Heinz Karrer, CEO Axpo Holding.
Von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Karrer, der Axpo gehören die Kernkraftwerke Beznau I und II und sie ist an den KKW Gösgen und Leibstadt beteiligt. Ausserdem ist sie zusammen mit Alpiq und BKW Teil der Planungsgesellschaft für zwei neue KKW in der Schweiz. Was ist Ihnen zuerst durch den Kopf gegangen, als Sie von den Nuklearunfällen in Japan gehört haben?
Heinz Karrer: Zuallererst gab es ja die Schreckensmeldungen über das Erdbeben und den Tsunami mit einem noch immer nicht zu erfassenden Schadensausmass. Ich war schockiert und tief betroffen. Als dann die Meldungen über die Probleme mit den Kernkraftwerken vor Ort eintrafen, war mir sofort klar: Diese Katastrophe wird auch Auswirkungen auf die Schweiz haben.
Bundesrätin Doris Leuthard hat die Rahmenbewilligungsgesuche für neue AKW in der Schweiz sistiert. Wie beurteilen Sie den Entscheid?
Ich unterstütze diesen Entscheid voll und ganz. Solange die genauen Fakten über den nuklearen Unfall in Japan und vor allem auch die Gründe für das Versagen der Systeme nicht bekannt sind, kann der Prozess der Rahmenbewilligungsgesuche nicht fortgesetzt werden.
«Ich war schockiert und tief betroffen.»
Heinz Karrer, CEO Axpo Holding
Welche zeitlichen Verzögerungen erwarten Sie?
Dies hängt mit der weiteren Entwicklung in Japan und den daraus zu ziehenden Erkenntnissen und Lehren zusammen und ist mit dem heutigen Kenntnisstand schwer abzuschätzen.
Die Klärung des Erdbebenrisikos war auch Teil der angesprochenen Rahmenbewilligungsgesuche für neue KKW an den möglichen Standorten Gösgen, Mühleberg und Beznau. Welche seismischen Erkenntnisse und Berechnungen wurden dabei berücksichtigt?
Die Schweizer Kernkraftwerke sind für die in der Schweiz zu erwartenden Erdbeben ausgelegt und werden von den nationalen Behörden permanent überwacht. Auch allfällige neue KKW unterliegen diesen Anforderungen. Angesichts der Katastrophe in Japan wird man nun aber auch die Schweizer Regelungen neu beurteilen müssen. Alles andere wäre unverantwortlich. Axpo hat eine Task Force gebildet, die aktiv Informationen aus Japan beschafft und auf Relevanz für die sich im Betrieb befindlichen Schweizer KKW überprüft.
Axpo, Alpiq und BKW ist es im Zusammenhang mit möglichen neuen KKW gelungen, die Themen Versorgungssicherheit und „grüner Strom“ in den Vordergrund zu rücken. Mit den Ereignissen in Japan ist das Hauptthema von Öffentlichkeit und Politik nun die Sicherheit. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass der Widerstand gegen die neuen KKW zunehmen wird. Könnte sich der „Spiegel“-Titel dieser Woche in der Schweiz bewahrheiten: „Fukushima, 12. März 2011, 15.36 Uhr – Das Ende des Atomzeitalters“?
Fest steht, dass die Debatte über die Atomkraft durch die Geschehnisse in Japan eine neue Dimension erhalten hat. Ob dies das Ende dieser Technologie bedeutet, bleibt abzuwarten. Das Thema Versorgungssicherheit wird nun aber so oder so noch mehr an Bedeutung gewinnen.
«Fest steht, dass die Debatte über die Atomkraft durch die Geschehnisse in Japan eine neue Dimension erhalten hat. Ob dies das Ende dieser Technologie bedeutet, bleibt abzuwarten.»
Kommen wir auf die erneuerbaren Energien zu sprechen, bei denen Axpo schweizweit die grösste Produzentin ist. Auf dem Dach der geplanten Umwelt Arena in Spreitenbach wird Axpo die grösste in ein Gebäude integrierte Photovolatikanlage der Schweiz bauen. Was zeichnet dieses Projekt aus?
