unsere gesamtschweizerische Präsenz deutlich ausgebaut. Mit der jüngsten Eröffnung in Meyrin-Vernier ist die Expansion unseres Niederlassungsnetzes weitgehend abgeschlossen. Es verbleiben vielleicht noch ein, zwei zusätzliche Wunschstandorte, die wir realisieren möchten.
Sie haben im vergangenen Jahr verschiedene Dienstleistungen im Bereich von E-Payment- und Mobile-Payment-Lösungen präsentiert. Welche Strategie verfolgt die Migros Bank mit den verschiedenen Zahlungslösungen?
Wir gehen davon aus, dass das Smartphone zum wichtigsten und meistgenutzten Kommunikationsmittel zwischen der Bank und ihren Kunden wird. Bereits heute loggen sich unsere E-Banking-Kunden mit ihrem PC im Schnitt nur fünf Mal pro Monat ein, Kunden mit Mobilgeräten dagegen 13 Mal. Die Interaktion zwischen Kunde und Bank wird sich künftig noch stärker Richtung Mobile Banking verschieben. Die Migros Bank fördert daher das Handy als wichtigen und sicheren Kommunikationskanal. Sei das beim Bezahlen an der Kasse und unter Privatpersonen, oder sei es beim Bestätigen von E-Banking-Transaktionen mittels Smartphone.
«Die Interaktion zwischen Kunde und Bank wird sich künftig noch stärker Richtung Mobile Banking verschieben.»
Wie hoch ist die Bereitschaft Ihrer Kunden, diese Dienstleistungen zu nutzen?
Einer Umfrage der Hochschule Luzern zufolge können sich mittlerweile zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung vorstellen, künftig mit dem Smartphone zu bezahlen. Damit wird das Smartphone als E-Wallet nach und nach das Portemonnaie konkurrenzieren. Nehmen Sie z.B. die seit letztem Herbst angebotene Möglichkeit, dass Sie Einkäufe in Geschäften und Restaurants der Migros via App direkt dem Konto der Migros Bank belasten können. Davon machten seit dem Start mehr Kunden Gebrauch als erwartet.
Das digitale Banking dürfte die Finanzbranche nachhaltig verändern. Welchen Stellenwert geniesst das Thema Ihrer Meinung nach in der Schweiz, und wie will sich die Migros Bank positionieren?
Ich sehe solche Dienste mehr als Convenience denn als digitale Revolution. Wir wollen natürlich vorne mit dabei sein, wenn es darum geht, unsere Angebote laufend zu verbessern und an die sich wandelnden Kundenbedürfnisse anzupassen.
Am Tiefzinsumfeld dürfte sich so schnell nichts ändern. Welche Erwartungen sind mit dem laufenden Geschäftsjahr verbunden?
Das Geschäftsumfeld wird 2016 mit Blick auf die anhaltenden Negativzinsen herausfordernd bleiben. Aber die Migros Bank verfügt über einer robuste Ertragslage. Sofern die Negativzinsen nicht noch weiter gesenkt werden, erwarten wir für 2016 einen ähnlichen Netto-Erfolg aus dem Zinsengeschäft. Auch der Gewinn dürfte im Rahmen des Vorjahres ausfallen.
Herr Nedwed, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Harald Nedwed ist seit 2003 Präsident der Geschäftsleitung der Migros Bank. Zuvor war er fünf Jahre Finanzchef und gleichzeitig Leiter Sitz Basel. Vor seinem Eintritt in die Migros Bank arbeitete er bei weiteren Finanzinstituten und war als Ökonom Assistenzprofessor an der Universität Basel. Der 56-jährige Harald Nedwed ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Er wohnt in der Region Basel.