von Bob Buchheit
Moneycab.com: Frau Pilloud, in Jahrzehnten hat sich Ascom von einem breiten Telco-Unternehmen zum Healthcare-Workflow-ICT-Unternehmen spezialisiert. Neben dem Hospital- wird der Enterprise-Bereich aber immer wichtiger. In welchen neuen Branchen werden Sie Schwerpunkte setzen?
Jeannine Pilloud: Zur Zeit in Long-Term Care. Auf dem bestehenden aufbauend, entwickeln wir neue Produkte und Lösungen, um die Langzeitpflege mit modernsten Kommunikationslösungen zu unterstützen.
Der Umsatzanteil in Asien liegt immer noch bei nur fünf Prozent. Wo und wie wird Ascom dieses gewaltige Potenzial abgreifen?
Wir haben wichtige Projekte in Singapur und Malaysia gewonnen und verfügen auch über eine starke Basis in Australien. Dies wird uns helfen, unsere Präsenz in Asien weiter zu verstärken. Unser Hauptfokus für Wachstum liegt zur Zeit allerdings in den USA, wo wir ebenfalls grosses Potenzial sehen.
«Wir haben wichtige Projekte in Singapur und Malaysia gewonnen und verfügen auch über eine starke Basis in Australien.»
Jeannine Pilloud, CEO Ascom
Nach Umsatz pro Einwohner sind die Niederlande mit weitem Abstand Ascoms grösster Markt. Was kann man von der dortigen Wachstumsstory als Lektion mitnehmen?
Historisch gesehen war die Niederlande immer ein sehr wichtiger Markt für Ascom. Wir haben in der Niederlande in letzter Zeit auch wichtige Projekte wie Erasmus, Amphia oder Slingeland gewonnen, deren Erkenntnisse wir auch für andere Märkte verwenden können.
Der im letzten Jahr abgestürzte EBITDA konnte im Semestervergleich versechsfacht werden. Wann wollen Sie 20 Prozent erreichen?
Trotz der Covid-Krise gelang es uns, ein gutes Halbjahresergebnis 2020 zu erzielen. Unser Ziel für 2020 ist die Erreichung der kommunizierten Guidance, das heisst ein niedriges einstelliges Umsatzwachstum bei einer höheren einstelligen EBITDA-Marge. Weitere Ziele werden wir später bekannt geben.
Im ersten Halbjahr ist der Ascom-Auftragsbestand trotz Covid-Krise kräftig gestiegen. Das erstaunt angesichts des Lockdowns, von dem auch grosse Teile der Hospital-Aktivitäten betroffen waren.
Insgesamt war auch Ascom von der Covid-Krise betroffen, wenn vielleicht auch weniger stark als andere Unternehmen. Verschiedene Projekte wurden verschoben und andere konnten nicht abgeschlossen werden, da wir keinen Zugang zum Kunden hatten. Andererseits profitieren wir davon, dass wir die richtigen Produkte und Lösungen für die Digitalisierung im Gesundheitswesen anbieten können. Zudem haben viele unserer Mitarbeitendenden während der Krise mit viel Leidenschaft die besten Lösungen für unsere Kunden gesucht und vorangetrieben.
«Verschiedene Projekte wurden verschoben und andere konnten nicht abgeschlossen werden, da wir keinen Zugang zum Kunden hatten.»
99 Prozent aller Smartphones und Handys sind von Mikroben besiedelt, immerhin auch fast die Hälfte aller Krankenhaus-Handsets. Wie oft sollen Ascom-Kommunikationsgeräte gereinigt werden?
Unsere Kommunikationsgeräte sind spezifisch für den Gebrauch in Spitälern konzipiert und können jederzeit desinfiziert werden, was nicht für alle anderen Geräte gilt. In der Regel werden die Geräte vor und nach jedem Gebrauch gründlich desinfiziert.
„Security first“: Ascoms Geräte sind Lebensretter. Beispielsweise wenn es bei einer fulminanten Covid-Erkrankung schnell gehen muss. Was sind in der Notfallmedizin die wichtigsten IT-Neuerungen?
Wichtig ist die Orchestrierung von Abläufen im Krankenhaus, von der Aufnahme bis zur Entlassung. In der Regel arbeiten mehrere Personen und Bereiche zusammen, weshalb eine gute Koordination sehr wichtig ist. Unsere Healthcare Plattform setzt genau hier an.
Ascom unterhält mit zwei Banken sehr günstige kurzfristige Kreditlinien. Planen Sie auf mittlere Sicht vielleicht mal eine Anleihe, um sich dann die rekordtiefen Zinsen zu sichern?
Aus heutiger Sicht ist die Finanzierung mit Bankkrediten für Ascom die einfachste Lösung.
Die noch im Frühjahr angedachte Kapitalerhöhung ist also erst einmal vom Tisch?
Es war nie spezifisch eine Kapitalerhöhung geplant. Der Verwaltungsrat wollte dazu anlässlich der Statutenrevision im April 2020 lediglich die statutarischen Voraussetzungen schaffen. Ein konkretes Projekt gibt es nicht.
«Eine grundsätzlich mögliche Option wäre auch eine Line Extension in der Logistik-Branche oder ein Schulterschluss mit einem Grossen dieser Branche.»
Ascom-Systeme sind in 12000 Spitälern verbaut. Sie wollen den Bereich SaaS (Software as a Service) ausbauen, um konstant wiederkehrenden Umsatz zu generieren. Wie hoch wäre der prozentuale Anteil im Idealfall?
Wir streben mittelfristig einen wiederkehrenden Umsatz von insgesamt 35-40 Prozent an.
Mit der Ausweitung der Ascom-Lösungen auf Workflow in allen Branchen, stellt sich für mich die Frage, ob Ascom nicht auch eine Line Extension in der Logistik-Branche wagen könnte oder einen Schulterschluss mit einem Grossen dieser Branche?
Eine solche Option wäre grundsätzlich möglich. Allerdings wollen wir uns in erste Linie auf die Wachstumsmöglichkeiten in unserem Kerngeschäft konzentrieren, wo wir viel Potenzial sehen.