Jos Dijsselhof, CEO SIX Group, im Interview

Jos Dijsselhof

Jos Dijsselhof, CEO SIX Group. (Foto: zvg)

von Sandra Willmeroth

Moneycab.com: Sie sind mitten in der Umstrukturierung des Unternehmens SIX, weil die Geschäftseinheiten «Exchanges», «Securities Services» und «Financial Information» unter dem Dach der neuen «SIX Exchange Group» zusammengefasst werden sollen? Was ist das Ziel dieser Restrukturierung?

Jos Dijsselhof: Durch die neue rechtliche Struktur erhalten die im Börsenumfeld tätigen Geschäfte mehr Flexibilität, um besser Marktchancen nutzen und international ein stärkeres Profil aufbauen zu können. Gleichzeitig kann sich «SIX Banking Services» weiterhin darauf konzentrieren, Lösungen im Interesse des Schweizer Finanzplatzes anzubieten. Die neue Struktur ermöglicht es zudem beiden Geschäftsfeldern, ihre Organisationen besser auf die Bedürfnisse ihrer Kunden auszurichten, sowie zusätzliche Synergien und weitere Margenverbesserungen zu erzielen. Es handelt sich um eine Anpassung lediglich der rechtlichen Struktur des Unternehmens. Die Strategie, Verwaltungsrat und Konzernleitung verbleiben unverändert.

Es hiess, es werde zu einem spürbaren Stellenabbau im Unternehmen kommen?

Die erwähnte Anpassung unserer rechtlichen Struktur hat keinen Stellenabbau zur Folge.

«Durch die neue rechtliche Struktur erhalten die im Börsenumfeld tätigen Geschäfte mehr Flexibilität, um besser Marktchancen nutzen und international ein stärkeres Profil aufbauen zu können.»
Jos Dijsselhof, CEO SIX Group

Der SMI hat seit Jahresbeginn 14 % eingebüsst und dümpelt seit Mitte Juli so vor sich hin. Wie stark wirkt sich eine internationale Börsenbaisse auf die Bücher der SIX aus? Wie wichtig ist der Börsenhandel de facto noch für die Finanzmarktinfrastrukturbetreiberin (what a word!) SIX Group?

Der Börsenhandel ist nach wie vor sehr wichtig für SIX, wie auch unsere übrigen Geschäftsfelder. Trotz zunehmenden gesamtwirtschaftlichen Herausforderungen konnte SIX den Betriebsertrag im ersten Halbjahr 2022 im Vorjahresvergleich praktisch gleich halten (+0,8%). Währungsbereinigt erhöhte sich das Umsatzwachstum auf 2,6%. Das diversifizierte Geschäftsmodell von SIX hat sich dabei erneut bewährt.

Mit dem neu geschaffenen Börsensegment namens „Sparks“ sollen vor allem Startups, KMU und Firmen aus Deutschland angesprochen werden. Wie wird das Angebot am Markt aufgenommen?

Das Angebot wurde am Markt gut aufgenommen und wir rechnen in den nächsten fünf Jahren grob geschätzt mit etwa zehn bis zwanzig Unternehmen. Dies hängt natürlich sehr stark vom Marktumfeld ab. Die Zielgruppe der Sparks-Listing-Kandidaten sind schnell wachsende, kapitalsuchende KMU sowie etabliertere KMUs. Aus regulatorischer und zulassungstechnischer Sicht kann jedoch jedes Unternehmen, das die Voraussetzungen für eine Börsenkotierung bei Sparks erfüllt, hier gelistet werden. Das Sparks Segment richtet sich also an Firmen unabhängig ihrer geographischen Herkunft. Wir sprechen natürlich auch Firmen aus Deutschland an, aber auch aus der Schweiz und aus allen Geographien.

Kürzlich hat SIX den Handel mit Global Depositary Receipts (GDR) eröffnet. Mit diesen verbrieften Aktien wird chinesischen Firmen der Eintritt in den hiesigen Markt ermöglicht – und vice versa: den Schweizer Firmen das Listing an den Börsen von Schanghai und Shenzhen. Wie läuft das Geschäft mit den GDR?