Das Solardach der Umwelt Arena in Spreitenbach ist die grösste in ein Gebäude integrierte Photovoltaik-Anlage der Schweiz. Axpo will mit diesem Projekt zusammen mit Greenpeace jungen Menschen, in diesem Fall Lernenden der Axpo, mit einem sinnvollen praktischen Einsatz Grundwissen über Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien vermitteln.
Bei der Umsetzung arbeitet Axpo mit der Umweltorganisation Greenpeace zusammen. Wie kam es zu der Zusammenarbeit und könnte diese ein Zeichen für die Zukunft sein?
Axpo bekennt sich zu einem offenen Energiedialog und steht mit Greenpeace in einem permanenten Meinungsaustausch zu Fragen der aktuellen und künftigen Stromversorgung der Schweiz.
Axpo investiert Milliarden in die Wasserkraft. Welches sind die wichtigsten Projekte?
Das mit Abstand grösste Vorhaben ist das Projekt Linthal 2015 im Kanton Glarus, wo wir zusammen mit dem Kanton Glarus über 2 Mrd. CHF investieren. Zentrales Element des Ausbaus ist ein neues Pumpspeicherwerk mit einer Leistung von 1000 Megawatt, das 2015/16 ans Netz gehen soll. Nebst weiteren Neubauprojekten kleinerer Dimension werden zudem bei bestehenden Wasserkraftwerken Erneuerungen mit Leistungssteigerungen vorgenommen.
Für den Ausbau erneuerbarer Energien wollen Sie auch Geothermie nutzen. Wie engagiert sich Axpo in diesem Bereich?
Wir sind vom Potenzial der Geothermie überzeugt und bauen in unserem Unternehmen ein eigenes Kompetenzzentrum Geothermie auf. Wir planen, langfristig eigene Geothermie-Kraftwerke an geeigneten Standorten in der Schweiz zu betreiben. Zudem haben wir uns an einem fortgeschrittenen Projekt in Taufkirchen (De) beteiligt, um möglichst schnell auch praktische Erfahrungen zu sammeln.
«Wir planen, langfristig eigene Geothermie-Kraftwerke an geeigneten Standorten in der Schweiz zu betreiben.»
Die Axpo-Tochtergesellschaft Centralschweizerische Kraftwerke AG ihrerseits plant in der Standortgemeinde Entlebuch den Bau der ersten Windkraftanlage in ihrem Versorgungsgebiet. Welches Potenzial sehen Sie bei der Windkraft in der Schweiz und wie gross sind die Axpo-Investitionen in ausländische Windparks?
Im Rahmen unserer Studie Stromperspektiven 2020 haben wir die technischen Potenziale der diversen neuen Energien in der Schweiz geprüft und dabei für die Windkraft einen Wert von rund 4 TWh pro Jahr ermittelt (1 Terawattstunde = 1Mrd. Kilowattstunden). Dies ist wie erwähnt das technische Potenzial, allfällige mindernde Einflüsse wie politische und Schutz-Interessen (Landschafts-, Vogelschutz) sind dabei nicht berücksichtigt.
Die Axpo Konzerngesellschaft EGL hat 2010 einen 46%-Anteil am Windpark La Peñuca in Spanien und damit Anrecht auf 15 MW Leistung erworben. Die EGL hält auch 24,1% an der Global Tech I Offshore Wind GmbH, die den Bau des Windparks Global Tech I mit einer Gesamtleistung von 400 MW an der norddeutschen Küste plant. Weiter plant die EGL über ihre Projektgesellschaft Winbis den Bau eines Windparks mit einer Kapazität von rund 66 MW in Italien. Über ihre 51,6%-Beteiligung an der schwedischen HS Kraft AB, einem Entwickler von Windkraftprojekten, hat EGL überdies Zugang zu einer Pipeline von rund 20 Projekten in Südschweden.
