von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Sanche, im Q1-Vergleich stieg der Umsatz und fiel die Nachfrage. Was heisst das für die nächsten Quartale?
Jacques Sanche: Die Nachfrage war auch in Q1 auf einem hohen Niveau, hat aber nicht mehr das Rekordniveau vom Vorjahr erreicht. Der Umsatz ist erneut markant gestiegen, unter anderem da wir Projekte aus den Auftragsbüchern abgearbeitet haben. An einigen Standorten arbeiten wir immer noch an der Kapazitätsgrenze und dies an sechs Tagen die Woche. An anderen Standorten hingegen bereiten wir uns darauf vor, das Produktionsprogramm an möglicherweise tiefere Volumen anzupassen. Für den Geschäftsgang in den nächsten Quartalen wird entscheidend sein, flexibel auf die aktuellen Marktgegebenheiten zu reagieren und auch in der Kostenstruktur flexibel zu bleiben.
Trotz Bremsspuren bei der Konjunktur kennt Bucher Industries, wie so viele Konzerne mit anspruchsvollen Produkten, einen ausgeprägten Fachkräftemangel. Wie könnte man den langfristig beheben?
Bucher ist ein attraktiver Arbeitgeber, der seine Mitarbeitenden wertschätzt und fördert. So werden beispielsweise rund zwei Drittel unserer Führungskräfte intern rekrutiert. Unser Beitrag zur Gewinnung, Herstellung und Verpackung von Nahrungsmitteln, sowie zur Sauberkeit und Sicherheit von öffentlichen Räumen sind zudem wichtige Argumente für bestehende und zukünftige Mitarbeitende. Doch auch Bucher spürt die Auswirkungen des Fachkräftemangels. Die Automatisierung in unseren Fertigungen wird weiter zunehmen. Damit können wir auch die Attraktivität der Arbeitsplätze in der Fertigung steigern, da der Roboter die sonst körperlich anstrengende oder sich häufig wiederholende Arbeit übernimmt. Zudem ist es uns ein Anliegen, unsere Mitarbeitenden zu fördern, etwa über Schulungen.
«Rund zwei Drittel unserer Führungskräfte werden intern rekrutiert.»
Jacques Sanche, CEO Bucher Industries
7,2% beträgt die Kündigungsrate beim Bucher-Konzern. Das kann also nicht der Grund sein.
Mit 7% liegt die Kündigungsrate von Bucher auf einem für Industrieunternehmen ordentlichem Niveau, jedoch über dem internen Zielwert. Eine erhöhte Kündigungsrate wurde vor allem in USA und Australien verzeichnet, wo der Arbeitsmarkt bedeutend flexibler ist. Dort haben wir einen sehr angespannten Arbeitsmarkt, nicht zuletzt wegen der starken Konkurrenz von Firmen, die im Onlinehandel tätig sind. Inzwischen hat sich die Situation wieder leicht normalisiert. Wir arbeiten laufend daran, Mitarbeitenden attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten mit spannenden Aufgaben, ansprechenden Sozialleistungen sowie flexiblen Arbeitszeiten.
Sehr gut hat sich im gesamten letzten Jahr die Nettoaktivenrendite (RONOA) nach Steuern auf stolze 28,6% hochgeschraubt. Worauf ist das hauptsächlich zurückzuführen?
Der stark gestiegene Umsatz im letzten Jahr sowie der damit verbundene Anstieg der Betriebsgewinnmarge hatte einen positiven Einfluss auf die Nettoaktivenrendite. Insbesondere das gute Ergebnis von Bucher Emhart Glass sowie der Kuhn Gruppe in Brasilien haben dazu beigetragen. Die Landwirtschaft in Brasilien verzeichnete im letzten Jahr einen regelrechten Boom. Aber auch die Nachfrage nach nachhaltigen Glasverpackungen ist weltweit gestiegen, und so konnte Bucher Emhart Glass von Ersatzinvestitionen profitieren, bei denen ältere Maschinenparks durch neue Anlagen ersetzt wurden, aber auch diverse neue Glasbehälterproduktionsanlagen ausrüsten.
«Insbesondere das gute Ergebnis von Bucher Emhart Glass sowie der Kuhn Gruppe in Brasilien haben zur stolzen Nettoaktivenrendite beigetragen.»
Auf der technischen Seite gab es ja viele interessante Neuerungen. Bucher Municipal hat nun beispielsweise elektrifizierte Modelle in allen Produktgruppen. Aber könnten die Strompreiserhöhungen nicht einen Bremser provozieren?
Bucher Municipal verfügt über ein komplettes Produktangebot sowohl mit traditionellen Antriebssystemen als auch diversen elektrifizierten Modellen. Der Kunde hat damit die Auswahl für welchen Antrieb er sich entscheidet. Das hängt auch vom Stromangebot in der Region ab, in der der Kunde tätig ist. Ist eine Photovoltaik-Anlage vorhanden oder der Strom relativ günstig, bieten sich die elektrifizierten Modelle an. Es hängt aber auch von allfälligen Klimazielen der Kommunen ab. So können elektrifizierte Kommunalfahrzeuge der Gemeinde helfen, ihren CO2-Ausstoss zu verringern, um die vorgegebenen Ziele zu erreichen. Die Nachfrage nach elektrifizierten Produkten steigt weiter, das Wachstum normalisiert sich nun jedoch etwas.