Die Kotierungen sind angelaufen und verlaufen bisher reibungslos. Das gesamte Platzierungsvolumen der vier Unternehmen GEM, Gotion High-tech, Keda Industrial Group und Ningbo Shanshan betrug rund 1,6 Milliarden US-Dollar. Diese Unternehmen konnten in einem der liquidesten Märkte der Welt – der Schweiz – Kapital für weiteres Wachstum aufnehmen. Dies spiegelt die globale Bedeutung des Schweizer Finanzplatzes und seine hervorragenden internationalen Verbindungen wider. Darüber hinaus können wir nun Anlegern, die ein direktes Engagement in chinesischen Wertpapieren in einem vertrauten und sicheren regulatorischen Umfeld suchen, Anlagemöglichkeiten anbieten. Es ist jedoch noch zu früh, um eine klare Aussage dazu zu machen, wie das Geschäft läuft. Die GDRs wurden während der Sommerferien kotiert, in denen auch die Anleger in den Ferien sind. Eine Börsenkotierung im Juli oder August ist eher unüblich, aber die Börsenkotierungen verliefen gut und die Platzierungsvolumina entsprachen den Erwartungen der Emittenten.

«Wir können nun Anlegern, die ein direktes Engagement in chinesischen Wertpapieren in einem vertrauten und sicheren regulatorischen Umfeld suchen, Anlagemöglichkeiten anbieten.»

Bei Eröffnung waren vier chinesische Unternehmen in dem Segment gelistet. Wie viele sind es heute?

Es sind nach wie vor diese vier Unternehmen. Wir erwarten in den nächsten Monaten die nächsten chinesischen Unternehmen.

Das grosse Zukunftsthema sind die Möglichkeiten, die sich durch die Distributed Ledger Technologie (DLT) in Sachen Kryptowährungen und Tokenisierung ergeben werden. SIX hat in dem Bereich die SDX Crypto AG gegründet, über die Dienstleistungen für institutionelle Kunden im Bereich DLT angeboten werden sollen. Wie läuft das Geschäft? Konkrete Beispiele?

Wir haben die SDX Crypto AG erst Anfangs Mai im Handelsregister eingetragen. Es geht darum Banken und anderen institutionellen Anbietern, welche im Bereich der Public Blockchain aktiv sind oder sein wollen, Infrastruktur-Dienstleistung zur Verfügung zu stellen, sogenannte Web3 Services. Gegenwärtig sind wir live mit einem Angebot für Staking-Services, wo wir dabei sind erste Kunden aufzuschalten. Im Herbst wird institutionelle Crypto-Verwahrung dazukommen. Darauf aufbauend sind wir gleichzeitig dabei, weitere Dienstleistungen vorzubereiten, vor allem auch im post-Trading Bereich. Ich möchte aber herausstreichen, dass SIX nicht vorhat, über SDX selbst einen eigenen Handelsplatz für Kryptowährungen anzubieten.

Die Swiss Digital Exchange (SDX) nach langer Verzögerung an den Start gegangen, doch wenn ich das richtig sehe, wird derzeit nur ein Papier dort gelistet und das ist eine eigene Anleihe der SIX Group? Woran hapert es?

Wir arbeiten sehr eng mit den Banken, Issuern, Start-ups sowie Fintechs zusammen, um den Teilnehmerkreis und die Instrumente stetig zu erweitern. Aber der Aufbau und die Transformation von der klassischen zur digitalen Infrastruktur benötigt Zeit. Sie müssen sich vor Augen führen, dass wir mit dem Aufbau der SDX komplettes Neuland betraten, als wir mit dem Projekt starteten. Auch für den Regulator und die Banken war eine DLT basierte Finanzmarktinfrastruktur etwas komplett Neues. Die SDX ist ein langfristiges Projekt für SIX und wir machen gute Fortschritte, denn die Arbeiten rund um die SDX gehen zügig voran und wir entwickeln die Digital Börse stetig weiter. So konnten wir im Juli die weltweit-erste Tokenisierung von privaten Aktien auf einer regulierten DLT-basierten Finanzmarktinfrastruktur (CSD) vornehmen. Gleichzeitig sind wir daran, den Teilnehmerkreis stetig zu erweitern, unter anderem mit dem ersten ausländischen, EU-basierten Teilnehmer. Zudem haben wir mit dem Aufbau von sogenannten Web3 Services gestartet und erste Services (non-custodial staking) bereits in Betrieb genommen.

