Ivo Furrer, CEO Schweiz von Swiss Life
Das Interview entstand im Vorfeld des Europa Forum Luzern vom 9. Mai 2011, an dem Ivo Furrer zum Thema «Wirtschaftliche Perspektiven und Altersvorsorge» referieren wird.
Von Alexander Saheb
Moneycab: Herr Furrer, wenn ich die Titel der Swiss Life Medienmitteilungen seit Ende 2009 lese, scheint alles bestens zu laufen. Stimmt das auch aus Ihrer Sicht?
Ivo Furrer: Ja, wir sind gut unterwegs. Wir haben im Spätsommer 2009 unser gruppenweites Revitalisierungsprogramm MILESTONE initiiert. Grosse Teile davon konnten wir bereits umsetzen, insbesondere auch in der Schweiz. So konnten wir 2010 ein sehr gutes Resultat präsentieren. Hauptgründe dafür sind operative Fortschritte, das systematischere Margenmanagement und das weitere Senken der Kosten. Ebenfalls eine Rolle gespielt hat das sehr gute Anlageresultat. Die Ergebnisse sind für uns ein erster Etappensieg auf dem Weg zu unseren ambitiösen Zielen für 2012.
Der Schweizer Markt war für Swiss Life 2010 von 2% Wachstum bei den Bruttoprämien geprägt. War das ein Wachstum bei der Zahl der Abschlüsse oder der Volumen?
Das Prämienwachstum verdanken wir insbesondere einem Wachstum bei den periodischen und den Einmalprämien in der Kollektivversicherung aufgrund des starken Neugeschäfts. Im Übrigen wollen wir kein Wachstum um jeden Preis, sondern ein profitables Wachstum.
Das Segmentsergebnis legte um 4,5% zu, wohl auch weil der Kostenblock um 8% reduziert werden konnte. Mit welchen Massnahmen gelang das?
Im Rahmen unseres MILESTONE-Programms wurde in sämtlichen Geschäftsbereichen Effizienzsteigerungspotential identifiziert und entsprechende Massnahmen definiert. Diese werden nun konsequent umgesetzt und führen zur planmässigen Reduktion der Kosten.
„Die Komplexität der Anlageprodukte und damit auch die Komplexität der Anlagestrategie- und prozesse hat zugenommen“, Ivo Furrer, CEO Schweiz von Swiss Life
„Swiss Life gelang es auch, den Anteil moderner und Risiko-Produkte am Neugeschäft von 64% im Vorjahr auf 69% zu steigern“, heisst es in der Medienmitteilung zum Jahresabschluss 2010. Könnten Sie bitte ausführen, um was für Produkte es sich hierbei im Schweizer Markt handelt und welche Kundengruppen damit bedient werden?
Im Rahmen unserer Strategie, der Verlagerung auf moderne Vorsorgeprodukte und Risikoprodukte, haben wir im 2010 tatsächlich ein gutes Wachstum in diesem Bereich verzeichnen können. Einen guten Beitrag geleistet hat insbesondere der im Mai lancierte Swiss Life Champion Timeplan – ein Auszahlungsplan mit garantierten monatlichen Auszahlungen – dessen Verkaufszahlen sehr vielversprechend sind und der sich vor allem an Leute „mittleren“ Alters mit höheren Einkommen richtet, die nach der Pensionierung die Einkommenslücke schliessen wollen. In diesem Alter verfügen die meisten über so viel flüssige Mittel, dass sie sich eine Einzahlung in Form einer Einmaleinlage leisten können, ohne dafür die ganzen Vermögensreserven aufbrauchen zu müssen. Ebenfalls eine gute Neugeschäftsentwicklung verzeichnen wir für die Swiss Life Champion Produkte (Duo/Uno) mit periodischen Prämien sowie für Swiss Life Premium Select, eine anteilgebundene Lebensversicherung der freien Vorsorge. Während die Champion-Produkte etwas für alle Vorsorgesparer sind, richten sich die Premium Select Tranchen an renditeorientierte Anleger zwischen 50 und 65 Jahren. Weiter lanciert haben wir Swiss Life Premium Junior Plan, eine fondsgebundene Sparversicherung der freien Vorsorge mit einschliessbarem Risikoschutz für Kinder.
Bieten Ihnen diese Produktgruppen besonders hohe Margen?
Im Vordergrund steht für uns das Kundeninteresse, und das liegt heute auch bei modernen Produkten, wie die guten Verkaufszahlen zeigen. Wir wollen unser bestehendes Produktangebot weiter diversifizieren und so auch bei den modernen Produkten unsere Position ausbauen. Die Margen für moderne und traditionelle Produkte sind vergleichbar.
Ende 2010 wurde die erste reine Online-Risikoversicherung lanciert. Kommt der beratungsfreie Ansatz den Kunden wirklich entgegen, oder sind einfach die ausgeschlossenen Risiken so zahlreich, dass Sie den Abschluss ohne weitere vertiefte Abklärung anbieten können? Welche Unterschiede gibt es zu den von Beratern verkauften Risikoversicherungen?
