von Patrick Gunti
Moneycab.com: Frau Farda, Noriware ist es gelungen, auf Basis von Algen ein Verpackungsmaterial herzustellen, welches das Potenzial hat, herkömmliche Plastikfolien aus dem Markt zu verdrängen. Wie ist die Idee entstanden?
Während eines Urlaubs in Mexiko entdeckte ich an den Küsten massenhaft Algen und entwickelte ein Interesse für ihre Funktion und mögliche Anwendungen. Zurück in der Schweiz begann ich mich neben meinem Studium «Internationalen Beziehungen und Politik» an der HSG intensiv mit Algen als nachhaltige und schnell wachsende Ressource zu befassen. Mir wurde schnell klar, dass der Anbau von Algen das Potenzial hat, Ozeane und Atmosphäre zu säubern und damit eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielt. Besonders fasziniert hat mich die Möglichkeit, aus Algenverbindungen selbstkompostierbare Verpackungsmaterialien herzustellen. Also begann ich in meiner WG-Küche mit Algen zu experimentieren. Dabei entdeckte ich zufällig ein Verfahren zur Herstellung eines algenbasierten Plastikersatzes. Nach positiven Ergebnissen bei meinen Forschungen entwickelte ich ein Konzept und fand Unterstützung bei einem Logistikunternehmen. Schliesslich konnte ich eine Forschungsvereinbarung mit der Materialabteilung der ETH Zürich abschliessen.
Und wie haben Sie die Idee weiterentwickelt?
Nach den vielversprechenden Ergebnissen der ETH bewarb ich mich für das Startup-Programm der HSG, wo ich Finanzierung, Coaching und Rechtsberatung erhielt. Mir wurde klar, dass ich ein Team brauchte, um meine Vision voranzutreiben. Ich fand meinen Co-Founder Stefan Grieder, einen Polymeringenieur mit langjähriger Forschungserfahrung in alternativen Materialien und Kunststoffverarbeitung an der FHNW. Gemeinsam reichten wir einen Antrag für den Innovation Booster von Innosuisse ein und erhielten eine Auszeichnung für «Plastics for Zero Emission». Mit dem Preisgeld begannen wir eine Zusammenarbeit mit dem Institut für Kunststofftechnik und Nanotechnologische Verfahren (IKT/INKA) an der FHNW , um unsere Formulierungen zu entwickeln und das Produktionsverfahren zu planen. Der Aargauer Forschungsfonds hat die Zusammenarbeit mit dem Institut um ein weiteres Jahr verlängert. Neben der Forschung entwickelten wir unser Geschäftsmodell weiter, identifizierten Anwendungsbereiche, vereinbarten erste Testverfahren mit Kunden und suchten nach Beschaffungs- und Produktionspartnern.
Welche Eigenschaften weist die Verpackungsfolie Norifilm auf?
Der Norifilm ist zurzeit transparent, reissfest, hat hohe Barriereeigenschaften gegenüber Fetten und Ölen und kann in verschiedenen Stärken/Dicken hergestellt werden. Zudem lässt er sich bedrucken und heiss-versiegeln. Der Norifilm bringt vieles mit, was auch erdölbasierte Kunststoffe umfassen, nur dass er im Heimkompost biologisch abbaubar ist und nur aus natürlichen Materialien besteht. All diese Eigenschaften machen den Norifilm zum idealen Material für allerlei Anwendungen, zum Beispiel als Verpackung für frische Lebensmittel wie Tomaten, als Schutz für den Versand von Textilien, als Luftpolsterfolien oder Mulchfolien in der Landwirtschaft. Wir optimieren laufend sämtliche relevanten Eigenschaften wie Feuchtigkeitsbeständigkeit und Elastizität unter Einbezug der Abbaubarkeit, weshalb zu den genannten Eigenschaften sicherlich noch einige dazukommen werden.
«Der Norifilm bringt vieles mit, was auch erdölbasierte Kunststoffe umfassen, nur dass er im Heimkompost biologisch abbaubar ist und nur aus natürlichen Materialien besteht.»
Jessica Farda, Gründerin und CEO Noriware
Und nach Gebrauch zersetzt sich die Folie ohne weiteres Zutun im Hausmüll?
Die Folie ist kompostierbar und zersetzt sich im Heimkompost. Die Zersetzung erfolgt durch Mikroben im Kompost, wobei die Geschwindigkeit von der Formulierung und dem Zweck der Verpackung abhängt. Wir haben Formulierungen entwickelt, die sich innerhalb von 2 Tagen zersetzen, und solche, die sich innerhalb eines Jahres zersetzen. Unser Ziel für den Norifilm ist es, dass er sich im Heimkompost ohne Energiezufuhr in weniger als 3 Monaten abbaut.
Wir streben ein Gleichgewicht zwischen der Haltbarkeit des verpackten Produkts und der Haltbarkeit der Verpackung selbst an. Unser Hauptanliegen ist jedoch, dass das Material, egal wo es landet (Mülldeponie, Meer, Kompost), der Umwelt keinen Schaden zufügt. Im Gegenteil, wir wollen, dass Norifilm zu einer Nahrungsquelle für die Umwelt wird.
