Jonas Holtz, CEO JES.Group, im Interview

Jonas Holtz, CEO JES.Group (Bild: JES.Group)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Holtz, Sie haben mit der Gründung der HK Solartec GmbH 2013 den Grundstein der heutigen JES.Group gelegt. Was war die damalige Strategie des Unternehmens, wie hat sie sich in den letzten 10 Jahren verändert?

Jonas Holtz: Um ehrlich zu sein, gab es zu Beginn keinen Businessplan oder eine feste Strategie. Für mich war klar, dass Photovoltaik die Zukunft der Energieversorgung sein wird, insbesondere wenn es darum geht, private Haushalte mit Ökostrom zu versorgen. Aus dem ländlichen Raum kommend war mir immer bewusst, dass die dezentrale Energiewende die Lösung für die Klimakrise sein wird, denn ich bin fest davon überzeugt, dass Energie optimalerweise dort erzeugt wird, wo sie auch benötigt wird. Dies ist Teil unserer Vision für eine nachhaltige Energieversorgung und deshalb wollen wir es allen ermöglichen, einen Beitrag zum globalen Klimaschutz zu leisten.

Sie haben ihr Unternehmen in Rostock gegründet, also in Mecklenburg-Vorpommern, was jetzt nicht gerade nach europäischer Sonnenstube tönt. Weshalb gerade Photovoltaik und weshalb Rostock?

Nun, was soll ich sagen. Sie haben recht damit, dass meine Heimat nicht wirklich für die meisten Sonnentage bekannt ist. Jedoch habe ich schon in meiner Kindheit jede Sonnenstunde am Strand verbracht und mich zieht es auch so immer lieber dorthin, wo die Sonne scheint. Zwar haben wir hier oben oft viel Wind, aber Windkraftanlagen kamen für uns bislang nicht in Frage.

«Ich bin fest davon überzeugt, dass Energie optimalerweise dort erzeugt wird, wo sie auch benötigt wird.» Jonas Holtz, CEO JES.Group

Am Anfang unserer Unternehmensgeschichte haben wir vor allem Solaranlagen bei Unternehmen aus der Landwirtschaft realisiert. Das liegt vor allem daran, dass es bei uns daheim sehr viele landwirtschaftliche Betriebe gibt und die Nachfrage dementsprechend gross war und immer noch ist. Hierbei haben wir die Dachflächen für den Besitzer kostenlos saniert und im Gegenzug die Flächen für die Erzeugung von grünem Strom gepachtet. Von diesen landwirtschaftlichen Gebäuden gibt es in Mecklenburg-Vorpommern und in den neuen Bundesländern viele, von daher war die Gründung des Unternehmens in Mecklenburg-Vorpommern nicht nur der Verbundenheit zur Heimat begründet, sondern auch wirtschaftlich ein richtiger Schritt. Daher habe ich mich für PV aus MV entschlossen. Es war nie der Plan, die Firma woanders zu gründen. Heute sind wir in allen Ecken der Republik tätig und stolz darauf, aus Rostock zu kommen.

In den letzten 10 Jahren haben sie mit den verschiedenen Firmen innerhalb der Gruppe ein anhaltendes Wachstum auf mittlerweile fast 250 Mitarbeitende realisiert. Wie ist das bisherige Wachstum finanziert worden, wie soll es in Zukunft finanziert werden und ab wann könnte ein Börsengang ein Thema sein?

Wir waren bis vor kurzem komplett selbstfinanziert, heute würde man sagen gebootstrapt. Zwar gab es herausfordernde Zeiten wie die deutsche Solarkrise, aber ich bin fest davon überzeugt, dass ein gesunder Menschenverstand, Ehrgeiz und ein wenig unternehmerisches Feingefühl ausreichend sind, um ein Unternehmen nachhaltig aufzubauen.

Heute wollen viele immer direkt auf den Mond fliegen und vergessen oder ignorieren dabei oft wirtschaftliche Realitäten. Um nachhaltig zu wachsen, muss man ehrlich zu sich selbst sein und kontinuierlich den nächsten logischen Schritt gehen. Ich glaube, hier liegt aus meiner Sicht der Schlüssel zum Erfolg. Ende 2021 haben wir dann aber auch erkannt, dass zusätzliches Wachstum mit einem soliden finanziellen Polster schneller umsetzbar ist, weshalb wir uns für eine strategische Kooperation mit einem soliden Investor entschieden haben. Mir war hierbei wichtig, dass wir auf Augenhöhe kooperieren und dass sie hinter unserer Mission stehen.

«2021 haben wir mit der zur Unternehmensgruppe gehörenden JES.Green GmbH eine Anleihe im Volumen von 10 Millionen emittiert und haben jüngst am 14.03.2023 eine zweite Anleihe im mit gleichem Volumen herausgegeben.»

