Heinz Loosli, CEO Feintool, im Interview
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Loosli, Sie übergeben heute Ihr Amt Ihrem Nachfolger Bruno Malinek nach einem hervorragenden Halbjahr für Feintool. Der Umsatz stieg um gut 14%, der EBIT markant um 46% und der Reingewinn sogar um knapp 88%. EBIT- und die EBITDA-Margen erreichten Rekordwerte. Welches waren die Treiber des ausgezeichneten Resultats?
Heinz Loosli: Das wichtigste Element ist ohne Zweifel dies, dass es mir als erstem CEO nach dem Börsengang 1998 ermöglicht war, eine festgelegte Strategie über einen Zeitraum von sieben Jahren konsequent zu verfolgen und umzusetzen. Inhaltlich war es im Wesentlichen die Fokussierung auf unser Kerngeschäft und die Identifizierung unserer Ausrichtung auf erfolgsversprechende Wachstumsfelder. Zur erfolgreichen Umsetzung unserer strategischen Projekte beigetragen haben eine hohe Stabilität innerhalb unseres Managements und eine von Vertrauen geprägte Unternehmenskultur.
Selbstverständlich gab es auch Unterstützung durch ein insgesamt gutes, globales wirtschaftliches Umfeld. Klar, die mehrmalige Aufwertung des Schweizer Frankens in diesen sieben Jahren hat uns bezüglich Erreichung der quantitativen Ziele in Summe ein gutes Jahr gekostet. Wir haben dies jedoch regelmässig auch als Chance gesehen, uns noch weiter zu verbessern. Das beste Halbjahresergebnis in der 57 jährigen Firmengeschichte nach der erneuten Aufwertung des Frankens im letzten Jahr betätigt die alte Weisheit: „Was uns nicht umbringt macht uns stärker“.
Welchen Anteil am erfolgreichen Abschneiden hatte die Neuausrichtung der Schweizer Werke, wo vor allem Arbeiten mit hoher Automatisierung oder Spezialisierung ausgeführt werden?
Im Schweizer Produktionswerk hat sich das Ergebnis zum Vorjahr um rund CHF 1.2 Mio. verbessert. Durch die mit der Verlagerung verbunden Aufwände in gleicher Grössenordnung an unseren neuen Standort im deutschen Oelsnitz, hat das gesamte Projekt zum Halbjahr noch keinen positiven Anteil zum Erfolg erbracht. Die Neuausrichtung ist jedoch auch erst auf Ende 2016 abgeschlossen.
«Es mir als erstem CEO nach dem Börsengang 1998 ermöglicht, eine festgelegte Strategie über einen Zeitraum von sieben Jahren konsequent zu verfolgen und umzusetzen.»
Heinz Loosli, CEO Feintool
Das Segment Fineblanking Technology bietet technologische Gesamtlösungen für das Feinschneiden an und trägt rund 13 Prozent zum Gruppenumsatz bei. Wie hat sich das Investitionsgütergeschäft entwickelt?
Das Segment hat seine Kunden primär im Umfeld familiengeführter KMU. Bei diesen macht sich nach wie vor eine grosse Zurückhaltung bei Neuinvestitionen bemerkbar. Dennoch hat sich im Vergleich zum ausgesprochen schwachen Vorjahr die Situation etwas verbessert. Vor allem im Kundendienst konnten wir den Wachstumskurs der letzten Jahre erfolgreich fortsetzen.
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung des Bereichs?
Der Bereich wird auch in Zukunft eine höhere Volatilität als unser Komponentengeschäft aufweisen. Mit einer innovativen Produktepipeline und vor allem unseren neuen Internet und Industrie 4.0 basierten Serviceleistungen erwarten wir in den kommenden Jahre mehr Stabilität und Wachstum.
Das grössere Segment System Parts erreichte ein währungsbereinigtes Umsatzplus von 9,2% in den ersten sechs Monaten des Jahres. In welchen Regionen verlief das Geschäft am dynamischsten?
Die Antwort mag im ersten Moment überraschen. Europa ist mit 20.4% am schnellsten gewachsen. Dies hängt mit dem Erfolg und dem Hochlaufen mehrerer in den letzten Jahren akquirierter Programme zusammen.
Wie hat sich das Teilegeschäft im schwierigen konjunkturellen Umfeld Chinas entwickelt?
Wir befinden uns in China noch immer in einer Phase, in der die gewonnen Projekte sich zu einem grossen Teil erst im Anlauf oder Hochlauf befinden. Die Konjunktur hat in dieser Phase eine untergeordnete Bedeutung. Erfreulich ist, dass wir jetzt die Schwelle zu einem positiven EBIT überschritten haben.
«Themen wie selbstfahrende Fahrzeuge und auch die Elektromobilität sind bei uns auf dem Radar. Die Technologien sind jedoch noch immer in einer sehr frühen Phase der Entwicklung.»
Für die nächsten Jahre ist ein weiterer Anstieg des Automobil-Absatzes prognostiziert. Die Aussichten für Feintool sind also gut. Wo sehen Sie auf der anderen Seite die grössten Herausforderungen für Ihr Geschäft?
Regulatorische Eingriffe, technologische Veränderungen und die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen geopolitischen Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen und daraus als Firma frühzeitig die richtigen Schlüsse und Handlungen abzuleiten, darin sehe ich auch in Zukunft die grösste Herausforderung.
Wie reagiert Feintool auf wichtige Themen in der Automobilindustrie wie Energieeffizienz, Modularität oder möglicherweise sogar selbstfahrende Fahrzeuge?