Was können Sie uns zur Produktion des Materials verraten?
Die Produktion findet bei unserem Produktionspartner in der Schweiz statt und wird auf konventionellen Kunststoffverarbeitungsmaschinen hergestellt. Für die verarbeitende Industrie bedeutet dies, dass keine Anpassungen im Produktionsprozess und somit keine Investitionen in neue Anlagen nötig sind.
«Die verarbeitende Industrie benötigt keine Anpassungen im Produktionsprozess und somit keine neuen Investitionen in neue Anlagen.»
Es gibt verschiedene Firmen, die sich der Verpackungsalternative ohne Plastik auf Basis von Algen verschrieben haben. Wie unterscheidet sich Noriware von diesen?
Im Gegensatz zu algenbasierten Verpackungsmaterialien anderer Hersteller kann das Produkt von Noriware effizient und hochskalierbar auf den bestehenden Infrastrukturen und Maschinen der Kunststoffindustrie produziert werden. Durch die Auswahl geeigneter Inhaltsstoffe, Formulierungen und Modifizierungen des natürlichen Polymers in Kombination mit dem Herstellungsprozess kann unsere Technologie an eine breite Palette von Anwendungen angepasst werden und liefert stabile Ergebnisse.
In welchen Branchen sehen Sie den Haupteinsatzbereich?
Der Norifilm wurde zunächst entwickelt, um die Abfallmenge in der Textilversandindustrie zu minimieren. Es gewährleistet den Produktschutz für Textilien im Direktversand. Darüber hinaus erfüllt eine unserer Formulierungen die Anforderungen für eine mögliche Lebensmittelzulassung, was unser Produkt als Verpackungsmaterial für frische Lebensmittel interessant macht. Durch die Erhöhung der Elastizität kann das Material auch als Luftpolsterfolie eingesetzt werden. Wir sind dabei, weitere Branchen zu identifizieren, um den grösstmöglichen positiven Nutzen für die Umwelt zu erzielen.
Algen weisen eine Vielzahl positive Eigenschaften auf und sind eine schnellwachsende Ressource. Zum Verständnis: Wie viel Algenmasse wird für die Verpackung zum Beispiel einer Kleiderlieferung benötigt?
Diese Frage wird uns oft gestellt. Nehmen wir an, dass für die Verpackung eines Pullovers 1 m2 Norifilm benötigt wird. Dann muss für die Herstellung zwischen 30 und 50 g Meeresalgen wachsen.
Algen kommen auf der ganzen Welt vor. Es gibt Meeresalgen, Seealgen, auch Flussalgen. Eignen gewisse Algen besser als andere für die Verarbeitung?
Meeresalgen bieten viele Vorteile für eine nachhaltige Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft. Sie können ohne zusätzlichen Flächenbedarf angebaut werden, wachsen schnell und benötigen im Vergleich zu Landpflanzen weniger Fläche. Meeresalgen können in verschiedenen Umgebungen kultiviert werden, sind kostengünstig und können das ganze Jahr über geerntet werden. Sie weisen eine hohe Effizienz bei der Umwandlung von Rohstoffen in Produkte auf. Der Anbau von Meeresalgen trägt zur Reinigung der Ozeane und der Atmosphäre bei, da sie Sauerstoff produzieren und CO2 binden. Algenwälder bieten zudem wichtige Lebensräume für Muscheln und Fische. Die chemische Zusammensetzung von Meeresalgen ist ideal für die Herstellung von Biopolymeren und die Lieferkette ist bereits gut erschlossen. Deshalb haben wir See- und Flussalgen bisher nicht näher untersucht.
«Unser erstes Produkt wollen wir 2024 zum ersten Mal kommerziell einzusetzen.»
Noriware hat zuletzt über 1 Mio Franken Investitionskapital aufnehmen können. Serial-Entrepreneurs und Experten der Verpackungsindustrie zeigen sich von Ihrem Produkt überzeugt. Wofür wird das Geld eingesetzt?
Mit dem Geld bauen wir unsere Labor- und Büroinfrastruktur in Lupfig AG weiter aus, vergrössern unser Team und vor allem entwickeln wir unser Produkt in Zusammenarbeit mit unseren Kunden, mit denen wir Testverfahren geplant haben, um ihre Marktbedürfnisse in unsere Anwendungen einfliessen zu lassen, weiter.
Welche Schritte folgen nun auf dem Weg zur Marktreife des Produkts und wann soll es erstmals kommerziell eingesetzt werden?
Bis das Produkt marktreif ist, steht in der Entwicklung noch einiges an. Wir verbessern nun gemeinsam mit unseren Kunden die Formulierungen unserer Folien und testen das Material laufend zuerst auf Labormaschinen und dann mit unserem Produktionspartner auf Produktionsmaschinen. Zudem optimieren wir die Lagerfähigkeit und Kompostierbarkeit der Materialien. Unser erstes Produkt wollen wir 2024 zum ersten Mal kommerziell einzusetzen.
Frau Farda, besten Dank für das Interview.