Zudem haben wir 2021 mit der zur Unternehmensgruppe gehörenden JES.Green GmbH eine Anleihe im Volumen von 10 Millionen emittiert und haben jüngst am 14.03.2023 eine zweite Anleihe mit gleichem Volumen herausgegeben. Dieses Kapital versetzt uns in die Lage, weiter so stark zu wachsen und immer mehr PV-Anlagen auf Deutschlands Dächer installieren können. Ein direkter Börsengang ist aktuell erst mal keine Option für uns.

Die JES.Group erstellt, verkauft oder verpachtet Solaranlagen, agiert als Stromlieferantin und bietet Investitionsmöglichkeiten in Photovoltaikanlagen. Wie ist die Umsatzverteilung zwischen den verschiedenen Bereichen, wo sehen sie in den kommenden Jahren das grösste Wachstum?

Grob kann man sagen, dass ungefähr 80 Prozent unseres Umsatzes auf den B2C-Bereich ausfällt. Das heisst der überwiegende Teil, wird durch den Vertrieb an private Endkunden umgesetzt. Die Ökostrom- und Investitionsprodukte dienen als Erweiterung unseres Angebots soll dazu dienen allen unseren Kunden eine Beteiligungsmöglichkeit an der dezentralen Energiewende zu bieten. Der Fokus wird daher auch in Zukunft im B2C Geschäft liegen, da wir hier auch das grösste Wachstum erwarten.

Die letzten 10 Jahre gab es enorme technologische Fortschritte. Welches waren die bedeutendsten und welche Neuerungen werden die kommenden Jahre am meisten prägen?

Naja, grundsätzlich hat sich das Prinzip hinter einer PV-Anlage kaum verändert, jedoch sind die Zellen und Module über die Zeit immer effizienter geworden. Insbesondere vor dem Hintergrund der verwendeten Rohstoffe ist die Forschung und Entwicklung immer besser geworden und hat immer innovativere Produktionsprozesse entwickelt. Unseren Kunden kommt das schlussendlich zugute, weshalb wir uns immer darum bemüht haben, die besten am Markt verfügbaren Module im Portfolio zu haben. Ich glaube, in Zukunft wird sich dieser Trend fortsetzen.

«Da die Klimakrise eine globale ist, sollten wir alle an einem Strang ziehen, auch mit den Chinesen.»

Darüber hinaus glaube ich, dass die Technologie hinter der Photovoltaik in immer mehr Anwendungszwecken zum Einsatz kommt. Seien es Dachziegel mit integrierter PV, Autodächer oder auch Balkonkraftwerke. Wichtig für uns ist dabei aber, dass solche Neuerungen eine dementsprechend hohe Verfügbarkeit aufweisen und die Nachfrage unserer Kunden abdecken kann.

Deutschland ist eines der Länder, das am schnellsten aus der Atomkraft ausgestiegen ist. Bis 2030 will die aktuelle Regierung auch gänzlich aus dem Kohlestrom aussteigen, bis 2050 soll der Anteil erneuerbarer Energie auf 80% erhöht werden. Wie realistisch sind diese Ziele, welches sind die grössten Hürden, die beseitigt werden müssen, um diese Ziele zu erreichen?

Die Ziele sind sehr ambitioniert und meiner Meinung nach ist das auch gut so. Denn in Anbetracht der gegenwärtigen Lage ist es mehr als nur notwendig, so schnell wie möglich aus der Kohle auszusteigen. Aber um den Wegfall dieser Kapazitäten stemmen zu können, ist es dringend notwendig, die Energiewende schnell und effizient auf die Strasse zu bringen. Hierfür müssen wir vor allem bürokratische Hürden abbauen und Anreize dafür schaffen, dass sich Menschen aktiv für erneuerbare Energien entscheiden. Sei es bei der Wahl des Stromanbieters, dem Hausbau, Stichwort Wärmepumpe und PV-Anlage oder der Akzeptanz von Windkraftanlagen. Hier muss die Politik entschieden handeln, ansonsten sehe ich schwarz, was diese Ziele angeht.

Deutschland hatte zu Beginn des Jahrtausends nicht zuletzt dank guten politischen Rahmenbedingungen (Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG) eine blühende Solarindustrie mit Weltmarktführern wie der Solarworld. Heute stammen die meisten Komponenten oder Rohstoffe aus China. Wie sehen Sie die Zukunft von Herstellern in Deutschland, welche Rahmenbedingungen müssten verbessert werden, damit die Abhängigkeit von China verringert werden könnte?

