von Patrick Gunti
Moneycab.com: Frau Augsburger, ich kenne kaum ein Kind, dass seine ersten Erfahrungen im Wasser nicht bei First Flow gemacht hat. Wie viele Kinder betreut H2O jährlich in seinen First Flow und Let’s Swim-Kursen?
Iris Augsburger: Genau, man trifft wirklich immer öfter Leute, die mit ihren Kindern First Flow oder Let’s Swim Kurse besuchen. Das freut mich immer sehr. Sogar mein Sohn, der aktuell die Polizeischule in Luzern besucht, hat einen Zimmernachbar, der mit seiner Tochter bei uns Kurse besucht. Wir betreuen mittlerweile an die 20’000 Babys und Kleinkinder pro Jahr. Und seit Corona steuern wir glücklicherweise auf einen neuen Rekord zu. Das ist wichtig, denn das Unternehmen wurde vom Lockdown hart getroffen. Die Fähigkeit, das Schwimmen zu lernen ist sehr wichtig und vermittelt Sicherheit.
«Wir betreuen mittlerweile an die 20’000 Babys und Kleinkinder pro Jahr. Und seit Corona steuern wir glücklicherweise auf einen neuen Rekord zu.»
Iris Augsburger, Gründerin, Inhaberin und VRP H2O Wasser erleben AG,
Welche Fähigkeiten begünstigt der frühe Kontakt mit dem Wasser darüber hinaus?
Durch den frühen Kontakt mit dem Wasser entwickeln die Kinder ein gutes Körperbewusstsein. Anstrengen, entspannen, schnell, langsam, untertauchen, reinspringen, gleiten, schwimmen … durch die vielfältigen Bewegungsimpulse lernt das Kind seinen Körper kennen und schafft so eine wichtige Basis für seine (zukünftige) motorische und koordinative Bewegungsentwicklung – und Fähigkeit. Weiter begünstigt der frühe Wasserkontakt – einerseits durch die Begleitung eines Elternteils und andererseits durch den Austausch mit Peer Groups – das Sozial- und Selbstvertrauen der kleinen Schwimmer enorm. Teilen, sich behaupten, gewinnen, vergleichen, abwägen, verlieren, Erfolge feiern, sich helfen lassen oder eine Übung alleine schaffen, all diese wichtigen Erfahrungen helfen dem Kind, ein gesundes Selbstvertrauen und hohe Sozialkompetenz zu entwickeln.
Sie haben für die Baby- und Kinderschwimmkurse eine eigene Methodik entwickelt. Welche Vorteile bietet die «Methode Augsburger»?
Die Methode Augsburger legt Wert darauf, dass die Kinder die Kurse in altershomogenen Gruppen (Peer Groups) besuchen können. Nur so ist gewährleistet, dass alle gleichermassen profitieren und weder unter- noch überfordert werden. Und auch diejenigen Kinder, die noch nicht sprechen können, «sprechen» mehr oder weniger die gleiche Sprache. Die Übungen sind alle so konzipiert, dass jedes Kind individuell lernen kann. Wer sich noch nicht traut, kann eine einfachere Übungsvariante auswählen, wer sich schon viel zutraut, versucht eine Steigerungsform. So wird es niemandem langweilig und alle Kinder können am Ende der Lektion Erfolgserlebnisse verzeichnen. Die Lektionen sind strukturiert und organisiert, sie laufen alle nach einem speziellen Ablauf ab. Dies gibt den Kindern Sicherheit.
Die Übungen sind zwar spielerisch aufgebaut, zielen aber alle darauf ab, das Kind kognitiv zu stärken, so dass es möglichst rasch schwimmen lernt. Durch die vielfältigen und kurzen Übungssequenzen lernt das Kind sehr rasch schwimmen. Bei der Methode Augsburger sind beispielsweise Rituale, Wiederholungen und der Einsatz von sinnvollem Schwimmmaterial von grosser Bedeutung, denn sie helfen dem Kind sich zu orientieren und seine Fortschritte selbst erkennen zu können.
«Die Übungen sind alle so konzipiert, dass jedes Kind individuell lernen kann. Wer sich noch nicht traut, kann eine einfachere Übungsvariante auswählen, wer sich schon viel zutraut, versucht eine Steigerungsform.»
Ihnen ist wichtig, dass die Kinder im «flow» sind, im Sinne von fliessen, rinnen, strömen. Wie schwierig ist ein solcher Zustand bei Babys und Kleinkindern zu erreichen?
Wenn die Wassertemperatur, der Lektionsinhalt und der Charakter der Kursleitung stimmt, dann ist es überhaupt nicht schwierig. Kinder brauchen nicht viel, um in den Flow zu kommen. Flow bedeutet, dass jemand losgelöst von Erwartungsdruck und -Zwang ganz in einer Tätigkeit aufgehen kann und dabei Zeit und Raum vergisst. Dies kann nur geschehen, wenn das Gleichgewicht zwischen Über- und Unterforderung sichergestellt ist. Wir legen in unseren Kursen sehr grossen Wert darauf, dass die kleinen Schwimmer immer genügend Zeit haben, vom Flow-Zustand zu profitieren. Befinden sich die Kinder im Flow-Zustand, erkennt man das beispielsweise daran, dass sie mit dem Wasser «eins sind» – sie lassen sich nicht ablenken, spitzen, plantschen, jauchzen, plappern untersuchen das Schwimmmaterial, lachen selbstvergessen und strahlen um die Wette.
