Hendrik Lang, CEO Finnova AG, im Interview

Hendrik Lang, CEO Finnova AG, im Interview
Hendrik Lang, CEO, Finnova AG (Foto: Finnova AG)

Interview von Karin Bosshard

Moneycab.com: Die Bankenwelt hat sich drastisch verändert. Viele neue Anforderungen haben die Komplexität massiv erhöht. Macht Ihnen das als CEO noch Spass?

Hendrik Lang: Die Bankenwelt musste sich immer wieder neu definieren, zuletzt seit der Finanzkrise vor über 10 Jahren. Im aktuellen Umfeld die Rolle als CEO einer «Brückenbauerfirma» zwischen Banking und IT zu übernehmen, ist für mich persönlich geprägt durch eine spannende Vielschichtigkeit. Das Identifizieren der wesentlichen Herausforderungen unserer Kunden und von Finnova und die Definition sowie die Umsetzung entsprechender Strategien fordert jeden Tag aufs Neue. Dies kombiniert mit dem täglichen Kundenkontakt, dem Austausch mit unseren talentierten Mitarbeitenden, der Zusammenarbeit mit unseren Partnern und vielem mehr führt zu einer sehr erfüllenden Tätigkeit.

«Die Rolle als CEO einer «Brückenbauerfirma» zwischen Banking und IT, ist für mich persönlich geprägt durch eine spannende Vielschichtigkeit.» Hendrik Lang, CEO, Finnova AG

Wie gehen Sie als Unternehmen mit diesen gestiegenen Anforderungen um?

Das Tempo ist neu, nicht die steigenden Anforderungen. Time-to-Market hat substanziell an Bedeutung gewonnen und ein Unternehmen wie Finnova muss sehr flexibel und agil sein. Dazu haben wir vor drei Jahren agile Prinzipien eingeführt und heute einen hohen Maturitätsgrad erreicht. Dies ermöglicht uns immer spürbarer, schnell und effektiv zu agieren auf die Bedürfnisse von Kunden. Der Wandel führt uns auch weg von einer Standardsoftware im Sinne «one size fits all» hin zu individuellen Lösungen, untermauert durch «Open Banking». Darauf richten wir uns aus. Wir agieren heute verstärkt in einem Ecosystem und entwickeln bei Bedarf zusammen mit Partnern und Drittanbietern massgeschneiderte Lösungen. Dies wie auch die Öffnung der Finnova Banking Software bieten dem Kunden ganz neue Möglichkeiten.

Fehlt irgendetwas in Ihrem Portfolio?

Uns fehlt grundsätzlich nichts im Portfolio. Erfolgreiche Geschäftsmodelle im Banking werden in Zukunft mehr denn je durch den intelligenten Einsatz von Technologie bestimmt. Wir bieten unseren Kunden in einem anspruchsvollen Umfeld effiziente und zugleich innovative Lösungen und ermöglichen somit «Smarter Banking». Mit unseren Produkt-Suiten decken wir die Bereiche «Client Engagement», «Management & Analytics» sowie das «Core Banking» ab. Wir bieten ein Business Process Framework, Orchestrierung und Integration als Teil unserer «Open Platform», die gerade pilotiert wird. Wir haben eine stark wachsende Serviceeinheit für Consulting und Integration, bieten die Möglichkeit mittels «Individual Orders» Produkte zu individualisieren, ganz egal ob von uns oder mit unserem Ecosystem, das bereits aus 80 Partnerfirmen besteht. Wir decken so ein Leistungsportfolio ab, welches für unterschiedlichste Bedürfnisse passt.

Sie arbeiten an der Finnova-Strategie 2025. Dann wird Finnova «womöglich ein ganz anderes Unternehmen als heute sein». Was können Sie konkreter dazu sagen?

Wie Sie sagen, wir arbeiten gerade daran und im Sommer werde ich konkret berichten können. Finnova muss sich – wie auch die Finanzindustrie – kontinuierlich transformieren. Die Stossrichtung habe ich bereits erläutert. Wichtige Bausteine sind beispielsweise die Öffnung der Finnova Banking Software. Cloud ist ein weiterer Baustein – unsere Test- & Entwicklungsumgebung ist bereits seit zwei Jahren Cloud-basiert, neu haben wir aber auch SaaS-Angebote für unsere Kunden im Lösungsportfolio. Dabei setzen wir als «Swiss-Player» auf Rechenzentren von Schweizerischen Partnern.

