Jürg Balsiger, CEO Stanserhorn-Bahn im Interview
Jürg Balsiger, CEO Stanserhorn-Bahn. (Foto: zvg)
von Robert Jakob
Moneycab.com: Herr Balsiger, ganze 16 Ranger im Rentneralter erklären den Stanserhorngästen die Natur. Bekommen Erstere dafür etwas?
Jürg Balsiger: Die Stanserhorn Ranger sind allesamt Persönlichkeiten mit viel Leidenschaft und einem grossen Wissen. Sie erklären neben Pflanzen und Tieren auch die Bergwelt, Land und Leute inklusive Brauchtum oder erklären wie die Nidwaldner Landsgemeinde funktioniert hat oder wo Napoleons Truppen 1798 rings ums Stanserhorn eingefallen sind oder wie die Weltneuheit CabriO Bahn funktioniert. Sie machen dies ehrenamtlich mit grosser und spürbarer Begeisterung. Als Dank für die wertvolle Arbeit organisieren wir jedes Jahr ein „Studienreisli“.
Typischerweise beginnt man die Stanserhornfahrt mit der alten Holzbahn, um dann auf die moderne CabriO Bahn mit ihrem offenen Deck umzusteigen. Dieser Kontrast macht viel vom Charme der Reise aus. Der Oldtimer ist sehr unkompliziert. Welche Wartungen stehen denn dort von Zeit zu Zeit an?
Die historische Standseilbahn von 1893 war Teil der damaligen Bergfahrt in 3 Sektionen, wo also drei Drahtseilbahnen dieses Typs hintereinander angelegt waren, um den langen Weg vom Dorf Stans auf den Gipfel zu bewältigen. Diese bestens erhaltene erste Sektion erinnert an diese Pionierleistungen. Unsere historische Bahn läuft deshalb so zuverlässig, weil unsere Technikequipe sie so aufmerksam wartet. Die Gleitlager müssen mehrmals täglich nachgefettet werden, im Antriebs-Zahnrad sind die Zähne aus Holz und zwar aus Hagenbuche. Das erfordert viel Können und Freude an der Mechanik. Gewisse Sicherheitskomponenten sind aber neu. So wird im kommenden Winter die Antriebs-Steuerung inklusive Elektromotor nach 25 Jahren erneuert.
Die CabriO Bahn hat die Fahrgastzahl um rund ein Viertel hochschnellen lassen. Jetzt haben wir auch noch einem Traumsommer. Gibt es am Ende des Jahres 175’000 Besucher?
Der Sommer 2015 ist ein Glücksfall für Bergbahnen. Die Hitze trieb die Gäste wahrlich in die Bergfrische. 175‘000 Gäste liegen tatsächlich im Bereich des Möglichen – wenn Petrus mitmacht. So oder so: Wir freuen uns über jeden Gast, der glücklich und erfüllt nach einem Stanserhorn-Ausflug nach Hause reist. Und zum Glück machen wir Menschen das Wetter nicht selber. Ende Jahr werde ich Ihre Frage präzise beantworten können.
85 von 100 Besuchern kommen aus der Schweiz. Wird sich diese Verhältniszahl auf Ende 2015 weiter erhöhen?
Unsere Hauptzielgruppe bleiben klar die Schweizer Gäste. Sie schätzen unsere gelebte Freundlichkeit. Bei den Boom-Märkten China und Indien ist es aufgrund sprachlicher und kultureller Unterschiede wesentlich schwieriger, die Begeisterung und das Feuer weiter zu geben. Wir bemühen uns daher sehr um Schweizer Gäste und setzen alles daran, die Dienstleistungsqualität zu erhöhen. Dazu zählt das Online-Boarding, wo man sich schon zuhause via Internet die Fahrzeit reserviert, so dass das Schlangestehen am Ausflugstag quasi Vergangenheit ist. Das bietet keine andere Bahn an in dieser Form an.
Nehmen sich Pilatusbahnen und Stanserhornbahnen nicht gegenseitig in die Zange?
