von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Klingelnberg, nach Ausübung der Mehrzuteilungsoption aus dem erfolgreichen Börsengang wird der Streubesitz bei 56,6 Prozent liegen. Warum wollte Ihre Familie nicht doch 50,1 Prozent der Aktien behalten?
Jan Klingelnberg: Bei einem Börsengang spielen sehr viele Aspekte eine Rolle, rationale und emotionale. Die absolute Mehrheit zu behalten hatte dabei für uns keine Priorität. Für uns steht die nachhaltige Sicherung des Unternehmenserfolgs im Vordergrund. Mit dem Börsengang erhöhen wir die finanzielle Flexibilität des Unternehmens und erweitern seinen Handlungsspielraum für Akquisitionen. Es war für uns aber in jedem Fall klar, dass wir als Familie weiterhin als Ankeraktionärin investiert und persönlich engagiert bleiben. Gleichzeitig wollten wir durch einen ausreichend hohen Streubesitz die Aktie auch für Langfristinvestoren interessant machen. Das ist uns gelungen.
Der Börsengang erfolgte ja in einem noch sonnigen Umfeld. Aber am Wirtschaftshimmel ziehen Wolken auf. Ging deshalb alles so schnell über die Bühne?
Am Schluss lief zwar alles sehr schnell und wie am Schnürchen, aber nur dank einer langen und sorgfältigen Vorbereitung und dem grossen Einsatz aller Beteiligten in der entscheidenden Phase. Es ging hier ja um eine Entscheidung mit sehr weitreichenden Konsequenzen, und diese haben wir nicht von der Marktlage abhängig gemacht. Für uns haben Langfristigkeit und Nachhaltigkeit höchste Priorität und in dieser Hinsicht sind wir sehr zuversichtlich, was die Zukunft unseres Unternehmens angeht. Wir verfügen über herausragendes technologisches Know-how, dank dem wir überdurchschnittlich vom Wachstum profitieren werden.
«Für uns haben Langfristigkeit und Nachhaltigkeit höchste Priorität und in dieser Hinsicht sind wir sehr zuversichtlich, was die Zukunft unseres Unternehmens angeht.»
Jan Klingelnberg, CEO Klingelnberg AG
Die Mobilität der Menschen wird nicht abnehmen. Deshalb werden Klingelnberg-Produkte immer Konjunktur haben. Übertreibe ich da?
Sie bringen es auf den Punkt. Die zunehmende Mobilität ist ein Wachstumstreiber, aber auch andere Trends wie Industrie 4.0, E-Mobilität, die steigenden Anforderungen an Getriebe und Oberflächen, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit oder die Automatisierung.
Sie verkaufen nicht nur jede Menge Fräss- und Schleifmaschinen sondern auch Steuerungssoftware wie z.B. die KIMoS (Klingelnberg Integrated Manufacturing of Spiral Bevel Gears). Glauben Sie, dass alle Erstzeichner der Klingelnberg-Aktie verstanden haben, was das Unternehmen genau macht?
Ich bin überzeugt, dass sehr viele verstanden haben, dass wir nicht einfach Standard-Wälzschleifmaschinen bauen, sondern dass wir mit den Mess- und Software-Komponenten sowie unserem einzigartigen Closed-Loop-Verfahren vor allem auch ein Technologieunternehmen mit überdurchschnittlichen Wachstumspotenzial sind.
Sie bauen auch fertige Kegelradsätze, die beispielsweise in Formel 1-Rennwagengetrieben zum Einsatz kommen. All diese Komponenten sind für die Automotion erfolgsentscheidend, aber auch kritisch: Hatten Sie schon mal einen GAU?
Nein, den hatten wir noch nicht. Wir liefern nur Produkte aus, die präzise vermessen und getestet sind. Und wenn ich von Präzision spreche, dann geht es um Mikrometer, also um Tausendstelmillimeter. Bei solchen Spezialanfertigungen können wir zudem von der Entwicklung bis zur Fertigung unser einzigartiges technologisches Know-how einbringen. Rennwagengetriebe sind da ja nur ein Beispiel. Stellen Sie sich vor, welche Kräfte auf ein Zahnrad wirken, wenn ein Eisbrecher durch die zugefrorene See fährt. Auch in solchen extremen Situationen darf nichts passieren.
Wieviel vom Personalheadcount entfällt denn auf QC?
Alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind der Qualität verpflichtet, und die Qualität unserer Produkte wird bei jedem Fertigungsschritt überprüft. Die Qualität eines Produkts fängt aber schon in der Entwicklung an. Fast 20 Prozent unserer Mitarbeitenden sind bei uns in Forschung und Entwicklung tätig. Innovation ist für uns ein entscheidender Erfolgsfaktor. Seit ich vor 14 Jahren die Führung des Unternehmens übernommen habe, war mir vor allem auch wichtig, eine Innovationskultur zu schaffen, in der wir uns ständig hinterfragen und laufend weiter verbessern.
