Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Frau Pu, weltweit sind fast 55% der Mitarbeitenden von Huawei in der Forschung und Entwicklung (F&E) tätig, 22% der gesamten Einnahmen werden in F&E investiert. Wie sieht es in der Schweiz aus, wo Huawei einen Forschungsstandort in Zürich hat, welches sind die Forschungs-Themenschwerpunkte in der Schweiz?
Lihua Pu: Ja, unsere Technologieführerschaft kommt in der Tat nicht von ungefähr: Huawei investiert weit über dem Marktdurchschnitt in Forschung und Entwicklung. 2021 waren es in absoluten Zahlen knapp 21 Mrd. Franken.
«In Zürich konzentrieren wir uns auf Basic Research und Erkenntnisgewinn im Bereich Future Computing. Huaweis Forschung auf diesem Gebiet ist mit einer langfristigen Perspektive der Kommerzialisierung entsprechender Technologien um mehrere Jahre voraus.» Lihua Pu, VP Public Affairs und Communications bei Huawei Technologies Schweiz
Huawei betreibt eine Reihe von Innovationszentren in Europa mit dem Ziel, an Grundlagenforschung auf höchstem Niveau zu arbeiten. Wir sind stolz, dass die Schweiz mit einem R&D-Center in Zürich mit dabei ist.
In Zürich konzentrieren wir uns auf Basic Research und Erkenntnisgewinn im Bereich Future Computing. Huaweis Forschung auf diesem Gebiet ist mit einer langfristigen Perspektive der Kommerzialisierung entsprechender Technologien um mehrere Jahre voraus. Diesen Vorsprung will Huawei mit einem kontinuierlichen Ausbau seines Forschungsstandorts halten und gar noch vergrössern.
Gerade IT-SpezialistInnen sind in der Schweiz überaus gefragt. Wie rekrutieren Sie genügend hoch qualifizierte Mitarbeitende, um das Wachstum in der Schweiz aufrecht zu erhalten?
Der Fachkräftemangel betrifft die gesamte Branche und somit natürlich auch uns. Immerhin sind 80 Prozent unserer mehr als 400 Mitarbeitenden hiesige Angestellte an den Standorten Dübendorf, Liebefeld und Lausanne. Wir sind natürlich präsent an allen einschlägigen Veranstaltungen, die die Schweizer Hochschulen für das «Matching» ihrer Absolventen und der Industrie durchführen.
Erfreulicherweise wird Huawei als guter Arbeitgeber wahrgenommen. Wir sind dreimal in Folge in zehn europäischen Ländern inklusive der Schweiz als «Top Employer» zertifiziert worden.
«Die Schweiz ist für uns ein sehr interessanter und wichtiger Markt. Im Carrierbusiness zählen wir alle grossen Schweizer Telekommunikationsbetreiber zu unseren Kunden.»
Aber wir engagieren uns mit verschiedensten Programmen und Initiativen in der Förderung von Nachwuchs und der Befähigung von digitalen Talenten. Etwa mit «Seeds for the Future», einem ECTS-kompatiblen Programm mit hohem Praxisbezug, das wir gemeinsam mit sieben Schweizer Fachhochschulen für angehende Wirtschaftsinformatiker, Informatikingenieure und Wirtschaftsingenieure entwickelt haben und jährlich durchführen.
Wir setzen sogar noch früher an. Den MINT-Fächern muss bereits in der Schule mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Daher beteiligen wir uns auch an Plattformen wie etwa dem MINT mobil unter dem Patronat des Kantons Bern. Und in diesem Jahr sind wir Hauptpartner für das NextGen-Programm an den Schweizer Digitaltagen, das in sieben Städten Workshops mit Schulklassen durchführt.
Sie leiten seit Mitte 2020 das Public-Affairs- und Kommunikationsteam in der Schweiz. Huawei ist seit bald 15 Jahren in der Schweiz tätig. Wie entwickelt sich die Schweiz im internationalen Vergleich, in welche Themen investiert Huawei hier mehr als in anderen Ländern?
Die Schweiz ist für uns ein sehr interessanter und wichtiger Markt. Im Carrierbusiness zählen wir alle grossen Schweizer Telekommunikationsbetreiber zu unseren Kunden.