Ich glaube, damals wurden irreparable Schäden an der deutschen Solarwirtschaft verursacht. Diese nun wieder aufbauen zu wollen, ist zwar nobles Ziel, bringt uns aber kurz- und mittelfristig nicht weiter, denn bis diese Industrie in einem nennenswerten Umfang leistungsfähig ist, vergehen entscheidende Jahre im Kampf gegen den Klimawandel. Wir müssen schnell handeln und die Chinesen haben über Jahre hinweg bewiesen, dass sie verlässliche Handelspartner sind. Da die Klimakrise eine globale ist, sollten wir alle an einem Strang ziehen, auch mit den Chinesen.

Neben den vielen Vorteilen hat die Photovoltaik den Nachteil, dass sie mindestens die Hälfte des Tages und bei Schlechtwetter nichts oder nur sehr wenig produziert. Welche Technologien stehen zur Überbrückung der Lücken aus Ihrer Sicht im Vordergrund, welche finanziell tragbaren Lösungen empfehlen Sie Ihren Kunden?

Eine erfolgreiche Energiewende kann nur mit einem klugen Energiemix einhergehen. Dabei spielen Windkraft und auch Wasserkraft eine tragende Rolle. Aber auch Geothermie und Biomasse können zu einer intelligenten Stromversorgung beitragen. Ich glaube, hier muss man einfach technologieoffen sein. Grundsätzlich sollte alles, was CO2-Emissionen verhindert, in Betracht gezogen werden. Was die Überbrückung angeht, gibt es heute schon finanziell attraktive Lösungen in Form von PV-Speichern. Für die Industrie sind das natürlich zu geringe Kapazitäten, hier könnte Wasserstoff eine gute Alternative zu batterieelektrischen Speichern bieten.

In Ländern wie der Schweiz wird der Zubau von Solaranlagen gebremst durch den Mangel an Fachkräften. Wie sieht das in Deutschland aus, wie gehen Sie damit im eigenen Unternehmen um?

Der Fachkräftemangel ist branchenübergreifend ein Problem, welches ich mit grosser Sorge betrachte. Hier müssen wir schnellstmöglich effektive Massnahmen definieren, um den Wirtschaftsstandort Deutschland langfristig nicht zu gefährden. Auch in der PV-Branche ist das aktuell ein grosses Thema, denn die Solarinstallateure sind schlussendlich diejenigen, die die Energiewende für Privatleute in aufs Dach bringen.

«Eine erfolgreiche Energiewende kann nur mit einem klugen Energiemix einhergehen. Dabei spielen Windkraft und auch Wasserkraft eine tragende Rolle.»

Auch wir kriegen die aktuelle Situation zu spüren, haben aber aufgrund dessen, dass wir sehr gute Arbeitsbedingungen bieten und attraktive Löhne zahlen, derzeit noch keinen allzu grossen Personalmangel. Nichtsdestotrotz bemühen wir uns stetig um neue engagierte Menschen, die sich beruflich für die Energiewende einsetzen wollen. So bieten wir auch Quereinsteigern gerade bei der Montage der Anlagen eine Chance, in einem absoluten Zukunftsmarkt Fuss zu fassen. Insbesondere durch die Corona- und Energiekrise mussten auch in Mecklenburg-Vorpommern einige grosse Unternehmen (Nordex, verschiedene Werften) Insolvenz anmelden oder Ihre Standorte schliessen, wodurch einige Arbeitnehmer neue attraktive Arbeitsplätze suchen.

Wie gut liessen sich Technologie, Erfahrungen und Abläufe aus ihren Unternehmen auch in anderen Ländern einsetzen, welche Pläne zur Internationalisierung gibt es schon?

Grundsätzlich ist alles, was wir in Deutschland machen, auch in anderen Märkten umsetzbar, allerdings wollen wir uns erstmals auf unseren Heimatmarkt konzentrieren. Es gibt über 16 Millionen Einfamilienhäuser in Deutschland, wovon der Grossteil noch keine PV-Anlage auf dem Dach hat. Ich denke, das reicht, um zu verdeutlichen, wie gross der Bedarf auf dem hiesigen Markt ist. Zu gegebener Zeit ist es aber bestimmt denkbar, dass wir auch auf neue Märkte expandieren werden.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?

Zum einen wünsche ich mir, dass die Politik erkennt, dass die Energiewende nicht nur ein Projekt ist, sondern eine essenzielle Aufgabe, die ihre volle Aufmerksamkeit verlangt. Im Zuge dessen wünsche ich mir zudem, dass unnötige Hürden abgebaut werden und die Regularien so gestaltet werden, dass möglichst viele Unternehmen, Privatpersonen und öffentliche Einrichtungen schnell und unkompliziert Zugang zu klimafreundlichem Ökostrom erhalten.


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