Jan Eckert, CEO Jones Lang LaSalle, im Interview

Interview von Karin Bosshard

Moneycab.com: Die Werte von Immobilien sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, was sich in den Büchern der Immobilieninvestoren positiv niederschlägt. Wie beurteilen Sie als Bewertungsexperte diese Entwicklung und den Ausblick in die Zukunft?

Jan Eckert: Für einen Bewertungsexperten, der den Marktwert ermitteln muss, ist vor allem Liquidität und Transparenz wichtig. Liquidität weil entsprechend viele Referenzpunkte vorhanden sind und Transparenz damit er versteht, wer welche Transaktion mit welcher Motivation durchgeführt hat. Beides sind ganz wesentliche Informationen, um sich ein Bild der derzeitigen Situation auf dem Markt und damit für die Marktwertbestimmung zumachen.

Was viele Marktteilnehmer falsch verstehen, ist die Tatsache, dass eine Bewertung grundsätzlich keine Meinung oder Empfehlung ist, ob der Markt, ein spezifisches Investment oder der Zeitpunkt einer Transaktion gut oder schlecht ist. Eine Bewertung ist keine Kauf- oder Verkaufsempfehlung, sondern nur eine Bestimmung eines Marktwertes einer Liegenschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt. Wenn sich wichtige Parameter verändern, kann dieser Wert schon in wenigen Monaten ein ganz anderer sein. Der Bewerter ist auch in diesem Fall nur der Messenger, nicht der Schuldige.

«Was viele Marktteilnehmer falsch verstehen, ist die Tatsache, dass eine Bewertung grundsätzlich keine Meinung oder Empfehlung ist.»
Jan Eckert, CEO Jones Lang LaSalle

Wo liegen denn die Herausforderungen für den Bewerter, insbesondere im aktuellen Zins- und Immobilienmarktumfeld?

Ich glaube, man kann nur einen möglichst aktuellen Marktwert bestimmen, wenn man versteht, wie sich Angebot und Nachfrage auf den Transaktionsmärkten und den Mietermärkten entwickeln. Nur wenn ich nahe an diesen Märkten bin, kann ich aktuell bewerten. Wir bei JLL sind direkt in den Transaktionsmärkten und in der Vermietung von kommerziellen Flächen involviert. Aus dieser Tätigkeit verstehen wir nicht nur zu welchen Preisen Immobilientransaktionen und Mietverträge abgeschlossen werden, sondern auch zu welchen weiteren Bedingungen diese Transaktionen stattgefunden haben.

«Der Markt ist deutlich heterogener als er in der Öffentlichkeit dargestellt wird.»

Wir haben im Moment einen sehr heterogenen Investorenmarkt. Es werden sehr hohe Preise bezahlt, wenn wenig Risiken und Top-Immobilien im Spiel sind. Sind die Risiken hoch, investieren ganz andere Käufergruppen in eine ganz andere Art von Liegenschaften. So sehen wir Preissteigerungen in dem einen Segment, in anderen können die Preise aber auch zurückgehen. Der Markt ist deutlich heterogener als er in der Öffentlichkeit dargestellt wird.

Ein sorgfältig errechneter Verkehrs- bzw. Marktwert wird am Markt zum Teil erheblich übertroffen. Sollte Sie das als Immobilienbewerter nicht beunruhigen?

Eigentlich nicht, wenn man genauer diese Transaktionen analysiert besteht sehr oft eine erhebliche zeitliche Verschiebung zwischen der letzten Marktwertbewertung, welche z.B. in eine Bilanz einfliesst und dem Transaktionszeitpunkt. Alleine in den letzten 12 Monaten haben wir eine Renditekompression für Top-Anlagen von 20 bis 30 Basispunkten und mehr gesehen. Das sind unter Umständen über zehn Prozent Wertveränderung seit der letzten Bewertung. Im Weiteren kommt dazu, dass oft Liegenschaften nur dann verkauft werden, wenn ein absolutes Top-Angebot vorliegt.