Zum Glück geht es allen Sommerbergbahnen hier um den Vierwaldstättersee ausgezeichnet. Zum einen sind es die boomenden ausländischen Märkte – zum anderen die Schweizer Tagesausflügler, welche Bergausflüge zunehmend lieben. Alle Bahnen verzeichnen Zuwächse. Das Verhältnis zu unseren Nachbarbahnen ist freundlich und respektvoll, von „in die Zange nehmen“ kann keine Rede sein.
Dennoch, wo könnte man noch stärker differenzieren?
Die Stanserhorn-Bahn hat sich intern das Ziel gesetzt, die freundlichste Bahn der Alpen werden zu wollen. Diese Anstrengungen werden von unseren Gästen wahrgenommen, das zeigen die Bewertungsplattformen auf dem Internet. Mit der CabriO Bahn haben wir ein besonderes Angebot geschaffen. Die Anreise ist bereits das besondere Erlebnis. Zudem sind wir bestrebt, einen intensiven Kontakt zu den Gästen zu pflegen. Wir überwachen die gesamte Dienstleistungskette. Wir setzten auf Swissness.
«Bereits umgesetzt haben wir unsere Massnahmen zum Vermeiden von „Augenlärm“. Darunter verstehen wir, dass wir auf dem Stanserhorn oben keine Fremdwerbung haben wollen.»
Jürg Balsiger, CEO Stanserhorn-Bahn AG
Der erwähnte Boardingpass zur Stauverhinderung scheint ein Erfolgsmodell zu sein. Er wird jetzt von anderen Bahnbetreibern eifrig kopiert. Haben Sie noch ein paar solcher Ideen auf Lager?
Wir sind aktuell in einer Konsolidierungsphase. Vor drei Jahren haben wir die welterste Luftseilbahn mit offenem Oberdeck in Betrieb genommen, gleichzeitig das Boarding Pass System – vor einem Jahr dann auch online von zuhause buchbar. Wir setzen uns aktuell dafür ein, diesen Abläufen den Feinschliff zu geben, damit unsere Dienstleistung noch besser wird. Bereits umgesetzt haben wir unsere Massnahmen zum Vermeiden von „Augenlärm“. Darunter verstehen wir, dass wir auf dem Stanserhorn oben keine Fremdwerbung haben. Bei uns fehlen Plakate für Uhren, Versicherungen, Autos, weil wir unseren Gästen den Genuss der prachtvollen Aussicht in Berge und Täler gönnen wollen. Genau deshalb kommen die Gäste ja eigentlich auf die Berge.
Wie unsere Aktivitäten aus der Vergangenheit zeigen, versuchen wir immer wieder mit kleinen Massnahmen das Erlebnis Stanserhorn zu optimieren. Das betrifft auch ein möglichst nachhaltiger Umgang mit den Ressourcen. Wir versorgen unsere Bahnen ausschliesslich mit erneuerbarer Energie, haben eine Photovoltaikanlage und eine Sonnenkollektoranlage auf dem Berg, nutzen die Wärmerückgewinnung im Restaurant, und so weiter.
Das Aktienkapital der Stanserhorn-Bahn AG ist eingeteilt in zwei Aktienkategorien zu nominal 10 CHF und nominal 250 CHF. Die leichteren Papiere werden so gut wie nie gehandelt. Wäre eine Kapitalstrukturvereinfachung nicht angesagt?
Die Aktie zu CHF 10 ist eines der wenigen historischen Wertpapiere, welches nach wie vor seine Gültigkeit hat. Die Aktien wurden 1891 ausgegeben! Vor 125 Jahren wurde dafür CHF 500 bezahlt, in heutigem Geldwert wohl 10 Mal so viel. Dank diesen lediglich 2000 Aktien à damals CHF 500 konnte die Bahn gebaut werden. Dieser Titel beinhaltet Geschichte und Geschichten. Unsere Bahn lebt vom Geist unserer Bahngründer vor 125 Jahren. Sie haben damals eine Weltneuheit mit der steilsten Bergbahn der Welt geschaffen, wir haben nun die Weltneuheit der CabriO Bahn. Die alten Titel repräsentieren unsere Wurzeln. Die wollen wir nicht kappen. Vielmehr sind wir stolz darauf.