Ein zentraler Aspekt der Methode ist der Montessori-Ansatz. Wie fliesst dieser in die Kurse ein?
«Hilf mir, es selbst zu tun» ist ein bekanntes Zitat von Maria Montessori. In unseren Schwimmkursen nutzen wir diesen Ansatz, um den Eltern aufzuzeigen, dass sie Vertrauen in die Fähigkeiten ihres Kindes haben sollen (und dürfen). Klar, die Eltern begleiten und beschützen das Kind und sollen unterstützen, wenn es alleine nicht mehr weiterweiss. Aber es ist überaus wichtig, dass sie dem Kind Raum geben, um das Wasser und die damit verbundenen Möglichkeiten selbst entdecken zu können. Ein Beispiel: Das Kind erfährt nie, wie aufregend, spannend und erfrischend es sein kann, alleine vom Rand aus ins Wasser zu springen, unterzutauchen, prustend und aus eigener Kraft wieder aufzutauchen, wenn es von seinen Eltern jedes Mal aufgefangen wird, bevor es überhaupt im Wasser angekommen ist.
Dem Kind zugestehen, dass es versuchen, sich irren und es erneut versuchen darf, ist eine wichtige Erfahrung in der Entwicklung eines Kindes. Deshalb setzen auch unsere Kursleiter das wertvolle Zitat in all unseren Kursen um: sie führen zwar durch die Lektion, helfen und sichern wo es nötig ist, aber halten sich bewusst zurück, um Eltern und Kindern die Möglichkeit zu bieten, eigene (Wasser)-Erfahrungen zu sammeln. Dadurch wird die Eltern-Kind-Bindung enorm gestärkt und bereichert und das Kind schult seinen Glauben an sich selbst.
Wie viel individuelle Förderung ist möglich?
Individuelle Förderung ist da möglich, wo sich die Kursleiter nicht zu sehr ins Kurszentrum stellen und die Eltern dem Kind Freiraum geben, ohne dass es für das Kind gefährlich wird. In unseren Kursen achten wir darauf, dass für jeden Lektionsinhalt alternative Übungen bereitstehen. Wenn beispielsweise ein Kind nicht untertauchen mag, so zeigt ihm seine Kursleitung diverse Alternativen, wie es sich an das Tauchen «herantasten» kann, ohne gleich mit dem ganzen Kopf untertauchen zu müssen. All unsere Kursinhalte sind für das Kind spannend aufgebaut. Die Kinder werden neugierig und wollen erfahren und ausprobieren. Und ist die Neugier bei einem Kind erst geweckt, dann geht es über seine vermeintlichen Grenzen hinaus und lässt sich auf neue Übungen ein. Stehts behutsam begleitet von seinen Eltern und der Kursleitung.
Weshalb finden die Kurse ausschliesslich in Therapiebädern mit einer Wassertemperatur von mindestens 32 Grad statt und nicht auch in öffentlichen (Hallen-) Bädern?
Gerade für die Babyschwimmkurse ist es wichtig, dass das Wasser warm genug ist. Denn Kinder haben noch kein vollständig entwickeltes Unterhautfettgewebe, was dafür sorgt, dass sie rasch auskühlen. Babys und Kinder, die frieren verlieren schnell die Lust an einem Schwimmkurs oder am Wasser generell. In einem öffentlichen Hallenbad halten sich zudem logischerweise andere Badegäste auf, auch wenn für Babyschwimmkurse extra ein Bereich abgesperrt wird. Lärm, Bewegung und Unruhe in einem öffentlichen Hallenbad sorgen bei vielen Kleinkindern für eine Reizüberflutung, sodass auch deswegen bald einmal Unlust aufkommen kann. Und auch unsere Kursleiter schätzen den Unterricht in einem Therapiebad sehr, denn sie müssen nicht so lauf schreien, um von ihren Teilnehmern verstanden zu werden.
Sie beschäftigen bei H2O rund 100 Kursleiterinnen und Kursleiter. Schwimmen können diese natürlich, aber über welches Spezialwissen müssen sie gerade bei den «First Flow»-Kursen verfügen?
Bei H2O Wasser erleben geht es in der Tat um mehr, als «nur» um das Kurse leiten. Die Kursleiter werden umfassend ausgebildet in einem firmeninternen Lehrgang. So lernen sie beispielsweise viel über die körperliche Entwicklung von Babys und Kleinkinder und über den Aufbau und Funktion des Gehirns. Sie müssen sich mit entwicklungspsychologischen Ansätzen von Erikson, Freud und Co. herumschlagen und erfahren viel über Badwasseraufbereitung. Sie besuchen zwingend Nothelferkurse – spezialisiert auf Babys und Wasser, sie erfahren viel über Kommunikation und lernen viel über sich und ihre Wirkung auf andere.