«Wir können heute auch bereits Kryptowährungen in der Finnova Banking Software abbilden und Digital Vaults sind bald integrierbar»

Mittels SaaS sind wir in der Lage, Finanzinstituten auch im weiteren Sinne Teile unseres Leistungsportfolios anzubieten und haben Ende letzten Jahres in diesem Segment unseren ersten Kunden, ein auf Vorsorgelösungen spezialisiertes Unternehmen, gewinnen können. Mit unserem Fokus auf die Bedürfnisse von Kunden in der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein (FL) erweitern wir kontinuierlich unser Leistungsportfolio für das Privatbanken-Segment, in dem viel Bewegung ist. Bei unseren Aktionären msg-systems und Swisscom können wir auf Blockchain Know-How zugreifen. Wir können heute auch bereits Kryptowährungen in der Finnova Banking Software abbilden und Digital Vaults sind bald integrierbar. Wir sehen zudem Wachstum im Bereich Analytics.

Es tut sich also einiges bei Finnova und dies bringen wir nun zu einer konsistentesten, aber immer anpassungsfähigen Strategie zusammen. Mit dem Wandel wird sich die Firma ganz sicher weiter entwickeln und anders aussehen. Es wird aber auch Kontinuität geben – die Nähe zum Kunden, das Bekenntnis zum Schweizer / FL Marktplatz, die Freude an Innovation, aber auch der sichere Betrieb unserer Lösungen.

Welche Bedeutung wird künstliche Intelligenz (KI) für das Portfolio von Finnova haben?

Sie stellen die Frage in der Zukunftsform. KI hat jedoch bereits Einzug in unser Portfolio genommen. Mit dem «Finnova Analytical Framework» haben wir bereits eine sehr mächtige und vielfältig einsetzbare Analytics Lösung, die nicht nur real-time Analysen ermöglicht, sondern auch «self-learning» appliziert. Mögliche Anwendungsfälle im Banking sind vielfältig, sei es zum Beispiel für Betrugsprävention, Geldwäschebekämpfung oder Vertriebsoptimierung.  Mit diesem Framework haben wir bereits im Jahr 2016 den Banking-IT Innovation Award gewonnen.

Was halten Sie persönlich von künstlicher Intelligenz?

KI ist ein Trend, der stark im Kommen ist und sehr viele Einsatzmöglichkeiten hat. Das Thema gewinnt an strategischer Relevanz bei den Banken, welche die vielfältigen Möglichkeiten und deren Einfluss auf ihre Geschäftsmodelle erkennen. In vielen Bereichen wird KI helfen, Entscheide zu fällen und Aktionen auszulösen ohne menschliche Intervention. Es wird aber auch Bereiche geben, in denen KI unterstützend wirkt, aber der Mensch – z.B. der Kundenberater – dennoch nach seiner Meinung befragt oder selber agieren muss. Ich halte KI für einen ganz bedeutenden Trend. Daher ist dies auch ein strategischer Bereich bei Finnova.

«Ich halte KI für einen ganz bedeutenden Trend. Daher ist dies auch ein strategischer Bereich bei Finnova.»

Automatisierung, Digitalisierung und Regulation gehören aktuell zu den Top3-Herausforderungen der Finanzinstitute. Ihre Sichtweise dazu?

Diese drei Trends begleiten uns de facto schon seit vielen Jahren und werden auch weiterhin aktuell bleiben. Regulation bereitet nicht nur Freude im täglichen Geschäft, aber es braucht sie im Banking. Automatisierung hilft den Banken, Effizienz zu steigern und Kosten zu reduzieren. Sie ermöglicht es auch, dass Kundenberater sich mehr auf die Betreuung der Kunden fokussieren können. Dabei spielt auch die Digitalisierung eine wichtige Rolle, indem Prozesse automatisiert werden und wie im Beispiel Self-Onboarding gewisse Aufgaben an den Kunden delegiert werden, der diese dafür jederzeit und von überall ausüben kann. Die Digitalisierung hat aber auch starken Einfluss auf die Geschäftsmodelle der Banken. Einerseits ist sie eine Bedrohung und reduziert die Margen, da beispielsweise neue Player einen Teil der Wertschöpfungskette der Bank abdecken und diesen unter Umständen Geschäft wegnimmt. Andererseits können sich die Banken die Digitalisierung aber auch zunutze machen und selbst neue Ertragsquellen etablieren.