Im Enterprise-Segment stützen wir uns auf ein wachsendes Netzwerk an Distributions-, Reseller- und Implementationspartnern, die sehr loyal zu uns stehen und ihr Geschäft mit uns Jahr für Jahr weiter ausbauen.
Um digitale Technologien fassbar zu machen, betreiben wir gemeinsam mit Sunrise ein Joint Innovation Center in Oerlikon, in dem wir reale 5G-Anwendungen wie auch Pilotprojekte von der «vernetzten» Kuh bis zum smarten Fussballstadion präsentieren.
Im CSR-Bereich haben wir in spezifische Schweizer Programme investiert: Gemeinsam mit verschiedenen Institutionen haben wir etwa MIND_BOOST entwickelt, ein Resilienz-Programm, das Jugendlichen in Umbruchphasen wie dem Übergang zur Lehre oder in den Beruf mental befähigt, der vernetzten und beschleunigten Welt gerecht zu werden.
Huawei ist in drei Bereichen tätig, die alle in der Schweiz ebenfalls eine wichtige Rolle spielen: Telekommunikations-Infrastruktur (Carrier), Unternehmens-IT (Enterprise) und Produkte für private Konsumenten (Consumer). Wie ist der Umsatzanteil dieser Bereiche, wo planen Sie das grösste Wachstum in den kommenden Jahren?
Konkrete Umsatzzahlen geben wir – wie auch unsere westliche Konkurrenz – nicht pro Land heraus.
Unser Business im Carrierbereich ist stabil – bei innovativen Technologien in diesem Bereich, etwa auch bei 5G, ist Huawei führend.
Im Enterprise-Geschäft waren wir ursprünglich als «Herausforderer» angetreten. Mittlerweile entwickelt sich dieser Bereich sehr erfreulich und hat durch die Turbodigitalisierung während Corona an Dynamik gewonnen. Dank unserer zügigen Lieferfähigkeit mit Huawei Fast Track Delivery von Komponenten innert zwei Wochen bietet Huawei den Partnern und Kunden derzeit einen unschätzbaren Mehrwert.
«Aufgrund der US-Sanktionen musste unser Unternehmen im vergangenen Jahr erstmals einen Umsatzrückgang verzeichnen.»
Jeder weiss, mit welchen Herausforderungen Huawei im Consumer-Business konfrontiert ist. Wir antworten darauf, indem wir permanent innovieren und den Rückgang im Umsatz mit Mobiltelefonen durch fünf Wachstumspfeiler kompensieren: Smart Office, Fitness & Gesundheit, Smart Home, Easy Travel und Entertainment.
Huawei wurde vom Technologie-Bann der USA hart getroffen, ebenso hat sich die Ausbreitung der 5G-Technologien nicht so schnell wie erwartet durchgesetzt. Wie hat sich das auf die Entwicklung in der Schweiz ausgewirkt, wie können die Ausfälle kompensiert werden?
Zwar musste aufgrund der US-Sanktionen unser Unternehmen im vergangenen Jahr erstmals einen Umsatzrückgang verzeichnen. Im Gegenzug konnten wir aber unsere Ertragskraft steigern, da wir uns auf die Förderung von Innovationen konzentriert haben, uns an den Umgang mit Unsicherheit gewöhnt haben und in der Lage waren, Cashflow zu generieren.
Als chinesisches Unternehmen wird Huawei immer wieder auch in politische Diskussionen verwickelt, aktuell wegen der Rolle im Krieg Russlands gegen die Ukraine. Dies belastet die zahlreichen Sponsoring-Aktivitäten Huaweis, in der Schweiz zum Beispiel bei den Berner Young Boys oder der Schweizer Ski-Nationalmannschaft. Wie gehen Sie damit um, wie unabhängig können Sie lokale Strategien umsetzen?
Ja, leider sind wir nun auch in der Schweiz politisch unter Druck geraten. Dabei können wir nicht oft genug betonen, dass wir zwar in China gegründet wurden, aber seit mehr als 20 Jahren als internationales Unternehmen in mehr als 170 Ländern tätig sind. Und überall halten wir uns an die entsprechenden Gesetze und Regulierungen, insbesondere im Schutz der Privatsphäre und der Daten. Da sind wir Musterschüler. Etwas anderes können wir uns gar nicht leisten. Wir legen unseren Kunden sogar unsere Quellcodes offen, um so transparent wie nur möglich zu sein.
