von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Mestrangelo, im August 2022 wurde das Verbot von Cannabis zu medizinischen Zwecken im Betäubungsmittelgesetz aufgehoben. Bei welchen medizinischen Indikationen kann medizinisches Cannabis heute hierzulande eingesetzt werden?
Ivan Mestrangelo: Die Aufhebung des Verbots von Cannabis zu medizinischen Zwecken im August 2022 war ein wesentlicher Fortschritt in der Schweiz und hat neue therapeutische Möglichkeiten eröffnet. Medizinisches Cannabis findet Anwendung in verschiedenen medizinischen Bereichen. Zu den Hauptindikationen gehören chronische Schmerzen, Spastik bei Multipler Sklerose, Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapie, ADHS, Migräne und Kopfschmerzen oder auch Schlafstörungen.
Der Einsatz von medizinischem Cannabis sollte immer unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. Bei MediCrops setzen wir uns dafür ein, qualitativ hochwertige, sichere und wirksame Cannabis-basierte Medikamente bereitzustellen, um das Wohlbefinden und die Lebensqualität unserer Patienten zu verbessern.
Das Hauptziel von MediCrops ist nicht nur, ein Distributor von medizinischem Cannabis zu sein, sondern die Versorgung von Patienten zu verbessern und den Zugang zu medizinischem Cannabis zu erleichtern. Wie wollen Sie diese Ziele auf den verschiedenen Ebenen erreichen?
Unser Hauptziel ist, die Versorgung von Patienten zu verbessern und den Zugang zu medizinischem Cannabis zu erleichtern, indem wir eine hybride Lösung aus physischen Praxen und telemedizinischen Dienstleistungen anbieten. Diese ganzheitliche Herangehensweise haben wir bereits erfolgreich in Deutschland implementiert, wo wir eine Telemedizin-Plattform in Verbindung mit physischen Standorten betreiben.
In der Schweiz planen wir, dieses Modell zu replizieren, indem wir unsere eigene Praxis sowie enge Kooperationen mit verschiedenen Praxen und Ärzten in der ganzen Schweiz eingehen. Unser Ziel ist es, eine nahtlose und effektive Patientenversorgung zu gewährleisten. Wir schulen Kooperationsärzte und erstellen Richtlinien für die Therapie mit medizinischem Cannabis. So können wir sicherstellen, dass Patienten unabhängig von ihrem Standort Zugang zu qualitativ hochwertiger Behandlung und Beratung erhalten.
«Unser Hauptziel ist, die Versorgung von Patienten zu verbessern und den Zugang zu medizinischem Cannabis zu erleichtern, indem wir eine hybride Lösung aus physischen Praxen und telemedizinischen Dienstleistungen anbieten.»
Ivan Mestrangelo, VR-Präsident MediCrops
Arbeiten Sie auch mit Patientengruppen zusammen?
Ja, ein wichtiger Aspekt unserer Strategie ist die aktive Zusammenarbeit mit Patientengruppen, um ein tiefgreifendes Verständnis für die Bedürfnisse und Herausforderungen der Patienten zu entwickeln. Dies hilft uns, unsere Dienstleistungen kontinuierlich zu verbessern und auf die spezifischen Anforderungen der Patienten einzugehen.
Wie lassen sich die Therapien individuell ausgestalten?
Wir verfügen über ein weltweites Netzwerk an Arzneimittelherstellern, welches eine Vielfalt von medizinischen Cannabisprodukten in verschiedenen Darreichungsformen anbietet. Diese Vielfalt ermöglicht es uns, individuelle Therapielösungen zu entwickeln, die speziell auf den einzelnen Patienten zugeschnitten sind.
Medizinisches Cannabis darf in der Schweiz nach einer physischen Erstkonsultation durch den Arzt von jeder Apotheke abgegeben werden. Was bedeutet in diesem Zusammenhang die Akquisition der TopPharm Apotheke und der Topmed Praxis in Basel durch MediCrops?
Die Akquisition ist ein erster wichtiger Schritt, um den Zugang und die Versorgung mit medizinischem Cannabis in der Schweiz zu optimieren. Durch diese Übernahme können wir eine nahtlose, integrierte Patientenbetreuung anbieten. Diese Akquisition ermöglicht es uns, den gesamten Prozess von der Erstkonsultation bis zur Medikamentenabgabe effizient zu gestalten. Sie reflektiert unser Bestreben, den Patienten nicht nur qualitativ hochwertige Produkte, sondern auch eine ganzheitliche und zugängliche Versorgung zu bieten.
«Die Akquisition TopPharm Apotheke und der Topmed Praxis in Basel ist ein erster wichtiger Schritt, um den Zugang und die Versorgung mit medizinischem Cannabis in der Schweiz zu optimieren.»