Axpo-Kunden haben im vergangenen Jahr 4,3 % mehr Strom bezogen. Das Unternehmensergebnis ging hingegen um 28 % oder 159 Mio. Franken zurück. Was sind die Gründe für das Ergebnis und von welcher Entwicklung gehen Sie im laufenden Jahr aus?
Ergebnis belastend haben sich insbesondere Projektausstiegskosten (Gaskraftwerk in Italien), regulatorische Entscheide im Inland, ein Margen-Rückgang im internationalen Grosshandel sowie der schwache Euro ausgewirkt. Für das laufende Jahr erwarten wir ein moderates Wirtschaftswachstum, gehen aber von einem weiterhin schwachen Euro aus. Zudem bleibt das regulatorische Umfeld von Unsicherheiten geprägt. Das Geschäftsjahr 2010/11 bleibt für Axpo sehr anspruchsvoll.
Wie schätzen Sie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Führungsnachwuchses ein?
Grundsätzlich sehr gut. Positiv gewertet werden darf das Ausbildungsniveau, die Möglichkeit, den ökonomischen Umgang mit Ressourcen zu kennen sowie der Umgang mit verschiedenen Kulturen.
Wie wichtig ist Diversity für Ihr Unternehmen und welche Massnahmen sind in Ihrem Unternehmen zum Thema geplant oder schon umgesetzt?
Diversity spielt als Instrument zur optimalen Teambildung eine wichtige Rolle. Dennoch wäre es wenig zielführend, Diversity in den Mittelpunkt zu stellen. Viel mehr zählen die Aus- und Weiterbildungen sowie die Erfahrungswerte, welche Mitarbeitende mitbringen sowie die Sozialkompetenz, die für den Umgang in einer grösseren Organisation benötigt wird. Axpo setzt Diversity als Instrument nicht aktiv mit definierten Vorgaben ein, wendet sie aber fallweise an, um Teams optimal zu strukturieren.
Herr Karrer, herzlichen Dank für das Interview.
Zur Person:
Heinz Karrer ist seit 2002 Chief Executive Officer (CEO) der Axpo Holding AG. Bis zum 30. September 2007 war er gleichzeitig CEO der Axpo AG (damals NOK). Von 1998 bis 2002 war Heinz Karrer als Mitglied der Konzernleitung der Swisscom AG für die Division Marketing+Sales verantwortlich. Davor war er Leiter von Ringier Schweiz und Mitglied der Ringier AG Konzernleitung sowie Geschäftsleiter und Verwaltungsratsdelegierter der Intersport Holding AG.
Heinz Karrer ist Mitglied in den Aufsichtsgremien folgender Gesellschaften des Axpo Konzerns: Axpo AG (Präsident), Centralschweizerische Kraftwerke AG (Präsident), EGL AG (Präsident). Weiter amtet er als Verwaltungsrat der Kuoni Reisen Holding AG, Resun AG und Swissgrid AG. Zudem ist er Vorstandsmitglied von economiesuisse und Präsident der swisselectric. Heinz Karrer hat eine Ausbildung als dipl. Kaufmann.
Zum Unternehmen:
Der Axpo Konzern mit der Axpo AG Centralschweizerische Kraftwerke AG (CKW) sowie der EGL AG ist ein führendes Schweizer Energieunternehmen mit lokaler Verankerung und internationaler Ausrichtung.
Axpo hat das Ziel, eine sichere Versorgung mit umweltverträglich produziertem Strom zu günstigen Preisen zu gewährleisten. Dafür ist sie entlang der gesamten Wertschöpfungskette tätig: in der Stromproduktion, Stromübertragung, Stromverteilung und im Stromhandel. Ihr Strommix aus Kernenergie, Wasserkraft und neuen Energien ist nicht nur wirtschaftlich, sondern auch nahezu CO2-frei und damit klimafreundlich.
Der Axpo Konzern beschäftigt über 4000 Mitarbeitende und versorgt zusammen mit Partnern rund 3 Mio. Menschen in der Schweiz mit Strom. Die Axpo Holding AG mit Sitz in Baden ist zu 100% im Eigentum der Nordostschweizer Kantone.
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