Und wir sind ein unabhängiges privates Unternehmen, das über ein Employee Stock Ownership Program ausschliesslich den eigenen Mitarbeitenden gehört. Niemand kann eine Aktie an Huawei halten, ohne bei Huawei zu arbeiten.
«Wir können nicht oft genug betonen, dass wir zwar in China gegründet wurden, aber seit mehr als 20 Jahren als internationales Unternehmen in mehr als 170 Ländern tätig sind. Und überall halten wir uns an die entsprechenden Gesetze und Regulierungen, insbesondere im Schutz der Privatsphäre und der Daten.»
Es gibt bei uns keine globale Sponsoring-Strategie, allenfalls Leitlinien wie unsere TECH4All-Initiative zur Förderung von digitaler Bildung, Chancengleichheit und Inklusion. Unter diesem Dach ist jedes Land frei, die CSR- bzw. ESG-Aktivitäten auf die Gegebenheiten im Gastland zuzuschneiden.
Unsere Sport-Sponsorings sind teilweise mit Infrastrukturleistungen verbunden, mit denen wir – wie etwa im Swiss Bike Park – auch im Sport die Digitalisierung voranbringen. Wir wählen unsere Sponsorings sehr sorgfältig aus und achten darauf, dass wir und unsere Partner in unseren Werten und Zielen übereinstimmen.
In Krisen zeigt sich, dass Staaten sehr schnell dabei sind, sich Zugriff auf Technologien von Unternehmen und Daten ihrer BürgerInnen zu erzwingen. Wie kann in einem solchen Umfeld das Vertrauen der Menschen in die Digitalisierung gewonnen werden, welche sie tendenziell noch vulnerabler macht?
Sie sprechen Sicherheit, Datenschutz und Schutz der Privatsphäre an. Alles, was mit Cybersecurity zu tun hat, hat bei uns höchste Priorität. Ich glaube, dass Transparenz der Schlüssel zu mehr Vertrauen ist: Wie werden Produkte entwickelt, produziert, geliefert, betrieben und am Ende des Lebenszyklus entsorgt. Dazu bieten wir unseren Kunden aber auch der Politik und Medien einen tiefen Einblick in unsere Prozesse und Produkte und lassen uns auditieren und zertifizieren, wie es kaum ein anderer Konzern macht. Wobei immer wichtig ist zu betonen, dass wir nur die Hardware bereitstellen, aber selbst überhaupt keinen Zugang zu den Daten haben, die darüber ausgetauscht werden.
Im Übrigen verfolgen und empfehlen wir dediziert einen Zero-Trust-Ansatz. Es gibt keine per se vertrauenswürdigen Dienste, Anbieter, Anwender oder Geräte innerhalb oder ausserhalb eines Netzwerks. Nur was nach einheitlichen Standards geprüft, authentifiziert und autorisiert wurde, kann als sicher gelten.
Welche Technologien haben Ihrer Ansicht nach das Potential, das Leben der Menschen in den kommenden Jahren fundamental zu verändern?
Es ist nicht die eine Technologie der grosse Game Changer, sondern ihre Bündelung, die auf Basis von exzellenter Connectivity – im Mobilfunk wie im Festnetz – immenses Potential entfaltet.
Mir persönlich liegen alle Technologien am Herzen, die mehr Nachhaltigkeit für den Klimaschutz und für Energieeffizienz versprechen, denn das sind weltweit sehr grosse Herausforderungen für eine gesicherte Zukunft der nachfolgenden Generationen.
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen die aus?
Ich wünsche mir erstens, dass es uns allen gelingt, mehr Brücken zueinander zu bauen und wir den Dialog zwischen West und Ost nicht abreissen lassen. Dafür wäre es wünschenswert, oftmals weniger ideologisch an die Sachen heranzugehen.
Und ich würde mir wünschen, dass unsere Bestrebungen zu Transparenz, Vertrauensaufbau und einer konstruktiven Debatte wahrgenommen, respektiert und anerkannt werden. Insofern kann ich nur ein weiteres Mal aufrufen: Kommt bei uns vorbei, redet mit uns und macht Euch Euer eigenes Bild von uns.