«Mit dem Aufbau der SDX betraten wir komplettes Neuland. Auch für den Regulator und die Banken war eine DLT basierte Finanzmarktinfrastruktur etwas komplett Neues.»

Wie hoch sind die Kosten für ein Listing an der SDX?

Die Initialkosten für ein Listing betragen CHF 4000.-. Die Kosten für Transaktionen sind auf der Webpage von SDX öffentlich einsehbar.

Warum wurde die Einführung der neuen Handelssegmente «SDX SME Equity» für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) sowie «Anleihen – EUR» verschoben?

Wir benötigen noch die relevanten Freigaben um den Service live zu schalten. Dies sollte bis zum 15. September erfolgt sein. Mit dem neuen Aktiensegment «SDX SME Equity» von SDX werden auf KMUs ausgerichtete Anforderungen an die Kotierung von Aktien und die Aufrechterhaltung der Kotierung dieser Aktien eingeführt. Im Bereich der Kotierung wird dazu ein neuer regulatorischer Standard mit dem Namen « SDX SME Equity» eingeführt. Im Bereich des Handels erfolgt eine Ergänzung durch das neue Handelssegment für SDX SME Equity. Damit soll dem Bedürfnis von KMUs Rechnung getragen werden.

SIX hat zudem gemeinsam mit der Schweizer Nationalbank das Projekt „Jura“ lanciert und den Handel mit digitalem Zentralbankgeld geprobt. Wie geht es damit weiter? Wird es bald den Digitalen Schweizer Franken geben?

Digitales Zentralbankengeld spielt eine wichtige Rolle in dem Aufbau und dem Erfolg eines token-basierten Finanzsystems. Dies spiegelt sich auch im regen Interesse und in den Arbeiten der Zentralbanken. In Zusammenarbeit mit der SNB haben wir erfolgreich demonstriert, dass die Abwicklung von digitalen Vermögenswerten in Franken wCBDC (digitalen CHF Zentralbankengeld) auf der regulierten DLT-Plattform von SDX möglich ist und in den Kernbankenapplikationen der Banken verbucht werden kann. Wir arbeiten weiterhin sehr eng mit der SNB zusammen, um die Innovation in diesem Bereich weiter voranzutreiben. Der Entscheid betreffend einer produktiven Lancierung liegt jedoch einzig bei der SNB.

«Wir sind der festen Überzeugung, dass digitale Vermögenswerte die Zukunft bedeuten.»

Welchen Stellenwert wird der Bereich Digitale Vermögenswerte für das Unternehmen SIX Group in den kommenden Jahren erlangen?

Wir sind der festen Überzeugung, dass digitale Vermögenswerte die Zukunft bedeuten. Die Finanzwelt ist seit geraumer Zeit im Umbruch und mit unserer SDX ermöglichen wir eine Brücke zwischen der bestehenden und der neuen Infrastruktur. Die SDX ist unsere Investition in die Zukunft und sie ist ideal positioniert, um den verhaltensbezogenen, gesellschaftlichen und technologischen Bedürfnissen der Zukunft gerecht zu werden. Deshalb haben wir mit der Unterstützung unserer Eigentümer – der rund 120 Schweizer und internationale Banken – viel Zeit, Geld und Mühe in das Projekt investiert. Aber mit unserer SDX sorgen wir dafür, dass wir zukünftige Geschäftsmodelle nicht nur antizipieren, sondern de facto umsetzen können.

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