Hariolf Kottmann, CEO Clariant

Hariolf Kottmann, CEO Clariant

Hariolf Kottmann, CEO Clariant. (Foto: Clariant)

von Bob Buchheit

Moneycab: Europa soll 2013 wieder mal nur wenig wachsen. Wird Clariant dieses Manko im Rest der Welt mehr als ausgleichen können? Die neusten Konjunkturdaten aus China sind ja wieder ermutigend.

Hariolf Kottmann: In Lateinamerika sind wir historisch bedingt sehr gut vertreten und konnten dort im dritten Quartal gegenüber dem Vorjahr ein Umsatzwachstum von 11% in Lokalwährungen erzielen. Auf das Gesamtjahr bezogen rechnen wir dort mit einem Wachstum von rund 6 %. Für Europa und Nordamerika sehen wir eine leichte Verbesserung im einstelligen Bereich. China behauptete sich im dritten Quartal gegenüber Japan und Indien, die eine anhaltende Schwäche zeigen, robust mit einem 2%igen Umsatzwachstum.

Weshalb sind Sie mit Ihrer Guidance für die Schwellenländer so vorsichtig?

Das Wirtschaftsumfeld, in dem wir uns bewegen, ist insgesamt anspruchsvoll und in den Schwellenmärkten besteht nach wie vor eine hohe Unsicherheit.

Gibt es Neuigkeiten zum geplanten Verkauf von Detergents  & Intermediates und von Leather Services?

Hier sind wir voll auf Kurs. 2012 hatten wir angekündigt nach strategischen Optionen für Textile Chemicals, Paper Specialties, Emulsions, Detergents & Intermediates und Leather Services zu suchen. Zum 30. September wurde der Verkauf von Textile Chemicals, Paper Specialties und Emulsions an die amerikanische Investmentgesellschaft SK Capital abgeschlossen. Am 15. Oktober 2013 haben wir die Veräusserung von Detergents & Intermediates an die International Chemical Investors Group (ICIG) bekannt gegeben, eine private Industrieholding, die sich auf Chemie- und Pharmaunternehmen mittlerer Grösse spezialisiert hat. Und am 30. Oktober konnten wir schliesslich den  geplanten Verkauf von Leather Services an Stahl ankündigen, der im Laufe des kommenden Jahres realisiert wird.

«In den Schwellenmärkten besteht nach wie vor eine hohe Unsicherheit.»
Hariolf Kottmann, CEO Clariant

Mit ihrem Sunliquid-Business machen Sie aus unverdaulicher Cellulose wie beispielsweise Stroh Bio-Ethanol. Schaffen Sie die 50’000-150’000 anvisierten Tonnen der ersten Produktionsanlage pro Jahr?

Bei der Sunliquid-Anlage handelt es sich um eine Demonstrationsanlage, mit der pro Jahr bis zu 1000 Tonnen Bio-Ethanol produziert werden können. Dabei steht nicht die Produktionsmenge im Vordergrund, sondern die Prozessoptimierung. Einen wichtigen Meilenstein haben wir dieses Jahr mit dem Einsatz der Sunliquid-Technologie bei weiteren Rohstoffen wie zum Beispiel Maisstroh und Zuckerrohrbagasse erreicht. Das wird uns enorm bei der Kommerzialisierung des Sunliquid-Prozesses helfen, da die Technologie nun auch für den Einsatz in Nord- und Südamerika sowie Asien interessant wird.

Wie läuft es mit dem Verkauf der weiteren Produktionslizenzen für Bio-Ethanol der zweiten Generation?

Wir stehen derzeit in Verhandlung mit potenziellen Kunden.

Viele Leute haben immer noch Vorurteile gegenüber Chemie. Welche Rolle spielen nachhaltige Projekte oder Aufklärungskampagnen in Ihrer Marketingstrategie?