Mit dem Produkt Swiss Life Classic ProtectEasy, einer Todesfallversicherung der freien Vorsorge, kann der Kunde zum ersten Mal in der Schweiz eine Risikoversicherung vollständig online – das heisst ohne Medienbruch – abschliessen. Er kann also den Antrag online ausfüllen, diesen mit einer qualifizierten Signatur versehen und per E-Mail retournieren. Es passiert alles online; ausdrucken, unterschreiben und absenden ist nicht nötig. Das spart Zeit und kommt den Kunden entgegen. Selbstverständlich hat der Interessent auch immer die Möglichkeit, in einem persönlichen Gespräch mit einem unserer Vorsorgeberater eine «normale» Risikoversicherung abzuschliessen.
„Beim in Deutschland durchgeführten ‹grössten Servicetest aller Zeiten› erreichte AWD im November 2010 Platz 1 unter den Finanzvertrieben“
Der AWD ist seit einiger Zeit auch in der Schweiz aktiv. Wie erleben Sie das nebeneinander?
Dieses Nebeneinander klappt gut. Wir konnten unsere Verkäufe über den AWD in der Schweiz letztes Jahr auf einem guten Niveau halten, wollen in diesem Bereich aber künftig noch mehr tun. Die Entwicklung gemeinsamer Produktpakete, welche auf den Lebenszyklus der Kunden abgestimmt sind, und die verstärkte Vertriebsunterstützung sind hier die Stichworte.
Ist es sinnvoll, in der Gruppe ein Unternehmen zu haben, welches auch Versicherungsprodukte anderer Versicherer verkauft und nicht nur von Swiss Life?
Ja, denn AWD spielt bei der Umsetzung der Swiss Life-Strategie eine wichtige Rolle. So generiert das Unternehmen unabhängig Einkommen für seine Beratungs- und Vermittlertätigkeit, was zur Diversifikation unserer Ertragsquellen beiträgt. Zudem unterstützt AWD als bedeutender Vertriebskanal Swiss Life bei der Verlagerung ihres Schwerpunkts von traditionellen Produkten hin zu modernen Produkten. Mit AWD erhält Swiss Life darüber hinaus Zugang zu neuen Märkten und Segmenten
Der ursprünglich deutsche AWD hatte viele Jahre lang kein gutes Image und wird auch in der Schweiz bereits verschiedentlich für seine Beratungsleistungen kritisiert. Warum hält sich dieser Tenor?
Im Mediengetöse gehen bisweilen die Fakten unter und alte Geschichten werden als „News“ verkauft. Nur ein Beispiel: Deutsche Medien berichteten kürzlich von einer „geheimen Liste“ mit 34’000 Kunden, die in Immobilien- und Medienfonds investiert hatten. Nur: Die Liste war bereits seit 2001 bekannt. Die als „neu“ vermeldeten Zahlen sind demnach schon seit 10 Jahren in der Öffentlichkeit und enthielten keinerlei neuen Informationswert. Wir möchten über den AWD von heute sprechen, und dieser ist gut unterwegs: Beim in Deutschland durchgeführten „grössten Servicetest aller Zeiten“ erreichte AWD im November 2010 Platz 1 unter den Finanzvertrieben. Auch in der Schweiz ist die hohe Beratungsqualität erwiesen: Im Dezember 2010 schnitt AWD bei einem „Blindtest“ des Anlegermagazins K-Geld hervorragend ab.
Ist es vielleicht im Interesse anderer Versicherungskonzerne, wenn über den AWD immer wieder kritisch berichtet wird?
Das kann ich mir nicht vorstellen, ist doch der AWD auch für viele andere Schweizer Versicherer ein sehr bedeutender Vertriebskanal.
„Wir erwarten für 2011 weitere operative Fortschritte“
Von der Nationale Suisse haben Sie jüngst das BVG/Kollektivlebengeschäft übernommen. Setzen Sie darauf, dass in den kommenden Jahren viele Schweizer Unternehmen statt eigener Pensionskassen lieber auf eine Sammellösung setzen werden?
Der Trend, die eigene Vorsorgestiftung aufzulösen und sich einer Sammeleinrichtung anzuschliessen, existiert schon seit Jahren. Wenn die Regulierungsdichte – wie beispielsweise die Regelungen der Strukturreform zeigen – weiter zunehmen wird, dürfte sich auch dieser Trend vermutlich weiter fortsetzen.
Glauben Sie dass die zahlreichen betriebseigenen Pensionskassen von Schweizer Unternehmen mit zunehmend unsicheren Anlageerträgen immer mehr unter Konsolidierungsdruck geraten werden?