Die neuartige Axialkolben-Linie AX in der Division Bucher Hydraulics ist speziell geeignet für elektrifizierte Maschinen. Was macht sie aus?
Die AX Kolbenpumpe ist sowohl für mobile Kranen als auch elektrifizierte Maschinensysteme sowie Press- oder Biegemaschinen geeignet. Sie zeichnet sich durch einen hohen Maximaldruck, einem geringen Geräuschpegel, einer kompakten Bauform sowie einem äusserst hohen Wirkungsgrad aus, ohne dabei auf eine minimale Drehzahlgrenze Rücksicht nehmen zu müssen. Dies ist eine Kombination von Eigenschaften, die eine Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten erlaubt. Das Interesse an der Axialkolben-Linie ist daher sehr hoch. Die Entwicklungszyklen in der Maschinenindustrie sind jedoch relativ lange, die Umsatzvolumen werden entsprechend nicht unmittelbar explodieren.
Weltweit ist Bucher grösster Hersteller von hydraulischen Kompaktaggregaten. Wird da Ihre hohe Präsenz in China und Indien in den nächsten Jahren zu einem Nachfrageboom führen?
Die Märkte China und Indien haben insgesamt grosses Potenzial, aber auch Europa und die USA bleiben attraktive Absatzmärkte. Insgesamt sind wir daher überzeugt, dass Bucher Hydraulics mit ihrer starken Marktstellung sehr gut positioniert ist, auch in Zukunft und über die Zyklen hinweg weiter zu wachsen.
Bucher Emhart Glass wuchs im Vorjahresvergleich um ein Drittel. Warum ist da der Umsatz ausgerechnet in Amerika regelrecht explodiert?
Das starke Wachstum der Division ist auf eine tiefe Vergleichsbasis sowie eine insgesamt positive Stimmung in den Märkten zurückzuführen. Gerade in den USA wurden in den letzten Jahren die Ersatzinvestitionen verschoben. Einige Anlagenbetreiber mussten nun handeln und investieren, da es zu einer Glasbehälterknappheit kam. Global sehen wir, dass Glas als Verpackungsmaterial im Trend liegt, da es unendlich oft wiederverwertbar, nachhaltig und absolut lebensmittelecht ist. In Südamerika wurden zudem neue Anlagen eröffnet oder bestehende Anlagen mit zusätzlichen Produktionslinien erweitert.
Welchen Einfluss hat denn jetzt die verheerende Trockenheit in Südeuropa auf die Kuhn Gruppe?
Die Kuhn Gruppe ist sowohl in Europa als auch in Nord- und Südamerika stark vertreten. Diese breite geographische Präsenz hilft uns, regionale Besonderheiten teilweise zu kompensieren. Kurzfristig dürften die Trockenheit vor allem in den betroffenen Gebieten eher dämpfend wirken. Auch mittel- bis langfristig ist davon auszugehen, dass Trockenheit immer häufiger auftreten werden. Die Bauern werden ihre Anbauweise sowie das, was sie anbauen, anpassen müssen und die Erträge dürften in den betroffenen Regionen weiter zurückgehen.
Ein sorgfältiger Umgang mit Wasser wird immer wichtiger, nicht nur in den aktuell betroffenen Gebieten. Kuhn bietet verschiedene Landmaschinen für unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten und Betriebsgrössen. So zum Beispiel wird bei der ESPRO-Universaldrillmaschine der Boden nur dort belüftet und gepflügt, wo auch gesät wird. Der dazwischen liegende Boden wird dabei nicht bearbeitet. Das schont die Böden und mildert eine weitere Austrocknung.
«Bei Bucher Hydraulics kommt es teilweise immer noch zu längeren Lieferzeiten.»
Den bestehenden Auftragsbestand von rund 2 Milliarden CHF kann Bucher Industries in Ruhe abarbeiten. Hat sich die Front bei den Rohstoffen und den Elektronikkomponenten weiter entspannt?
Die Situation in der Lieferkette hat sich vielerorts entschärft, was sich auch in der starken Umsatzentwicklung im ersten Quartal widerspiegelt. Die Beschaffung von Chassis, Elektronikkomponenten sowie elektrischen und hydraulischen Komponenten ist aber immer noch teilweise herausfordernd. Daher kommt es bei Bucher Hydraulics teilweise immer noch zu längeren Lieferzeiten.
Das Agrargeschäft ist ein äusserst saisonales Geschäft, da die Kunden ihre neuen Maschinen vor Saisonbeginn benötigen. Ein Zurücklehnen gibt es daher bei uns im Frühling und Sommer nicht. Sondern wir krempeln unsere Ärmel hoch und arbeiten die Bestellungen ab, um unsere Kunden bestmöglich zu bedienen.