Big Data ist bei Klingelnberg insofern ein Thema, als Sie ihre ganzen Produktionswege konstant datentechnisch vernetzen. Kann Ihnen da überhaupt ein Fehler entgehen?
Das Ziel des Closed-Loop-Verfahrens ist es tatsächlich, Fehler, oder sagen wir besser Abweichungen, zu entdecken und zu korrigieren.
Bergbau und Landwirtschaft sind Sektoren, in denen Klingelnberg-Komponenten besonders harten Bedingungen durch Wetter und Schmutz ausgesetzt sind. Wie sieht der optimale Schutz dagegen aus?
Auch dort gilt: Unsere Produkte müssen und können härtesten Bedingungen trotzen. Da ist es unerheblich, ob im Bergbau, im Eisbrecher, in der Formel 1 oder in der Produktion von Windenergie.
«Wir haben derzeit über 210 aktive Patente und weitere 170 angemeldet.»
Ihre Ingenieure entwickeln fast alles in Eigenregie. Wie schützen Sie Ihr geistiges Eigentum?
Die Innovationsleistung unserer Ingenieure ist tatsächlich sehr beeindrucken, und der Schutz des geistigen Eigentums für uns von grösster Bedeutung. Wir haben derzeit über 210 aktive Patente und weitere 170 angemeldet. Wir sind hier gut abgesichert.
Analysten sagen für die nächsten Jahre höhere Metallpreise voraus. Können Sie diese voll auf Ihre Kunden überwälzen?
Die Kosten für das Metall machen nur etwa 3% unseres Umsatzes aus und spielen deshalb eine untergeordnete Rolle.
«Es gibt einige gute Unternehmen mit Spezial-Know-how und guten Nischenpositionen im Bereich von bis zu CHF 50 Millionen Umsatz, die sehr gut zu uns passen.»
Welchen Anteil an Ihrem Umsatz trägt das Service-Geschäft?
Dieser Anteil steigt laufend. Derzeit sind wir bei rund einem Viertel des Umsatzes, und wir wollen diesen Bereich weiter ausbauen.
Ihr Unternehmen will sowohl organisch, als auch durch Zukäufe wachsen. Beeinflusst die momentane Unsicherheit in den internationalen Völkerbeziehungen da Ihre Planung?
Wir haben auch als börsenkotiertes Unternehmen nicht die Absicht, unsere langfristige Ausrichtung zu ändern und uns vom Tagesgeschehen beeinflussen zu lassen. Insofern haben die aktuellen Schlagzeilen keinen direkten Einfluss auf unsere Planung. Es gibt einige gute Unternehmen mit Spezial-Know-how und guten Nischenpositionen im Bereich von bis zu CHF 50 Millionen Umsatz, die sehr gut zu uns passen und mit denen wir gemeinsam noch rascher wachsen könnten. Wenn sich uns hier eine Chance bietet, wo die Bedingungen stimmen und die Kultur passt, werden wir uns das sicher genau anschauen.
Zur Person:
Jan Klingelnberg führt das Unternehmen seit 2004 in siebter Generation. Bevor er CEO des Unternehmens wurde, war er von 2002 bis 2004 Leiter des Geschäftsbereichs Stirnräder. Zwischen 2000 und 2002 war er in verschiedenen Funktionen für die ZF Passau GmbH in Brasilien und den USA tätig und arbeitete zuvor als Manager für Strategieplanung bei der SMS Demag AG in Deutschland. Seit 2008 ist Jan Klingelnberg auch Mitglied im Vorstand des VDMA, der grössten Netzwerkorganisation des Maschinenbaus in Europa. Jan Klingelnberg verfügt über einen Abschluss in Industriemanagement der Carnegie Mellon University in Pittsburgh. Mit seiner Frau und seinen zwei Kindern lebt er in der Nähe von Zürich.
Zum Unternehmen:
Das Familienunternehmen Klingelnberg, gegründet 1863, ist ein Maschinenbau- und Messtechnikunternehmen der Verzahnungsindustrie. Zu den Klingelnberg Geschäftsbereichen zählen insgesamt vier Produktlinien: Oerlikon Kegelrad-Technologie, Höfler Stirnrad-Technologie, Klingelnberg Präzisionsmesszentren, Klingelnberg Antriebstechnik/Lohnverzahnung. Klingelnberg-Lösungen kommen neben der Automobil-, Nutzfahrzeug- und Luftfahrtindustrie auch im Schiffbau, der Windkraftindustrie sowie im allgemeinen Getriebebau zum Einsatz. Die Anwendungen reichen von Automobilantrieben über Flugzeugturbinen-Triebwerke und Zementmühlengetriebe bis hin zu Antrieben für Schiffe oder Ölbohrplattformen. Seit den Ursprüngen vor über 150 Jahren ist Klingelnberg inhabergeführt – heute leitet Jan Klingelnberg das Unternehmen in der siebten Generation.