Anlageerträge sind ja schon per Definition immer ein Stück weit unsicher, denn ein Auf und Ab an den Anlagemärkten ist ganz normal. Wie die Vergangenheit zeigt, gehören auch Blasen und Überhitzungen dazu – sie lassen sich offensichtlich nicht vermeiden. Nun ist aber das Anlagegeschäft ja kein Tagesgeschäft, sondern eine auf lange Sicht ausgelegte strategische Angelegenheit. Wer also Anlageentscheide zu treffen hat, wird in seiner strategischen Planung auch immer Krisen mitberücksichtigen. Die Komplexität der Anlageprodukte und damit auch die Komplexität der Anlagestrategie- und prozesse hat aber zugenommen: Anlegen ist anspruchsvoller und aufwändiger geworden. Diese Tatsache kann ein Grund für den Wechsel in eine Sammeleinrichtung – in welcher Form auch immer – sein.
Welche Erwartungen haben Sie an das Geschäftsjahr 2011 für den Schweizer Markt?
Wir erwarten für 2011 weitere operative Fortschritte durch den klaren Fokus auf die disziplinierte Umsetzung von MILESTONE. Zudem streben wir Wachstum an, aber nicht um jeden Preis, sondern profitables Wachstum. Diesem Ziel – verbunden mit einer verstärkten Ausrichtung auf die Kundenorientierung – widmen wir im 2011 hohe Aufmerksamkeit und haben dazu interne Wachstumsprojekte lanciert. Swiss Life will Referenz in der finanziellen Vorsorge sein, aber nicht primär aufgrund der Grösse, sondern aufgrund der ausgezeichneten Produkte und Dienstleistungen sowie einem herausragenden Service.
Die Swiss Life-Aktie hat den SMI in jüngster Zeit deutlich outperformt. Hat der Titel nochmals Potenzial? Immerhin wird ja nun eine Dividendenrendite von fast 3% erreicht.
Wir kommentieren unseren eigenen Aktienkurs nicht.
Die Analystenempfehlungen sind ja recht uneinheitlich. Laut Swiss Life-Webseite wird die Aktie sechsmal zum Kauf empfohlen, vier Analysten raten zum verkaufen und 12 zum halten. Schafft das eigentlich Klarheit für Investoren?
Wir glauben, dass die Analysten die Fortschritte, welche Swiss Life in letzter Zeit erzielt hat, erkannt und auch gewürdigt haben. Trotzdem ist jeder Analyst natürlich frei, seine eigene Empfehlung abzugeben.
Wie wichtig ist Diversity für Ihr Unternehmen und welche Massnahmen sind in Ihrem Unternehmen zum Thema geplant oder schon umgesetzt?
Diversity ist uns sehr wichtig. Mit einem Ausländeranteil von aktuell 18% im Innendienst von Swiss Life profitieren wir bereits heute vom Know-how unserer ausländischen Mitarbeitenden. Der Frauenanteil beträgt 36%. Wir sind wir stetig bemüht, den Frauenanteil in den Kader-, Direktions- und Führungsfunktionen zu steigern. Grössten Wert legen wir auch auf Chancengleichheit und ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld. Verfehlungen werden konsequent geahndet.
Wie schätzen Sie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Führungsnachwuchs ein?
Die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Führungsnachwuchses beurteilen wir zurzeit als gut. Als klare Pluspunkte bezüglich internationaler Wettbewerbsfähigkeit gelten beispielsweise die sehr guten sprachlichen Voraussetzungen, die traditionell guten Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in der Schweiz und gutschweizerische Werte wie Fleiss, Ausdauer, Pflicht- und Qualitätsbewusstsein.
Der Gesprächspartner:
Ivo Furrer (*1957) legte die Basis für seine berufliche Laufbahn mit dem Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Zürich und Freiburg. 1982 trat er ins Marketing der Winterthur Lebensversicherung ein. 1992 übersiedelte er in die USA, wo er für das gleiche Unternehmen im Corporate Underwriting tätig war. 1998 wurde er Chief Underwriting Officer bei Winterthur International in London, wechselte aber 1999 zur Credit Suisse Group. Ab 2002 arbeitete Ivo Furrer bei Zurich Financial Services und entwickelte ab 2005 als Mitglied der Geschäftsleitung Global Corporate auf globaler Stufe das Key Account und Distributionsmanagement weiter. 2007 wurde er zum CEO Leben Schweiz und Mitglied des Global Life Executive Committee der ZFS ernannt. Seit September 2008 ist Ivo Furrer Mitglied der Konzernleitung und Chief Executive Officer Schweiz (CEO Schweiz) der Swiss Life-Gruppe.
Das Unternehmen:
Die Swiss Life-Gruppe gehört zu den grossen europäischen Versicherungskonzernen. In der Schweiz und dem Ausland betreut sie Privat- und Firmenkunden. Die Swiss Life Holding AG mit Sitz in Zürich geht auf die 1857 gegründete Schweizerische Rentenanstalt zurück. Seit 2008 gehört zudem die deutsche Versicherungsvermittlungsgruppe AWD zum Swiss Life Konzern. Die Aktie der Swiss Life Holding AG ist an der SIX Swiss Exchange kotiert (SLHN). Die Swiss Life-Gruppe beschäftigt rund 8100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.