Für viele Kunden ist es unverständlich, wie sich die Banken bei der Finanzierung von Liegenschaften am Marktwert und nicht an den Marktpreisen orientieren. Was sagen Sie Ihren Kunden?

Ich verstehe jeden, der sich in der Welt der Wertdefinitionen nicht auskennt. Es ist so, dass wir in der Schweiz den Begriff Marktwert etwas gar strapazieren. Eigentlich ist es klar, dass sich der Marktwert möglichst nahe an den effektiven Preisen, die am Markt bezahlt werden, orientieren sollte. Mangels klarer auch gesetzlicher Definition bedienen sich die Banken bei der Vergabe von Hypotheken auch am Marktwert. Nur ist dieser dann ein etwas „konservativer“ Marktwert. Was per Definition falsch ist.

«Im Gegensatz zu sehr vielen internationalen Hypothekenmärkten, haftet bei der überwiegenden Mehrheit von Hypotheken in der Schweiz der Kreditnehmer im ganz wesentlichen Umfang am Wertänderungsrisiko.»

Tatsächlich ermitteln die Banken eigentlich einen „Beleihungswert“ und dies ist durchaus legitim. Der Marktwert unterliegt wie eingangs erwähnt immer wieder kurzfristigen Schwankungen. Damit die Bank nicht bei jeder Änderung des Marktwertes einen sogenannten „Margin Call“  durchführen muss, basiert der Beleihungswert entsprechend auf nachhaltigeren Preisen, Mieten und Verzinsungen. Es ist ein Wert bei dem sich die Bank in einer Komfortzone befindet.

Sollten Ihrer Ansicht nach die Banken sich also aus ihren Komfortzonen hinausbegeben ?

Fairerweise sollte die Marge der Bank dieses für sie reduzierte Risiko widerspiegeln. Im Gegensatz zu sehr vielen internationalen Hypothekenmärkten, haftet bei der überwiegenden Mehrheit von Hypotheken in der Schweiz der Kreditnehmer im ganz wesentlichen Umfang am Wertänderungsrisiko.

In Zürich werden teilweise Transaktionen mit Renditen unter drei Prozent abgewickelt, unabhängig davon, ob das Objekt neu oder alt ist. Was halten Sie aus kurz- und langfristiger Optik betrachtet davon?

Investitionen in Immobilien stehen längstens im Kontext zu anderen Anlagen. Wenn ich für Bonds kaum mehr Verzinsungen erhalte und andere Anlageklassen wie Aktien oder Alternative Anlagen aus welchen Gründen auch immer, nicht in Frage kommen, sind auch drei Prozent Rendite vertretbar. Das entspricht derzeit einer realen Verzinsung von zwei Prozent. Wir hatten Phasen von höheren Renditen mit einer deutlich tieferen realen Verzinsung. Dies mag vertretbar für den Vermögenserhalt sein. Ich gebe Ihnen Recht, für den Vermögensaufbau reicht dieses Renditeniveau nicht wirklich aus.

Deshalb liegen vermutlich grenzüberschreitende Investitionen in kommerzielle ausländische Liegenschaften im Trend, immerhin machen diese bereits einen Drittel aller Investitionen aus. Wie stellen Sie sich den Herausforderungen punkto Volatilität ausländischer Märkte und unterschiedlichen Bewertungsmethoden?

Zuerst, dieses Drittel gilt nur für grosse, internationale Märkte wie New York, London, Paris oder im Moment Deutschland. In der Schweiz haben wir kaum ausländisches Kapital in den Immobilienmärkten und nur für Segmente, für die die Schweizer Investoren kein Interesse haben, wie Hotels oder Spezialobjekte wie Datacenter etc.. Es ist aber ein Fakt, dass die Einschätzung in den grossen, liquiden Immobilienmärkten oft einfacher ist, als das Navigieren in der Schweiz.

