Janine Fuchs, Mitgründerin WE SHAPE TECH, im Interview

Janine Fuchs, Mitgründerin WE SHAPE TECH, im Interview
Janine Fuchs, Gründerin WE SHAPE TECH (Foto: Luis Laugga, Impact Hub Zürich)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Frau Fuchs, heute wird der Tag der Frau gefeiert. Wie sehen Sie die Rolle von Frauen in der IT- und Tech-Szene, ein Grund zu feiern?

Janine Fuchs: Frauen sind in diesem Bereich nach wie vor stark unterrepräsentiert. Gemäss Eurostat liegt der Frauenanteil im IT- und Tech-Bereich bei etwa 13 Prozent, es gibt also reichlich Potential nach oben. Aber natürlich gibt es auch einen Grund zu feiern.

«Heute kann es sich kaum noch Firma leisten, die Augen vor der Gender-Thematik zu verschliessen.» Janine Fuchs, Gründerin WE SHAPE TECH

Das Thema Diversität im Technologie- und Innovationsbereich ist aktueller denn je, es wird in den Medien viel darüber berichtet und die Gesellschaft wird vermehrt sensibilisiert. Heute kann es sich kaum noch eine Firma leisten, die Augen vor der Gender-Thematik zu verschliessen. Nicht zuletzt weil bereits mehrere Studien gezeigt haben, dass Produkte, die in Teams mit hoher Diversität hergestellt wurden, am Markt erfolgreicher sind

Sie waren eine der Mitgründerinnen des Colab Zurich, das heute Teil des Impact Hubs ist. Welche von den ursprünglichen Ideen haben sich durchgesetzt, wo sehen Sie noch ungenutzte Möglichkeiten?

In einer Zeit, wo vermehrt selbständig, projektbezogen und zeitlich begrenzt gearbeitet wird, ist ein physischer Arbeitsort sehr wertvoll. In unseren Coworking-Spaces zeigt sich dies jeden Tag. Die Coworker tauschen sich aus, inspirieren sich gegenseitig, lernen voneinander und geben sich Tipps. Kollaboration ist im Impact Hub Zürich ein zentrales Stichwort. In den Anfangszeiten des Colab Zurich beschränkten sich diese Zusammenarbeiten auf eine Community aus Techies und Kreativen. Durch den Zusammenschluss mit dem Impact Hub hat sich das Ökosystem deutlich vergrössert.

Wir pflegen Partnerschaften mit Grossfirmen und Initiativen wie etwa der Axa und Engagement Migros und entwickeln und ergründen gemeinsam die Zukunft der Arbeit. Dem Impact Hub ist es wichtig, Teil der Wirtschaft zu sein und diese mitzuprägen. Natürlich gibt es auch hier Weiterentwicklungsmöglichkeiten – etwa wenn es darum geht, die Beziehungen zwischen Coworkern, Grossunternehmen und der Community weiter zu stärker und Formate zu schaffen, welche dies ermöglichen.

Während Männer keine Probleme haben, berufliche Netzwerke für sich zu nutzen, tun sich Frauen oft schwerer, berufliche Beziehungen zu erschliessen. Sie haben mit “WE SHAPE TECH” eine Plattform für Frauen in Tech-Berufen geschaffen. Wie ist der Zuspruch, wie die Reaktion aus anderen Netzwerken?

Wir haben WE SHAPE TECH vor einem Jahr gegründet – in der Zwischenzeit ist das Netzwerk von 30 Kontakten auf 800 gewachsen. Die Nachfrage ist gross, nicht nur von Teilnehmerinnen, sondern auch von Firmen, die sich mit Fragen der Diversität auseinandersetzen wollen. Unsere Community setzt sich zusammen aus einer guten Mischung von Studienabgängerinnen, Angestellten, Selbständigen, Startups und Seniors. Diese Durchmischung ist sehr wertvoll, da es um gegenseitiges Empowerment geht.

«In grossen Unternehmen ist die Kultur heute zum Teil noch zu wenig frauenfreundlich. Es bräuchte unter anderem verstärkt flexible Arbeitszeiten oder die Möglichkeit eines Job-Sharings in Management-Positionen.»

Natürlich gibt es neben WE SHAPE TECH zahlreiche weitere interessante Initiativen im Bereich Gender und Diversität. Wir sehen solche Organisationen aber nicht als Konkurrenz, sondern versuchen, mit möglichst Vielen Kontakt zu schliessen, uns auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen. Organisationen, die ähnliche Ziele verfolgen wie wir, sind für uns Mitstreiter für dieselbe Sache.