Nachhaltigkeit ist ein integraler Bestandteil unserer Unternehmensstrategie und spielt somit für uns eine wichtige Rolle. Wir möchten langfristig Mehrwert und Nutzen für alle unsere Interessengruppen schaffen und dies in ökonomischer wie auch ökologischer und sozialer Hinsicht. Dem steigenden Bedürfnis des Marktes nach besonders ressourcen- und umweltschonenden Produkten begegnen wir mit Innovationen, die über ihren gesamten Lebenszyklus nachhaltig sind.

Wir haben uns freiwillig zur Einhaltung hoher Standards wie beispielsweise der „Responsible Care“ Global Charta, der „Global Product Strategy“ oder den zehn Prinzipien  des „UN Global Compact“ verpflichtet und wurden in den Dow Jones Sustainability Index aufgenommen. Selbstverständlich nutzen wir diese Instrumente auch für unsere Kommunikation, denn sie geben den Kunden und Konsumenten Orientierung. Jüngstes Beispiel ist eine Nachhaltigkeitskampagne oder unsere „Innovation Spotlight“-Videos, die Sie auf unserer Website finden.

Gab es schon einmal Sektoren, die Clariant wegen möglicher Umweltrisiken aufgegeben oder gemieden hat?

Nein, bisher ist das noch nicht vorgekommen. Wir würden aber nicht zögern, uns von Produkten zu trennen, wenn wir entsprechende Kenntnisse über ihre Umweltrisiken erlangen würden. Unsere Product-Stewardship-Organisation stellt sicher, dass unser Produktportfolio den internationalen Umwelt- und Sicherheitsstandards entspricht, wie sie etwa durch REACH oder die „Global Product Strategy“ vorgegeben werden.

«Wir wollen die anvisierten Ziele für 2015 von 17% EBITDA-Marge und einem überdurchschnittlichen ROIC im Vergleich zur Peergroup erreichen.»

Mit einem KGV von rund 15 ist die Clariant-Aktie nach den jüngsten Kursavancen nicht mehr billig. Gleichzeitig scheint sie im Langfristchart Boden gefunden zu haben. Stört es Sie, dass die Analysten die Aussichten der Aktie loben und Ihnen damit gewaltige Vorschusslorbeeren ausbreiten?

Nein, für uns ist das ein Vertrauensbeweis, der zeigt, dass der Markt insgesamt und speziell die Analysten von der eingeschlagenen Strategie überzeugt sind, mit der wir die anvisierten Ziele für 2015 von 17% EBITDA-Marge und einem überdurchschnittlichen ROIC im Vergleich zur Peergroup erreichen wollen. Wir ruhen uns nicht auf „Vorschusslorbeeren“ aus, sondern müssen Quartal für Quartal gute Resultate liefern. Die Aktionäre mussten in der Vergangenheit Enttäuschungen hinnehmen. Wir arbeiten jetzt am Vertrauensaufbau, indem wir liefern, was wir versprochen haben.

Forschung & Entwicklung, Prozessmanagement, Business Development sind bei Clariant stark strukturiert. Wie oder mit welchem Managementsystem verschaffen Sie sich als CEO den nötigen Überblick?

Es ist essentiell, Forschung & Entwicklung nach klaren Prinzipien zu organisieren. Gerade haben wir mit dem Clariant Innovation Center in Frankfurt ein Forschungszentrum eröffnet, von dem aus die globalen F&E-Aktivitäten gesteuert werden. Diese Organisation folgt einfachen, standardisierten Prozessen. Klare Verantwortlichkeiten und die interne Abstimmung auf den wichtigsten Entscheidungsebenen sorgen dafür, dass auch das oberste Management und der CEO über alle Entwicklungen informiert sind. Das wichtigste aber sind die Führungskräfte in F&E, die sicherstellen, dass alle unsere Projekte zielgerichtet und effizient umgesetzt werden.

Wie stark ist auf ihrem Niveau der Austausch mit anderen Chemie-CEOs, sei es mit DuPont, BASF, Solvay und wie sie alle heissen mögen?