Von ersten beiden genannten Themenfeldern profitiert Feintool bereits heute. Sie gehören zu den im Rahmen der Strategie eingangs erwähnten, identifizierten Wachstumsfeldern auf die wir uns in unseren Aktivitäten in den letzten Jahren erfolgreich ausgerichtet haben. Themen wie selbstfahrende Fahrzeuge und auch die Elektromobilität sind bei uns auf dem Radar. Die Technologien sind jedoch noch immer in einer sehr frühen Phase der Entwicklung. Der zeitliche Verlauf und Erfolg ist noch nicht abschätzbar.
Welchen Stellenwert geniesst in diesem Zusammenhang die Entwicklungs- und Innovationstätigkeit von Feintool?
Den hohen Stellenwert von Innovation haben wir in unserer Strategie dadurch unterstrichen, dass wir uns zum Ziel gesetzt haben, alle zwei Jahre mit einer bedeutenden Neuentwicklung auf den Markt zu kommen. Die ist uns bis jetzt gelungen und dürfte sich aufgrund der erfolgversprechenden laufenden Entwicklungen auch in den kommenden Jahren fortsetzen. Dazu messen wir die Innovationsleistung nicht nur anhand der jährlich zur Anmeldung gelangenden Patente, sondern auch mit dem Erfassen des Umsatzanteils welchen wir mit Produkten jünger als fünf Jahre, erzielen.
Die Messlatte ist im 1. Halbjahr hoch gesetzt worden. Was steht für Sie in der zweiten Jahreshälfte im Mittelpunkt?
Wir erwarten für die zweite Jahreshälfte eine Fortsetzung der positiven Geschäftsentwicklung, weshalb wir unter Annahme unveränderter Wechselkursrelationen unsere Guidance erhöht haben. Wir gehen von einem Umsatzwachstum von 10% und einer EBIT-Marge von 7.5% aus.
«Für mich persönlich ist wichtig, dass sich die Firma heute in jeder Beziehung in einem wesentlich besseren und robusteren Zustand befindet als bei meinem Antritt.»
Sie geben Ihr Amt am morgigen 1. September ab. Es ist vorgesehen, dass Sie 2017 zur Wahl in den Verwaltungsrat vorgeschlagen werden. Welche Bilanz ziehen Sie nach sieben Jahren an der Spitze des Unternehmens?
Für mich persönlich ist wichtig, dass sich die Firma heute in jeder Beziehung in einem wesentlich besseren und robusteren Zustand befindet als bei meinem Antritt. Wir konnten die Marktstellung in allen wichtigen Märkten festigen und ausbauen. Feintool verfügt weltweit über einen hervorragenden Ruf und in unseren Fabriken steht der vermutlich modernste Maschinenpark in der Brache. Die Bilanz ist gesund und die Finanzierung derart abgesichert, dass Feintool durchaus in der Lage ist, auch in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld die angeschobenen Wachstumsprojekte fortzuführen.
Herr Loosli, wir bedanken uns für das Interview und wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute.
Zur Person:
CEO der Feintool-Gruppe sowie Leiter des Segments Feintool System Parts. (bis 31.08.2016)
Ausbildung:
Dipl. El.-Ing. HTL, eidg. dipl. Verkaufsleiter und Stanford Executive Program (SEP).
Beruflicher Hintergrund:
1978–1994 H. A. Schlatter AG: Verkaufsleiter (1978–1984) Länderverantwortlicher für China (1985–1988) Leiter des Profitcenters «Automation» (1988–1994)
1994–1996 Ascom Autelca AG: Leiter der Division «Ticketing»
Seit 1996 bei der Feintool-Gruppe, zunächst als Leiter des Bereiches Pressen und Anlagen der Feintool AG Lyss und später des Bereiches Feintool System Parts. Seit 1. Oktober 2009 CEO der Feintool-Gruppe.
Zum Unternehmen:
Das 1959 gegründete Technologieunternehmen ist weltweit führend in der Entwicklung von Feinschneidanlagen sowie in der Produktion einbaufertiger Feinschneid- und Umformkomponenten für anspruchsvolle Industrien, insbesondere für die Automobilbranche. Mit seinen Kunden pflegt Feintool über den gesamten Prozess des Feinschneidens eine enge Partnerschaft – vom Komponentendesign und der Werkzeugkonstruktion über den Anlagenbau bis hin zur Teilefertigung in Grossserie. Die Kombination von Feinschneiden mit spanlosem Umformen macht Feintool zum einzigen Komplettanbieter für die wirtschaftliche Herstellung komplexer Präzisionskomponenten in hohen Stückzahlen. Die eingesetzten Verfahren unterstützen die Trends der Automobilindustrie zu leichteren Fahrzeugen, verbesserten Getrieben und zu Modulvarianten. Als Innovationstreiber erweitert Feintool die Grenzen des Feinschneidens laufend.
Mit Standorten in Europa, Japan, China und den USA ist Feintool in den wichtigsten Automobilmärkten der Welt vertreten. Das Unternehmen mit Hauptsitz im Schweizerischen Lyss und einem Umsatz von rund einer halben Milliarde Schweizer Franken beschäftigt 2.200 Mitarbeitende. An seinen Standorten bildet Feintool rund 60 junge Menschen unter anderem zu Werkzeugmechanikern, Konstrukteuren und Mechatronikern aus und stellt so den eigenen Fachkräftenachwuchs sicher.