«Unser Ziel ist Schuldenfreiheit zu erlangen. Das dauert noch viele Jahre. Zudem sind Infrastrukturen am und auf dem Berg nur mit hohem Kostenaufwand in Schuss zu halten oder zu erneuern.»
Für die CabriO Bahn haben Sie Schulden gemacht. Wird jetzt die Hypothek oder der Kredit günstig „gerollt“?
Die CabriO Bahn kostete CHF 29.4 Mio. Aktuell belaufen sich unsere Kreditschulden noch auf CHF 10.5 Mio., die Kreditkonditionen wurden damals fest vereinbart.
Der Cashflow der Stanserhorn-Bahn ist beeindruckend. Welchen Appetit regt das für neue Projekte an?
Unser Ziel ist Schuldenfreiheit zu erlangen. Das dauert noch viele Jahre. Zudem sind Infrastrukturen am und auf dem Berg nur mit hohem Kostenaufwand in Schuss zu halten oder zu erneuern. Die Naturgefahren können einer Bergbahn aufgrund eines Ereignisses wie Unwetter oder so rasch grosse Summen verschlingen, zum Beispiel an Gipfelanlagen, Gipfelrundweg, Bahntrasse), ohne dass ein Mehrwert geschaffen würde. Grosse Infrastrukturprojekte stehen in den nächsten Jahren keine an.
Das Stanserhorn ist ob seiner einfachen Form und Steilheit kein typischer Wanderberg. Könnte man nicht auf der Seite Aecherlipass noch mehr für die Berggänger machen?
Der bestehende Bergwanderweg ab Aecherlipass aufs Stanserhorn ist rot-weiss markiert, also etwas anspruchsvoller. Alle Wege aufs Stanserhorn sind rot-weiss markierte Bergwanderwege, weil das Stanserhorn halt ein Berg ist. Am Vierwaldstättersee – also ganz in der Nähe – gibt es zahlreiche einfach zu begehende Wege. Schön haben wir diese Vielfalt. Die Berggänger am Stanserhorn schätzen, dass die sicheren und gut unterhaltenen Bergwanderwege auch sportlich eine Herausforderung darstellen.
Zur Person:
Jürg Balsiger geboren 1963, aufgewachsen in Bern, verheiratet, zwei Töchter machte eine Lehre zum Betriebsdisponent SBB von 1980 bis 1983. Bis 1986 hatte er dann verschiedene Funktionen bei der SBB inne: Billettschalter, Auskunfts- und Reisebüro, Reisedienst in den Bahnhöfe Bern und Thun. Dannach ging es bis 1993 in die Schweizerische Verkehrszentrale (heute ST) nach New York, Frankfurt, Düsseldorf und Chicago. 1992 schloss Balsiger seine Ausbildung als Fachkaufmann für Marketing IHK. Von 1993 bis 1997 war er Tourismusdirektor in Brienz am See / Axalp ehe er 1997 zum Direktor der Stanserhorn-Bahn ernannt wurde.
Zum Unternehmen:
Die Stanserhorn-Bahn AG ist ein Innerschweizer Tourismusunternehmen. Sie betreibt nicht nur eine der schönsten antiken Standseilbahnen als Zubringer zur Weltneuheit Offendeck-Kabinenbahn (letztere unter dem Namen CabriO), sondern auch ein Drehrestaurant (Rondorama). Dieses steht auf dem Gipfel einer Bergpyramide, die einen grandiosen Um- und Tiefblick gewährt und daher ein beliebter Aussichtsberg ist. Im letzten Jahr benutzten 164’541 Gäste die Stanserhorn-Bahn.