Beim Kickstart Accelerator in Zürich, einer der grössten internationalen Startup-Veranstaltungen, sind Gründerinnen ebenfalls eine Minderheit. Was braucht es, damit Frauen vermehrt ihre Ideen in eigenen Unternehmen umsetzen?

Selbstvertrauen. Leider zeigt sich immer wieder, dass sich Frauen weniger zutrauen als Männer. Sich selbständig zu machen, bringt viele offene Fragen und Risiken mit sich. Das Risiko zu scheitern ist relativ gross. Gerade in diesem Umfeld ist viel Selbstvertrauen gefordert, was Frauen oft schwerer fällt.

«In einem vernunftbasierten Wirtschaftssystem sollten sich Menschen auf die Arbeiten und Aufgaben konzentrieren, in denen sie gegenüber Maschinen einen klaren Wettbewerbsvorteil haben.»

Ich ziehe es aber vor, die erfreulichen Aspekte zu betonen: Insgesamt ist die Zahl der Startup-Gründerinnen nämlich seit Jahren steigend. So sind gerade im Umfeld des Impact Hub spannende Projekte entstanden – von veganer Eiscrème über Coding-Bootcamps bis hin zu Sprachlehr-Programmen. Und auch der Kickstart Accelerator setzt sich zum Ziel, Startup-Gründerinnen verstärkt zu fördern.

Ein Grund, weshalb Frauen oft weniger gerade Karrieren anstreben, ist die Vereinbarung von Familie und Beruf. Sie selbst sind Mutter und Unternehmerin. Was braucht es, dass die Balance gelingt?

Es ist klar, dass ich mein Unternehmen ohne die Unterstützung aus meinem Umfeld nicht vorantreiben könnte. Aktuell arbeite ich 70 Prozent. Konkret heisst das für mich und meinen Partner zwei Krippentage, ein Papi-Tag sowie eineinhalb Mami-Tage unter der Woche. Zudem schaut meine Mutter einen halben Tag pro Woche für unsere 2-jährige Tochter. Von Vorteil ist, dass ich als Selbständige mehr Flexibilität innerhalb meines Arbeitspensums habe. In grossen Unternehmen ist die Kultur heute zum Teil noch zu wenig frauenfreundlich. Es bräuchte unter anderem verstärkt flexible Arbeitszeiten oder die Möglichkeit eines Job-Sharings in Management-Positionen.

Die Digitalisierung hat das Potential, sowohl die grössten Fortschritte der Menschheit zu ermöglichen, als auch zur grössten Jobkillerin zu werden. Welches Entwicklung sehen Sie bei der digitalen Transformation, was sollte getan werden, um die Risiken klein zu halten?

Die Digitalisierung verändert unser Arbeits- und Lebensmodell, damit müssen wir uns auseinandersetzen. Meiner Meinung nach geht es in erster Linie darum, Menschen anhand der neuen Technologien und Geschäftsmodelle in die Lage zu versetzen, ihre eigenen Fähigkeiten zu verstärken. In einem vernunftbasierten Wirtschaftssystem sollten sich Menschen auf die Arbeiten und Aufgaben konzentrieren, in denen sie gegenüber Maschinen einen klaren Wettbewerbsvorteil haben. Damit können auch neue Chancen entstehen, die wir nutzen sollten.

Zur Gesprächspartnerin:
Janine Fuchs (1976, Doppelbürgerin CH/GB) gründet 2008 nach ihrem Master of Advanced Studies in «Design Culture» an der Zürcher Hochschule der Künste mit ihrem Geschäftspartner Stephan Kauflin die Firma GRAFIK2 für analoge und digitale visuelle Kommunikation (www.grafik2.ch). Im Jahr 2015 ruft GRAFIK2 gemeinsam mit der Firma Panter das Colab Zurich ins Leben, einen Coworking-Space für Techies und Kreative. Kurz darauf schliesst sich Colab Zurich mit dem Impact Hub zusammen (heute Impact Hub Zürich). Mit zwei Partnerinnen initiiert Janine Fuchs 2016 das Netzwerk WE SHAPE TECH, das sich für mehr Diversität im Bereich Technologie und Innovation einsetzt ( www.weshape.tech). Janine Fuchs ist verheiratet und Mutter einer zweijährigen Tochter.

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