Wir sehen und sprechen uns regelmässig mehrfach im Jahr, sei es am Rande von Konferenzen oder  sei es zu anderen Gelegenheiten. Funktionen und Mitgliedschaften in Verbänden wie CEFIC bringen es mit sich, dass man sich zum Gedankenaustausch trifft.

«Die Chemie-Industrie ist historisch gesehen stark im deutschsprachigen Raum verwurzelt. (…) Daraus ergibt sich ein gewisser Vorsprung dieser Region.»

Der deutschsprachige Raum dominiert die Welt der Chemie. Könnten eigentlich die Chinesen auch einmal ein derartiges Entwicklungstempo erreichen. Die Japaner sind ja beispielsweise auch nicht schlecht im „Kochen“?

Die Chemie-Industrie ist historisch gesehen stark im deutschsprachigen Raum verwurzelt, so wie sich die Computer-Industrie im Silicon Valley etabliert hat. Daraus ergibt sich ein gewisser Vorsprung dieser Region, was aber nicht heisst, dass andere Länder wie China nicht aufholen können. Für eine positive, langfristige Entwicklung müssen vor allem die politischen Rahmenbedingungen und das Investitionsklima stimmen. Die BRIC-Staaten haben sich in den letzten Jahren insgesamt sehr gut entwickelt und viel Geld  in Forschungs- und Innovationsförderung investiert. Im Vergleich dazu tut Europa, im speziellen Deutschland, zu wenig.

Wann wird Asien, mit im Moment knapp ein Viertel Ihres Umsatzes, Europa, mit gut einem Drittel des weltweiten Clariant-Umsatzes, überflügeln?

Die Zukunft von Clariant wird in Asien entschieden werden. Im Besonderen werden China, Indonesien, Asean und Indien hier eine Rolle spielen, wenn auch sicher nicht zur gleichen Zeit und im gleichen Umfang. Wir erwirtschaften bereits heute die Hälfte unseres Umsatzes ausserhalb Europas und Nordamerikas. Unser Ziel  ist es, im Jahr 2020 mehr als 60% unseres Geschäftes in den aufstrebenden Märkten zu machen, wozu neben Asien vor allem auch Lateinamerika zählt. Diese Märkte wachsen und wir wollen mit ihnen wachsen und unsere Marktanteile ausbauen -deshalb investieren wir dort auch vermehrt.

Der Gesprächspartner:
Hariolf Kottmann stammt aus Göppingen und begann 1974 Chemie und Biochemie in Stuttgart zu studieren, wo er 1984 seinen Doktortitel erwarb. 1985 startete er seine Berufskarriere bei den Farbwerken Hoechst in Frankfurt, wo er von R&D, Production and Technology bis Controlling die unterschiedlichsten Positionen innehatte. 1996 wurde er zum Head of Business Line Inorganic Chemical befördert und von 1998 bis 2001 war er in den USA Executive Vice President von Celanese AG, einer Hoechst-Tochter. Ab April 2001 arbeitete er als Exekutivmitglied bei SGL Carbon, bevor er 2008 zum CEO von Clariant berufen wurde.

Das Unternehmen:
Clariant ist ein weltweit führendes Unternehmen der Spezialitätenchemie. Der Konzern ist auf fünf Kontinenten mit mehr als 100 Konzerngesellschaften vertrete. Der Hauptsitz ist Muttenz bei Basel, Schweiz. Am 31. Dezember 2012 beschäftigte das Unternehmen insgesamt 21 202 Mitarbeiter. Im Geschäftsjahr 2012 erzielte Clariant mit seinen fortgeführten Aktivitäten einen Umsatz von 6,038 Mrd. CHF. Das Unternehmen berichtet in vier Geschäftsbereichen: Care Chemicals, Catalysis & Energy, Natural Resources sowie Plastics & Coatings.

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