Jim-Heng Lee, CEO dormakaba Group, im Interview

Jim-Heng Lee, CEO dormakaba Group, im Interview
Jim-Heng Lee, Konzernchef von Dormakaba. (Bild: Dormakaba)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Lee, wie verliefen Ihre ersten Monate im Amt in drei Sätzen?

Jim-Heng Lee: Es war eine sehr intensive Zeit, in der ich mich auch dank meiner langjährigen Erfahrung innerhalb der Organisation schnell in meine neue Rolle als CEO der dormakaba Gruppe eingearbeitet habe. Durch meine Besuche an unseren Standorten und Treffen mit wichtigen Kunden in den meisten
unserer Kernmärkten habe ich einen detaillierten Überblick erhalten. Unser Fokus liegt auf der systematischen Implementierung und operativen Umsetzung unserer Shape4Growth-Strategie – hier liegen wir auf Kurs.

Was ist neu?

Wir haben beispielsweise eine Vereinbarung zur Veräusserung unseres Metallhohltüren-Geschäfts Mesker getroffen, die es uns ermöglicht, den Fokus in der Region Americas auf das Kerngeschäft Zutrittslösungen zu legen. Basierend auf unseren Produkten bieten wir spezifische Lösungen für ausgewählte Marktsegmente wie zum Beispiel Spitäler, Hotels, Flughäfen, Versorgungsunternehmen oder die Wohnwirtschaft an. Diese Vertikalisierung ist ein integraler Bestandteil unserer Shape4Growth-Strategie. Die Verlagerung von «Produkt»- zu «Lösungs»-Clustern ist ein weiterer wichtiger Schritt im Rahmen unserer Strategie. So können wir Kundenbedürfnisse noch einfacher und schneller abdecken.

Und was tut sich in Digitalisierung?

Ein gutes Beispiel für unsere Strategie hin zu einer integrierten Lösung, die nicht vor Ort, sondern in der Cloud betrieben wird, ist unser innovatives EntriWorX Ecosystem. Es sorgt für smarte Planungsprozesse, einfache Installationsabläufe und den sicheren, reibungslosen Betrieb eines Gebäudes. Diese strategischen Schritte sind Teil einer stärkeren Kundenorientierung, die wir zum Beispiel auch zusammen mit Investitionen in die Spezifikationskapazität und -fähigkeit oder die Harmonisierung der IT-Plattform umsetzen.

Dormakaba ist längst kein «Schlüsseldienst» mehr, sondern ein Hightech-Konzern mit einer R&D-Ratio von 4%. Wo drückt Sie im Moment der Chip-Mangel am meisten? Wann wird das Warenlager geleert sein?

Die weltweite Verknappung bei Mikrochips und anderen elektronischen Komponenten beeinflusst auch einen Teil unseres Kerngeschäfts (Access Control Solutions sowie Entrance Systems) sowie Key & Wall Solutions als Zulieferer für Automotive. Wir überwachen alle Aufträge und Lieferungen genau und bauen aktiv Bestände für elektronische Kernkomponenten auf. Wir haben die Verknappung von elektronischen Bauteilen im ersten Halbjahr 2021/22 gut gemeistert, weil wir die Lagerbestände proaktiv und rechtzeitig erhöht haben, um eine mögliche Verknappung abzufedern. Wie sich unsere Lagerbestände in Zukunft entwickeln werden, hängt von den weltwirtschaftlichen Gegebenheiten ab.

«Wir überwachen alle Aufträge und Lieferungen genau und bauen aktiv Bestände für elektronische Kernkomponenten auf.»
Jim-Heng Lee, CEO dormakaba Group

Wann ist die personelle Neuorganisation abgeschlossen?

Teil von Shape4Growth ist auch ein neues Operating Model. Wir haben im Januar damit begonnen, dieses umzusetzen und neue Funktionen wie den COO implementiert. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass die Veränderungsdynamik direkt vom CEO ausgeht. Deshalb berichtet das Kernteam, das die Transformation vorantreibt, direkt an mich. Gleichzeitig werden wir drei kundenzentrierte Regionen und Vertriebsorganisationen für Access Solutions schaffen: Americas, Asia Pacific und Europe & Africa. Das Ziel all dessen ist die Fokussierung auf unser Kerngeschäft und eine stärkere Kundenzentrierung.

Als Marktführer in Asien hat die dormakaba Gruppe Grosses vor. Was sind die nächsten taktischen Moves dort?

In der Tat waren wir in der Region Asia-Pacific erfolgreicher als unsere Mitbewerber. In den letzten fast acht Jahren haben wir einige bemerkenswerte Ergebnisse erzielt. So konnten wir unsere EBITDA Marge von 8,5% (Geschäftsjahr 2015/16) auf 15% Vor-Covid-Niveau (Geschäftsjahr 2019/20) steigern und hatten ein durchschnittliches organisches Wachstum von 7% in diesem Zeitraum, was deutlich besser ist als bei unseren direkten Mitbewerbern.