Wieso gerade Basel?
Die Wahl von Basel als Standort für die Übernahme der TopPharm Apotheke und der Topmed Praxis folgte reiflichen strategischen Überlegungen und Recherchen. Basel ist bekannt als ein führendes Zentrum der Pharma- und Biotech-Industrie und bietet uns direkten Zugang zu einem fortschrittlichen Gesundheitsmarkt. Diese Präsenz in einem der bedeutendsten Gesundheitscluster Europas ermöglicht es uns, am Puls der medizinischen Innovation zu bleiben und unsere Reichweite sowie unser Netzwerk in der Branche effektiv zu erweitern. Kurz gesagt, Basel bietet die ideale Plattform, um unsere Vision für medizinisches Cannabis in der Schweiz voranzutreiben.
In der Arztpraxis wird die obligatorische Erstkonsultation durchgeführt. Aber nicht alle Patienten wollen oder können dazu nach Basel reisen…
Wir sind uns dieser Herausforderung bewusst und arbeiten deshalb an der Ausweitung unseres Netzwerks durch Kooperationen mit verschiedenen Arztpraxen in der gesamten Schweiz. Dieses Modell haben wir bereits erfolgreich in Deutschland umgesetzt.
Zudem ist es wichtig zu betonen, dass eine physische Erstkonsultation in der Schweiz zwar häufig praktiziert wird, aber nicht immer obligatorisch ist. Die Entscheidung über die Notwendigkeit einer persönlichen Erstuntersuchung liegt beim behandelnden Arzt und hängt von der individuellen Situation des Patienten ab. Unser Ziel ist es, den Zugang zu medizinischem Cannabis so flexibel und patientenfreundlich wie möglich zu gestalten, indem wir sowohl direkte Konsultationen in Basel als auch über unser wachsendes Netzwerk an Partnerpraxen in der ganzen Schweiz anbieten.
Ist ein Bezug Ihrer Medikamente auch online möglich?
Ja, wir arbeiten aktiv daran, unseren Patienten zukünftig eine noch bequemere Möglichkeit bieten zu können. Wir haben hierfür eine Versandhandelsbewilligung beantragt, welche es uns ermöglichen wird, medizinisches Cannabis direkt über das Internet anzubieten. Sobald diese Bewilligung vorliegt, werden Patienten in der Lage sein, ihre Medikamente online zu bestellen und direkt an ihre Haustür liefern zu lassen.
Für den Bezug der Medikamente benötigen die Patienten ein gültiges Betäubungsmittelrezept, welches sie postalisch an unsere Apotheke senden müssen. In vielen Fällen übernimmt der behandelnde Arzt diesen Schritt und sendet das Rezept direkt an uns. Anschliessend kümmern wir uns in der Apotheke um alles Weitere und stellen sicher, dass die Medikation sicher und schnell mit unserer Versandhandelsbewilligung beim Patienten zu Hause ankommt.
Ein One-Stop-Shop für Patienten mit medizinischem Cannabis – wie ist der Schritt hinsichtlich der geplanten Expansion zu werten?
Unser One-Stop-Shop für medizinisches Cannabis in Basel ist ein zentraler Bestandteil unserer Expansionsstrategie. Dieses Konzept ermöglicht es den Patienten, alle benötigten Dienstleistungen von der ärztlichen Beratung bis zur Medikamentenabgabe an einem Ort zu erhalten. Es vereinfacht den Prozess für die Patienten erheblich und gewährleistet eine qualitativ hochwertige Versorgung.
Diese integrierte Herangehensweise bildet das Fundament für unsere Pläne, das Modell auf weitere Standorte auszuweiten. Es ist ein wichtiger Schritt, um MediCrops als führenden Anbieter in der medizinischen Cannabisversorgung zu etablieren und unsere Vision einer patientenzentrierten Versorgung zu verwirklichen.
Woher beziehen Sie Ihre Produkte?
Seit unserer Gründung im Jahr 2018 haben wir ein umfangreiches Netzwerk internationaler Firmen aufgebaut, um unsere Produkte zu beziehen. Ursprünglich als Produzent tätig, waren wir bereits früh in Kontakt mit grossen kanadischen Herstellern.
In den letzten zwei Jahren, seit wir uns auf Distribution spezialisiert haben, haben wir mehrere Hersteller persönlich besucht, geprüft und sorgfältig ausgewählt. Unsere Partner sind etablierte und erfahrene Player in der Cannabis-Industrie, hauptsächlich aus Kanada, Südamerika, Portugal und Spanien. Diese Beziehungen ermöglichen es uns, eine breite Palette von hochwertigen Cannabisprodukten anzubieten.
«Unsere Partner sind etablierte und erfahrene Player in der Cannabis-Industrie, hauptsächlich aus Kanada, Südamerika, Portugal und Spanien.»