Es ist im Moment deutlich einfacher ein Portfolio von einer Milliarde Franken in den USA oder in London und Paris aufzubauen, als in der Schweiz. Die Bewertungsmethoden sind kein Thema, auch wenn sie unterschiedlich zu den unserigen sind. Wichtiger sind die Themen wie ich mit den Währungsrisiken umgehe und natürlich muss ich die jeweiligen Immobilienmärkte eng monitoren, um zu verstehen was vor sich geht.

«Es ist im Moment einfacher ein Portfolio von einer Milliarde Franken in den USA oder in London und Paris aufzubauen, als in der Schweiz.»

Finanzinstitute beklagen sich laut über eine unverhältnismässige Regulierungswut seitens Gesetzgebers. Wann ist die Finanzmarktregulierung in Bezug auf geplante Immobilientransaktionen kontraproduktiv oder unverhältnismässig?

Noch sind Immobilien Transaktionen verhältnismässig wenig reguliert. Ich sehe auch keine Veranlassung diesbezüglich aus Finanzmarktsicht etwas zu verändern. Reguliert ist selbstverständlich das Umfeld der grossen Player auf dem Markt. Ob Fonds, Pensionskassen, die Vergabe von Hypotheken oder die Offenlegungsvorschriften der Börse oder die Rechnungslegungsvorschriften  regeln indirekt das Wirken auf den Immobilienmärkten.

Verständlicherweise ist der Immobilienmarkt zu gross und sein Einfluss auf die Bau- oder Finanzindustrie entsprechend bedeutend, als das der Regulator diesen Markt ignorieren kann. Die Fragen stellen sich aber derzeit weniger zu den eigentlichen physischen Immobilientransaktionen, als wie mit neuen Transaktionsformen zum Beispiel der Verbriefung und Tokenisierung Immobilien auf digitalen Plattformen umgegangen wird. Themen wie Vertriebsbewilligungen und die Regelung über den Handel von solchen Finanzprodukten haben durchaus ihre Berechtigung. Da sehe ich eine vorzeitige Unterstellung und Regulierung eigentlich als produktiver als umgekehrt.

Wie werden sich die Anforderungen an die Immobilienbewerter in den nächsten zehn Jahren verändern?

Die Technologisierung wird weiter gehen. Mit Hilfe von grossen Datenquantitäten, Geoinformationen und der Weiterentwicklung von Algorithmen, werden sich immer mehr die Einflüsse von Veränderungen auf Immobilienwerte messen und simulieren lassen. Durchaus denkbar, dass sich etablierte Verfahren wie DCF Bewertungen durch prospektive Modelle ergänzen oder gar ersetzen lassen. Spannend bleibt, wie lange die Bewertungsindustrie noch in ihrer fragmentierten Form bestehen bleibt und wann eine Konsolidierung auf einige wenige dominante (digitale) Player, welche sich durch Technologie- und Datenführerschaft auszeichnen, wandelt.

Und wie werden sich der nationale und internationale Transaktionsmarkt in den nächsten zehn Jahren verändern?

Auch hier werden die Märkte transparenter, vergleichbarer und es wird immer einfacher werden, Immobilien, unabhängig davon, wo ich gerade bin, zu kaufen und zu verkaufen. Die Transaktionssicherheit wird durch Möglichkeiten in der Digitalisierung gewinnen.

Der Gesprächspartner:
Jan Eckert ist CEO von Jones Lang LaSalle (JLL) in der Schweiz, dem weltweit tätigen Berater für Immobilienbewertungen und -transaktionen. Nach dem Studium an der HWV Zürich als Betriebsökonom, schloss Jan Eckert als Eidg. Dipl. Wirtschaftsprüfer und später als Immobilienökonom an der European Business School (ebs) in Deutschland ab. Jan Eckert verantwortete in seiner über 25-jährigen Tätigkeit in der Immobilienbranche ein Transaktionsvolumen von über CHF 20 Milliarden und ein jährliches Bewertungsvolumen von über CHF 25 Milliarden. Er doziert unter anderem an der Universität Zürich zu Themen der Rechnungslegung und Bewertung von Immobiliengesellschaften.

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