Was steht bei den Universalbanken und was bei den Privatbanken im Vordergrund?

Regulation betrifft beide Segmente gleichermassen. Aufgrund der notwendigen Kosten, die nicht unbedingt skalieren, ist für kleinere Privatbanken die Umsetzung der Anforderungen teilweise etwas schmerzhafter als bei den Universalbanken. Automatisierung und Digitalisierung betrifft heutzutage auch beide Segmente, wobei die Privatbanken aufgrund ihres Geschäftsmodells teilweise etwas später oder weniger umfassend in diese Bereiche investiert haben als die Universalbanken, dafür aber mit anderen Schwerpunkten.

Die Verbesserung des Kundenerlebnisses durch die Digitalisierung des Beratungsprozesses wird oft beinahe schon mantramässig genannt. Stimmen Sie in diesen Kanon mit ein?

Die Digitalisierung des Beratungsprozesses führt neben mehr Effizienz auch zu einem besseren Kundenerlebnis. Damit meine ich aber nicht primär eine schönere Benutzeroberfläche, sondern vor allem auch die Möglichkeit, dass eine Bank mittels Orchestrierung der Daten ein durchgängiges und einheitliches Kundenerlebnis bieten kann.

«Neben mehr Effizienz führen digitalisierte Beratungsprozesses auch zu einem besseren Kundenerlebnis.»

Die Schweizer Banken stehen unbestritten wirtschaftlich unter starkem Druck. Liegt die Standardisierung der Prozesse immer noch im Fokus der Lösungssuche?

Ich würde sagen das gilt international. Die Standardisierung und vor allem end-to-end Digitalisierung der Prozesse ist sicherlich eine hohe Priorität der Banken. Entsprechend entwickelt auch Finnova neue Lösungen und wir werden z.B. für die Basisprozesse wie Kundeneröffnung, Produktverwaltung und viele Weitere einen modernen, digitalen Beraterarbeitsplatz dieses Jahr lancieren. Auch der wichtige Prozess der Kreditberatung wurde automatisiert und ist seit Ende 2018 bei der GLKB mit unserer neuen «Loan Advisory» im Betrieb. Wie aber gesagt, ist die Standardisierung der Prozesse nicht der alleinige Schlüssel zum Erfolg, entscheidender ist die Anpassung des Geschäftsmodells.

Fehlt den Banken eine Vision für das Geschäft in zehn Jahren?

Das kann man so pauschal nicht beantworten, da es grosse Unterschiede zwischen den Banken gibt. Es ist aber sicherlich schwieriger geworden in Zeiten des schnellen Wandels eine Vision für das Geschäft in 10 Jahren zu entwickeln. Die Banken haben ausserdem allein in den nächsten 3-4 Jahren eine grosse Pipeline an Projekten, die sicherlich bereits substanziellen Wandel für die Branche mit sich bringen. 

Zum Gesprächspartner
Hendrik Lang, dipl. Chemie-Ing. und dipl. Wirtschafts-Ing., ist seit 2015 Mitglied der Geschäftsleitung und seit dem 1. September 2018 CEO von Finnova. Er verfügt über 25 Jahre Beratungs- und Verkaufserfahrung vor allem in der Finanzindustrie, die er in Führungspositionen unter anderem bei Mitchell Madison Group, IBM und Oracle erworben hat. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Wädenswil.

Hendrik Lang bei Linkedin

Zum Unternehmen
Finnova, 1974 gegründet, ist ein führender Anbieter von Bankensoftware und -lösungen auf dem Finanzplatz Schweiz und Fürstentum Lichtenstein. Das Unternehmen beschäftigt über 400 Mitarbeitende am Hauptsitz in Lenzburg und an den Standorten Chur, Seewen und Nyon. Finnova pflegt die grösste Banking Community der Schweiz mit rund 80 Universal- und 20 Privatbanken sowie 80 Partnerfirmen. www.finnova.com

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