Wir sind in Asien stark aufgestellt, wie beispielsweise als Marktführer für Touchless Access Solutions in China und werden vom Wachstum in dieser Region weiter profitieren. Auch in Europa und Amerika sehen wir grosses Potential. In Europa bauen wir auf einer guten Performance weiter auf und werden durch die Umsetzung unserer Shape4Growth-Strategie zusätzliches profitables Wachstum generieren. Das grösste Potential sehen wir in Nord- und Südamerika. Hier gibt es noch Aufholbedarf, und wir sind dabei, den Turnaround erfolgreich umzusetzen. Dafür haben wir uns konkrete Ziele in dieser Region gesetzt: Das jährliche Umsatzwachstum innerhalb der nächsten drei Jahre soll bei 4-6% und die EBITDA-Marge soll zwischen 400 bis 500 Basispunkten in drei Jahren höher liegen.

«Das grösste Potential sehen wir in Nord- und Südamerika. Hier gibt es noch Aufholbedarf.»

Nach der Veräusserung des Geschäfts mit Glassystemen im vergangenen Geschäftsjahr konzentrieren Sie sich nur noch auf Lösungen für Zugänge, Schlüssel und Trennwände. Was könnte es da auf Langfristsicht als technische Revolution geben?

Die Sicherheitsbranche entwickelt sich heute schneller als je zuvor. Technologische Innovation und Digitalisierung spielen die Hauptrolle und gestalten das Leben von morgen. Es gibt verschiedene Bereiche, in denen ich bedeutende technische Fortschritte erwarte, wie beispielsweise Biometrie, Cloud-basierte Zutrittskontrolle oder zentrale Steuerung von Zutritt, Sicherheit und Raumklima in den Smart Cities der Zukunft. Wir partizipieren an dieser Entwicklung. In den letzten zehn Jahren haben wir einen höheren Umsatzanteil für Forschung und Entwicklung ausgegeben als unsere Mitbewerber.

Wegen der kräftig gestiegenen Preise für Elektronikkomponenten sowie hoher Fracht- und Logistikkosten sind bereits manche Firmen in die roten Zahlen gerutscht. Sehen Sie auch Wolken am Horizont?

Im letzten Halbjahr konnten wir aufgrund der gesunden Nachfrage ein starkes organisches Wachstum erzielen. Der Krieg in der Ukraine stellt allerdings ein Risiko für das Geschäftsumfeld dar. So haben sich als Folge die Energie- und Rohstoffkosten erhöht, und wir sind sehr aktiv dabei, unsere Preise entsprechend nach oben anzupassen.

Insgesamt erhöhte sich im 1. Halbjahr 2021/22 die Nettoverschuldung auf 708.3 Millionen Franken (Vorjahr 556.3 Millionen), wozu gerade auch die Akquisitionen von RELBDA, Solus und der Fermatic Gruppe beitrugen. Wie läuft die Integration und was versprechen Sie sich von diesen drei Firmen?

Wir haben eine starke Bilanz und ein stabiles Geschäft. Eine effektive Kapitalallokation wie bei Fusionen und Übernahmen, die unsere Position in Kernmärkten und Kernregionen stärken, wird weiterhin wichtig sein. Deshalb streben wir auch weiterhin Ergänzungsakquisitionen zu unserem Kerngeschäft an, die unser Dienstleistungs- oder Produktangebot erweitern. Durch die Akquisitionen von RELBDA in Australien, Solus in Indien und der Fermatic Gruppe in Frankreich haben wir unser Kernangebot an Produkten und Services für die relevanten Märkte erweitert. Die Übernahmen stehen im Einklang mit dem strategischen Fokus auf das Kerngeschäft und haben sich positiv auf unsere finanzielle Ergebnislage ausgewirkt. Alles verläuft planmässig.

«Wir streben auch weiterhin Ergänzungsakquisitionen zu unserem Kerngeschäft an.»

Um die Shape4Growth-Strategie umzusetzen, wurden das DACH-Segment (Deutschland, Österreich, Schweiz) mit EMEA (Europa, Naher Osten und Afrika) zusammengeführt und die Region Naher Osten wurde in APAC (Asia Pacific) integriert. Was soll das bringen?

Wir haben Wir haben unser Betriebsmodell zum 1. Januar 2022 geändert. Die drei kundenorientierten Regionen und Vertriebsorganisationen für Zugangslösungen – Nord- und Südamerika, Asien-Pazifik sowie Europa und Afrika – werden durch globale Funktionen unterstützt, um Synergien zu nutzen. Zu den globalen Funktionen gehören beispielsweise die neu gegründete Funktion Marketing & Products oder Operations. Zu den erwarteten Vorteilen dieses neuen Betriebsmodells gehören erhebliche Verbesserungen in Bezug auf Kundenorientierung und organisatorische Effizienz.

Sie haben in Singapur studiert. Ist die akademische Mentalität mit derjenigen der Schweiz vergleichbar?

Ich habe meine Ausbildung an der Polytechnischen Hochschule Ngee Ann in Singapur absolviert. Dann qualifizierte ich mich als diplomierter Wirtschaftsprüfer (Certified Public Accountant) in Grossbritannien und erwarb anschliessend einen MBA in Marketing an der Universität Strathclyde. Dormakaba ist ein sehr internationales Unternehmen, das viele Mentalitäten unter einer gemeinsamen Unternehmenskultur vereint. Natürlich ist die Schweizer Mentalität in vielerlei Hinsicht anders als die von Singapur. Trotzdem wird Singapur oft als «Schweiz Asiens» bezeichnet. So sind beide Länder international ausgerichtet und beherbergen eine Mischung von verschiedenen Kulturen und Nationalitäten.

Schreibe einen Kommentar