Isabelle Kriesten, stv. Präsidentin Glacesuisse, im Interview
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Frau Kriesten, sehr spät hat der Sommer doch noch Einzug gehalten. Lässt sich feststellen, wie stark der Glacé-Verbrauch an Hitzetagen wie Ende Juli ansteigt?
Isabelle Kriesten: Wir sehen einen deutlichen Anstieg des Glace-Konsums durch den endlich eingekehrten Sommer in der Schweiz. Neben den Badis, die natürlich erst so richtig bei schönem Wetter profitieren, merken wir aber auch einen deutlichen Anstieg im Detailhandel und im Heimkonsum, sobald sich der Sommer zeigt.
Die Speiseeishersteller machen rund die Hälfte ihres Jahresumsatzes in den Sommermonaten Juni, Juli und August. Wie stark hat die Branche das schlechte Sommerwetter in diesem Jahr geschadet?
Nachdem wir im letzten Jahr einen Rekord-Juni erlebt haben, ist der Rückgang in diesem Jahr sehr deutlich zu spüren. Während der Juni 2023 einen Wetterindex von 134 (100 ist der Durchschnitt) hatte, wurde in diesem Jahr ein Index von 88 gemessen, das ist ein so deutlicher Unterschied, den wir in unserer Branche natürlich spüren. Der Gesamtmarkt ist allein im 2. Quartal um knapp 10% zurückgegangen.
«Nachdem wir im letzten Jahr einen Rekord-Juni erlebt haben, ist der Rückgang in diesem Jahr sehr deutlich zu spüren.»
Isabelle Kriesten, stv. Präsidentin Glacesuisse
Welches sind neben dem Wetter die entscheidenden Erfolgsfaktoren im Glacégeschäft?
Das Glacegeschäft erfreut sich jährlich über zahlreiche, spannende Neuheiten und ist eine der Kategorien, in der Schweizer Konsumenten und Konsumentinnen auch gerne mal etwas Neues probieren. Wenn also eine Neuheit genau auf den aktuellen Gusto der Schweizer und Schweizerinnen trifft, kann das direkt zu einem starken Verkaufsanstieg führen. Des Weiteren ist die Verfügbarkeit von Glace ein absoluter Erfolgsfaktor. Besonders im Impulsgeschäft muss die Glacetruhe genau dort stehen, wo sich unser Gast in genau dem Moment ein feines Glace wünscht.
Wie sieht die Bilanz seit Jahresbeginn aus?
Der Glacemarkt in Litern liegt per Ende Juni aktuell mit -4.44% unter dem Vorjahr, was wie bereits erwähnt, auf den sehr schwachen Juni zurückzuführen ist.
Laut Statista liegen Schweizerinnen und Schweizer beim Konsum von industriell hergestelltem Speiseeis im europäischen Vergleich weit hinten. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Das ist eine spannende Frage, mit der wir uns natürlich als Verband viel beschäftigen. Häufig lässt sich der Glacekonsum tatsächlich in den unterschiedlichen Essgewohnheiten der Länder wiederfinden. In der Schweiz ist Glace leider immer noch nicht das Lieblingsdessert, wenn Gäste kommen, oder das, was es bei uns zum Zvieri oder nach dem Nachtessen noch als süsses Highlight gibt. Spannend ist aber auch, dass die Schweizer im Gegensatz die Europameister im Schokolade-Essen sind. Dies kann auch ein weiterer Grund sein.
«In der Schweiz ist Glace leider immer noch nicht das Lieblingsdessert, wenn Gäste kommen, oder das, was es bei uns zum Zvieri oder nach dem Nachtessen noch als süsses Highlight gibt.»
Was ist denn im Privatgebrauch beliebter – Eis am Stiel oder doch die grossen Glacékübel?
Mit dem Blick in die Abverkaufsdaten aus dem Detailhandel (Nielsen, Value, FY 2023) sieht man deutlich, dass das Stengelglace mit Abstand das beliebteste Format ist, danach kommt der grosse Glacekübel und erst dann das Cornet und weitere Formate, wie Riegel.
Jedes Jahr kommen neue Sorten und Geschmackskombinationen auf den Markt. Welche Geschmackssorten halten sich stabil an der Spitze?
Es halten sich tatsächlich die Klassiker an der Spitze. Vanille, Schokolade, Erdbeer und Caramel zählen seit Jahren zu den Schweizer Favoriten. Dennoch sind Neuheiten für langfristiges Marktwachstum entscheidend, um immer wieder frischen Wind in die Kategorie zu bringen.
Mint-Cocoa, Mandel-Kardamon, Lebkuchen oder Basilikum-Lemon – den Kreationen sind kaum mehr Grenzen gesetzt. Wie stark ist der Trend zu aussergewöhnlichen Sorten?
Die Glace-Kategorie zählt laut einer Studie zu den Kategorien, in denen Schweizer Konsumenten und Konsumentinnen besonders probierfreudig sind, daher darf es an aussergewöhnlichen Trends und spannenden Kombinationen nicht fehlen. Langfristig setzen sich dann aber doch die Klassiker durch. Das Schöne an unserer Kategorie ist, man kann sich jederzeit neu entscheiden: Mal probiert man etwas Neues und das nächste Mal greift man wieder zum altbewährten Lieblingsglace.
«Langfristig setzen sich doch die Klassiker durch.»
Gelaterias haben in den letzten Jahren einen grossen Boom erlebt. In jeder Stadt sind Gelato-Geschäfte zu finden. Sind Sie eine Konkurrenz für Grosshersteller oder eher eine Ergänzung – gerade zum Beispiel bei den neuen Kreationen?
So wie sich verschiedene Varianten ergänzen, ergänzen sich auch die verschiedenen Formate. Ob Stengelglace, im Coupe oder als Cornet, die Schweizer und Schweizerinnen mögen die Variation und genauso ist es eine willkommene Abwechslung, heute in der Mittagspause ein schnelles Stengelglace aus dem Supermarkt auf die Hand zu essen und morgen bei einem ausgiebigen Besuch in der Gelateria einen grossen Glacecoupe mit Früchten zu geniessen. Ein Hauptverzehrstreiber von Glace ist der Genuss und wie wir wissen, kommt Genuss in ganz verschiedenen Formaten und Geschmäckern.
Welche Rolle spielt bei Konsumenten und Herstellern das Thema Nachhaltigkeit?
Zu den Themen der Zeit zählen natürliche Zutaten, die Reduktion von Zucker und die nachhaltige Verpackungsgestaltung. Diese zu berücksichtigen und auf die entsprechenden Kundenbedürfnisse einzugehen, ohne Kompromisse beim Genuss zu machen – das sind die Herausforderungen der Glacebranche und verdient besondere Aufmerksamkeit von allen Marktteilnehmern.
Zur Person
Isabelle Kriesten, Ice Cream Lead, Unilever Schweiz GmbH & stellvertretende Präsidentin Glacesuisse.