«Obwohl das ideale Einstiegsalter für einen Babyschwimmkurs bei 10 Wochen liegt, können auch ältere Kinder jederzeit in einen Kurs einsteigen.»
Wegen Corona konnten viele Kurse von H2O aber auch von anderen Anbietern nicht stattfinden. Muss man sich da auf Jahrgänge von Nicht-Schwimmern einstellen?
Zum Glück war die «Zwangspause» zu kurz, um irgendwelche «Langzeitschäden» im Bereich Schwimmen zu generieren. Obwohl das ideale Einstiegsalter für einen Babyschwimmkurs bei 10 Wochen liegt, können auch ältere Kinder jederzeit in einen Kurs einsteigen. Aus heutiger Sicht ist sicherlich wichtig, dass alle Kinder vor Schuleintritt sicher schwimmen können. Wer also sein Kind während dem Lockdown für einen Schwimmkurs anmelden wollte, kann dies jetzt immer noch nachholen.
Wie kam es dazu, dass Sie aus Ihrem Hobby Schwimmen mehr gemacht und vor mittlerweile 24 Jahren ihre eigene Lernmethode entwickelt und H2O gegründet haben?
Alles begann während der Geburt meines ersten Sohnes. Ich stellte mit meiner damaligen Hebamme fest, dass es kein adäquates Schwimm- und Förderprogramm für Babys und Kleinkinder in der Schweiz gab. Das wollten wir ändern! Meine Söhne genossen dann – oft mehrmals in der Woche – Babyschwimmen. Durch die gemachten Erfahrungen konnte ich meine eigene Methode entwickeln und immer weiter verfeinern. Gleichzeitig orientierte ich mich in den Nachbarländern über deren Angebote und Methoden. Doch vieles davon liess sich in der Schweiz nicht umsetzen, weil es schlicht zu gefährlich oder zu unsinnig war. Bereits meine ersten Kurse fanden nach anfänglicher Skepsis grossen Anklang und das Angebot musste schnell erweitert werden. Die Eltern stellen rasch fest, dass sie ihren Kindern mit einem Kursbesuch Wohlbefinden und Frühförderung ermöglichten. Das war enorm motivierend und bereichernd und bestätigte stets meine Vision! Es gab aber auch Zeiten, da wuchs die Firma zu schnell, da schien mir Familie und Beruf(ung) über den Kopf zu wachsen. Bald schon stand ich vor der Entscheidung: erstes Büro auswärts mieten und eine Mitarbeiterin in Teilzeit anstellen oder das Angebot wieder verkleinern, damit es ruhiger wird. Aus heutiger Sicht bin ich sehr froh, dass ich mich damals für Expansion entschieden
habe.
Letzte Frage: Die ersten Hitzewellen haben wir bereits hinter uns. Welches sind ihre wichtigsten Tipps für die Badesaison mit Kindern?
Ich erschrecke immer wieder, wie häufig kleine Kinder nach wie vor unbeaufsichtigt am oder im Wasser spielen und plantschen. Als Eltern reicht es nicht, sich mit einem Buch oder dem Handy in die Nähe des Kindes zu setzen, denn die Kleinen können ganz schnell in Not geraten. Sie ertrinken meistens lautlos und ohne gross zu strampeln. Deshalb: Kinder konzentriert im Auge behalten!
Ich staune immer wieder, wie lange Eltern ihre Kinder der Sonne und dem Wasser aussetzen. Es ist wichtig, den Kleinen immer wieder Wasserpausen zu gönnen und sich im Schatten aufzuhalten, damit sie sich erholen können. Auch wird oft zu wenig getrunken: man vergisst, dass der Körper auch im Wasser schwitzt und deshalb mehr Wasser benötigt als sonst. Viel Trinken und viele Wasser- und Sonnenpausen!
Ganzkörperbadanzüge für Kleinkinder schützen zwar vor Sonneneinstrahlung. Doch damit verhindert man, dass die Kinder die physikalischen Eigenschaften Druck, Auftrieb und Strömung uneingeschränkt am eigenen Körper erfahren und daraus lernen können. Bleiben die feuchten Badeanzüge zudem länger auf der Babyhaut, können durch Chlorrückstände und Schwitzen Ekzeme oder Allergien entstehen. Besser wäre es, dem Kleinkind für den Aufenthalt im Wasser lediglich eine Badewindel oder eine Badehose anzuziehen. Nach dem Baden dann ein trockenes Höschen, eine Windel, ein Shirt und natürlich einen Sonnenhut. Im Wasser so wenig wie möglich, an Land so viel wie nötig bekleidet sein!
Dass die Kinder jederzeit gut mit Sonnenschutzmitteln eingecremt werden, versteht sich von selbst.
Frau Augsburger, besten Dank für das Interview.