Hasan Haybat, National Mobility Manager Shell (Switzerland) AG, im Interview
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Haybat, sehen Sie im Laden von Elektrofahrzeugen für Shell als traditioneller Treibstoffhändler eine Bedrohung oder eine Chance?
Hasan Haybat: Die Entwicklungen im Mobilitätssektor sind sehr spannend und wir sehen sie ganz klar als Chance. Während der Schwerlastverkehr noch von Fahrzeugen mit Verbrennermotor dominiert wird, ist die Elektromobilität im privaten Verkehr angekommen.
Ende Februar hat Shell (Switzerland) evpass übernommen, das grösste Netz von Ladestationen für Elektrofahrzeuge in der Schweiz. Der Schritt entspricht gleichen Transaktionen anderer Ländergesellschaften. Inwieweit macht man hier angesichts der absehbaren Einbussen im Tankstellengeschäft aus der Not eine Tugend?
Die Übernahme von evpass war ein wichtiger Schritt für Shell in der Schweiz. Tatsächlich waren wir in anderen grösseren Märkten bereits ein paar Schritte weiter. Als Beispiel nenne ich die Tankstelle Fulham in London (UK), welche von einer regulären Tankstelle in ein EV Hub umgebaut wurde, welches ausschliesslich Elektrofahrzeuge bedient. Mit Shell Recharge sind wir bereits in mehr als 25 Märkten vertreten.
Aktuell findet die überwiegende Mehrzahl der Ladevorgänge zuhause oder am Arbeitsplatz statt. Wie wird sich das Verhältnis mit der steigenden Verbreitung der Elektromobilität verändern?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Kunden dort laden, wo sie wissen, dass sie mit der Marke ihres Vertrauens schnell, bequem und zuverlässig laden können. Die wachsende Zahl von Kundinnen und Kunden, die in der Stadt wohnen und daher auf Laternenladepunkte angewiesen sind, sollte man aber nicht ausser Acht lassen. Auch das sogenannte Destination Charging bei Supermärkten, Hotels oder Parkplatzbetreibern wird immer wichtiger.
«Die Übernahme von evpass war ein wichtiger Schritt für Shell in der Schweiz.»
Hasan Haybat, National Mobility Manager Shell (Switzerland) AG
Welche Möglichkeiten bietet die Übernahme durch Shell (Switzerland) evpass über die finanzielle Power hinaus?
Das Wachstum ist ein wichtiger Punkt. Die Anzahl Ladesäulen in der Schweiz steigt stetig. Das gibt den Besitzern von Elektroautos auch mehr Sicherheit, dass sie mit genügend Strom wieder nach Hause kommen.
evpass umfasst aktuell rund 3100 Ladesäulen und deckt damit gut ein Drittel der Schweizer Gemeinden ab. Wie sehen die Ausbaupläne aus?
Als Mobilitätsanbieter müssen wir dort sein, wo unsere Kunden tatsächlich Energie brauchen – an den Tankstellen, auf den Strassen, bei der Arbeit und zu Hause. Aktuell haben wir Shell Recharge Ladesäulen an den Shell-Tankstellen Oftringen, Rosenberg (Winterthur) und Fohlenweide (Bremgarten). 82 weitere solche Ladepunkte sind in der Umsetzung. Wir bieten auch Lösungen für das Laden zu Hause oder an Unternehmensstandorten an.
«Als Mobilitätsanbieter müssen wir dort sein, wo unsere Kunden tatsächlich Energie brauchen – an den Tankstellen, auf den Strassen, bei der Arbeit und zu Hause.»
Wie schätzen Sie das Bedürfnis nach mehr Schnellladestationen ein?
Schnelladestationen machen dort Sinn, wo es zügig gehen soll, weil man in der Zwischenzeit nur kurz im Shop einkaufen geht. An unseren Tankstellen bieten wir darum Schnelladepunkte an. Lässt man das Auto längere Zeit oder über Nacht stehen, reicht auch ein normaler Ladepunkt aus.
Verändern sich durch die neuen Ladeinfrastrukturen und die Ladezeiten auch die Ansprüche an die Tankstellenshops?
Erst vor kurzem haben wir den Umbau all unserer Tankstellenshops abgeschlossen. Während das Auto lädt, können Kundinnen und Kunden im Shop in Ruhe einen Kaffee geniessen oder ihre Einkäufe tätigen. Unsere Shops decken mit ihrem Angebot viele Bedürfnisse ab.
Ist es das Ziel, in allen Segmenten, also auf der Strasse, auf Einzelhandelsflächen und Mobilitätsstationen Marktführer beim Laden zu werden?
Auf globaler Ebene ist es unser Ziel, in Zukunft auch im Bereich der Ladedienste für Elektrofahrzeuge führend zu sein, wie wir dies heute im Mobilitätseinzelhandel sind.
Wie wird sich die Elektromobilität auf das Flottengeschäft auswirken?
Die Elektromobilität hat einen sehr wesentlichen Einfluss auf das Flottengeschäft. Viele Firmen haben CO2 Vorgaben zu erfüllen und möchten auch aus Reputationsgründen einen Wechsel vollziehen.
Der Markt ist gegenwärtig noch sehr unsicher, da nur wenig Referenzwerte vorhanden sind. Das Managen des Fuhrparks wird herausfordender für Flottenmanager, da sich nebst den Gesamtkosten (TCO) auch der Bedarf ändert. Ich denke z.B. an die Installation einer Wallbox oder an den Rückvergütungsprozess der Strombezüge. Zuletzt ändert sich auch das Fahrverhalten und die Routenplanung durch den Wechsel auf die Elektrobetrankung.
App-basierte Lösungen wie wir sie anbieten werden unserer Meinung nach noch beliebter. Hier leistet unser Team Hilfe, wenn es um Fragen der Dekarbonisierung und Elektrifizierung unserer B2B Flottenkunden geht.
«Auf globaler Ebene ist es unser Ziel, in Zukunft auch im Bereich der Ladedienste für Elektrofahrzeuge führend zu sein, wie wir dies heute im Mobilitätseinzelhandel sind.»
Inwieweit ist Shell in das Thema Energiemanagement involviert? Bei einer Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen im tiefen einstelligen Prozentbereich ist es noch nicht so wichtig – aber was ist, wenn 80 Prozent der Fahrzeuge elektrisch betrieben werden?
Tatsächlich ist Shell im Schweizer Strommarkt nicht aktiv. Inwiefern sich dieser öffnet, wird die Zukunft zeigen.
Was bedeutet die Übernahme für Shell im Hinblick auf das Ziel, bis 2050 ein Energieunternehmen mit Netto-Null-Emissionen zu werden?
Der Ausbau eines breiten Ladeangebotes für Elektrofahrzeuge ist ein Baustein für dieses Ziel. Dafür wurden auch schon früh die Weichen gestellt. 2017 hat das Unternehmen NewMotion, den damals grössten europäischen Ladeanbieter Europas gekauft, der mittlerweile in Shell Recharge Solutions umbenannt wurde. 2019 hat Shell begonnen, Shell Recharge Schnellladesäulen auf Shell Tankstellen zu bauen. Die erste Shell Recharge Schnelladesäule in der Schweiz ist seit Ende 2022 in Oftringen in Betrieb.
Herr Haybat, besten Dank für das Interview.