Sie wollen Ihr bereits in Deutschland für Ärztinnen und Ärzte implementierte Schulungsprogramm zur Anwendung von medizinischem Cannabis auch in der Schweiz durchführen. Was beinhaltet dieses Schulungsprogramm?
Ja, wir planen unser erfolgreiches Schulungsprogramm für Ärzte auch in der Schweiz einzuführen. Unser Programm zielt darauf ab, Ärzten umfassendes Wissen über die Anwendung und das Potenzial von medizinischem Cannabis zu vermitteln. Es beinhaltet Leitlinien wie Grundlagenwissen über Cannabis, die medizinischen Anwendungen, Dosierung und Verabreichung, rechtliche Rahmenbedingungen, Patientenmanagement und -beratung oder auch Fallstudien und praktische Anwendungen.
Wir wollen damit Ärzten die notwendigen Werkzeuge an die Hand zu geben, um medizinisches Cannabis sicher und effektiv in ihrer Praxis einzusetzen und so eine optimale Patientenversorgung zu gewährleisten.
Nochmals zu Deutschland: Dort ist MediCrops schon länger tätig und hat im vergangenen Jahr wichtige Akquisitionen vorgenommen. In welchen Punkten entscheiden sich die Märkte Deutschland und Schweiz?
Deutschland hat sich seit der erfolgreichen Einführung von Cannabis als Medizin im März 2017 zum fortgeschrittensten Markt für medizinisches Cannabis in ganz Europa entwickelt. Dies bedeutet, dass Deutschland der Schweiz in Bezug auf Marktreife und Entwicklung einige Jahre voraus ist. Der deutsche Markt erlebt ein stetiges Wachstum mit jährlichen Rekordzahlen. Aktuell gibt es in Deutschland über 200’000 Patienten, die mit medizinischem Cannabis behandelt werden.
Im Vergleich dazu ist der Schweizer Markt für medizinisches Cannabis noch jung. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Verwendung von medizinischem Cannabis wurden hier erst im August 2022 geschaffen. Dies eröffnet nun auch in der Schweiz neue Möglichkeiten für Patienten und den Markt im Allgemeinen.
Während Deutschland also bereits eine etablierte Struktur und eine breite Patientenbasis hat, befindet sich die Schweiz in einer Phase des Aufbaus und der Entwicklung. Wir sehen dies als eine Chance, die Erfahrungen und Erkenntnisse, die wir in Deutschland gesammelt haben, zu nutzen, um den Schweizer Markt effektiv zu bedienen und zu gestalten.
«Mit der dritten und finalen Pre-IPO-Finanzierungsrunde wenden wir uns gezielt an strategische Investoren.»
Zuletzt haben Sie die dritte und finale Pre-IPO-Finanzierungsrunde mit einem Volumen von 24,7 Millionen Franken eingeleitet. Was planen Sie mit dem frischen Kapital?
Mit der dritten und finalen Pre-IPO-Finanzierungsrunde wenden wir uns gezielt an strategische Investoren. Diese Runde ist entscheidend für unsere weitere Expansion und Skalierung, insbesondere in Deutschland, sowie für die Markteinführung in der Schweiz. Die geplanten Investitionen umfassen die Ausweitung des Vertriebsnetzes in Deutschland und der Schweiz, die Entwicklung und Umsetzung effektiver Strategien zur Markteinführung neuer Produkte und Dienstleistungen, die Vorbereitung auf den Börsengang sowie Investitionen in die Entwicklung digitaler Lösungen.
Welche mittel- und langfristigen Ziele verfolgen Sie für MediCrops hinsichtlich der strategischen Ausrichtung und der Umsatzentwicklung?
Im Zuge der erläuterten Expansionsstrategie stimmen mich die erzielten Fortschritte zuversichtlich, in den kommenden Jahren ein signifikantes Umsatzwachstum erzielen und die wirtschaftlichen und strukturellen Voraussetzungen für einen Börsengang schaffen zu können. Der optimale Zeitpunkt für einen IPO wird jedoch schlussendlich auch von einer Reihe von Faktoren abhängig sein, auf die wir keinen direkten Einfluss haben, wie beispielsweise das Marktsentiment. Im Sinne eines Erwartungsmanagements stehen wir laufend im engen Kontakt mit unseren Investoren. Im Übrigen bin ich überzeugt, dass wir unter der Führung von CEO Evangelia Vaoutsi die Attraktivität von MediCrops für Investoren, Geschäftspartner sowie Mitarbeitende und Talente weiter ausbauen werden.
Dieses Interview wurde mit der freundlichen Unterstützung des Amts für Wirtschaft des Kantons Schwyz ermöglicht