Interview von Anouk Arbenz und Christoph Hilber, Unternehmerzeitung, P-Connect
Sie sind nun während 25 Jahren bei der Lenzlinger Söhne AG tätig, 16 Jahre davon als CEO. Was war in dieser Zeit die eindrücklichste Erfahrung?
Karin Lenzlinger: Ich glaube, das Eindrücklichste war, diese vielen engagierten Persönlichkeiten kennen zu lernen. Das sind an erster Stelle die Mitarbeitenden. Ich habe immer ganz spannende, manchmal aber auch schwierige persönliche Gespräche führen dürfen. Das gibt einem sehr viel, zehrt manchmal aber auch an den Kräften. Als Führungsperson muss man vorgeben, wo es durchgeht, und das passt nicht immer allen. Auch die Gespräche mit den Geschäftspartnern waren immer sehr spannend und bereichernd.
«Als Führungsperson muss man vorgeben, wo es durchgeht, und das passt nicht immer allen.» Karin Lenzlinger, CEO der Lenzlinger Söhne AG
Wie haben Sie den Übergang von der «Mitarbeitenden des Vaters» zum CEO empfunden?
Ich bin als Leiterin Doppelböden bei Lenzlinger eingestiegen. Ich hätte bei den anderen Profitcenters nicht einsteigen können, denn dort fehlte mir das technische Fachwissen. Im Bereich Doppelböden ging es eher um die Frage, wie man Prozesse optimieren und Neukunden akquirieren kann. Daher war der Schritt als Ökonomin möglich. Aber klar: Die Vielfalt der Aufgaben stieg massiv an, was nicht zu unterschätzen war.
«Die Mitarbeitenden tragen zur Kultur bei, also sollen auch sie bestimmen, wie diese auszusehen hat.»
Fühlten Sie sich als Nachfolgerin Ihres Vaters frei genug, um neue Wege zu gehen?
Ich war immer ein bisschen zwischen zwei Stühlen: Soll ich es belassen, wie es ist oder es ganz kehren? Ein energieraubendes Thema war die Unternehmenskultur. Mein Vater hatte diese implizit geprägt. Ich wollte das ganz anders angehen, hatte ein anderes Kulturverständnis. Die Mitarbeitenden tragen zur Kultur bei, also sollen auch sie bestimmen, wie diese auszusehen hat.
Stellte diese Transition in der Unternehmenskultur die grösste Herausforderung dar?
Definitiv eine der grössten Herausforderungen, ja. Auf der einen Seite ist da das Verantwortungsgefühl, welches für ein so altes Familienunternehmen besonders stark ausgeprägt ist und einen dazu verleitet, eher zu vorsichtig im Umgang mit den bestehenden Strukturen zu sein. Auf der anderen Seite will man das Unternehmen vorantreiben. Man tendiert deshalb auch immer wieder dazu, sich zu viel auf den Tisch legen zu lassen. Ich hatte das Gefühl, ich müsse alles im Griff haben. Mit der Erfahrung hat sich das geändert. Mein Vater war da anders; er bestimmte bis zum Schluss sogar die Farbe der Apéro-Serviette (lacht).
Worauf sind Sie besonders stolz?
Ich bin stolz darauf, diesen Wechsel in der Kultur geschafft zu haben. Ein Gewerbeunternehmen ist angewiesen auf die Erfahrung seiner Leute. Da muss man aufpassen, dass man nicht alles auf den Kopf stellt und die Leute sauer macht, sodass diese dem Unternehmen davonlaufen. Sonst verliert man wahnsinnig viel Erfahrung.
Zu Anfang Ihrer beruflichen Karriere haben Sie als Primarlehrerin gearbeitet. Was hat Sie damals bewogen, diese doch ziemlich andere Richtung einzugschlagen?
Das war für mich immer nur eine Zwischenstation. Mir war wichtig, von meinen Eltern finanziell unabhängig zu sein. Ich schätzte und bewunderte meinen Vater, aber wir haben auch ziemlich oft die Klingen gekreuzt. Noch als ich Schule gab, bin ich an den freien Nachmittagen an die ETH Zürich gegangen und habe Vorlesungen besucht.
War es immer schon Ihr Ziel, in das Unternehmen des Vaters einzusteigen?
Nein, das kam erst später. Wir hatten damals eine Art «Familienrat». Das hatte zwei Gründe: Einerseits wollte uns unser Vater die Firma näher bringen, andererseits will ein Gewerbeunternehmer der Familie auch zeigen, wo das Geld herkommt. Deshalb wurden wir schon relativ früh involviert. Irgendwann sind Zahlen hinzugekommen und irgendwann hat er selbst Investitions- und wichtige Personalentscheide mit uns geteilt.
«Es hatte auch Vorteile, die einzige Frau im Raum zu sein: In einem Saal mit 300 Leuten wirst du bei der Begrüssung noch einzeln erwähnt – alle kennen dich, das ist gut fürs Geschäft.»
Haben Sie auch im Familienrat kommuniziert, dass Sie eine Position in der Firma einnehmen wollen, sobald eine frei wird?
Es waren genau solche Diskussionen. Meine Schwester hatte damals schon einige kleinere Projekte im Unternehmen. Für sie war dann aber bald klar, dass Führung nicht wirklich ihre Welt ist. Ich selbst war eine Zeit lang im Ausland und begann daraufhin mein Studium an der Universität St. Gallen. Irgendwann mussten wir uns entscheiden: Entweder wir verkaufen das Unternehmen oder wir führen es weiter in der Familie. Da habe ich mich entschieden, das machen zu wollen. Zufällig hat genau zu der Zeit der Leiter des Profitcenters Doppelböden gekündigt. Da gab es eine Rekrutierungsrunde und mein Vater hat mich dann ermutigt, mich zu bewerben. Ich wurde ziemlich ins kalte Wasser geworfen. Zwar wusste ich, dass mir das Führen Spass macht, aber das ging schon alles etwas sehr schnell.
Die Baubranche ist eine typische Männerdomäne. Als Sie bei Lenzlinger einstiegen, hatten Sie noch keine Erfahrungen in diesem Bereich, zudem sind Sie eine Frau. Hatten Sie da zu kämpfen?
Selbstverständlich gab es Situationen, in denen ich dachte: «Mein Gott, die «Tubble»!» An den Verbandssitzungen trat schon mal die Situation auf, dass alle annahmen, ich schreibe das Protokoll, weil ich die einzige Frau im Raum war. Man muss aufpassen, dass man solche Sachen nicht überinterpretiert. Ich war ja der Neuling, ich musste mich erst noch beweisen. Aber grundsätzlich bin ich extrem positiv aufgenommen worden. Klar: Wenn ich dumm dahergeredet hätte, hätte mich niemand ernst genommen. Es hatte auch Vorteile, die einzige Frau im Raum zu sein: In einem Saal mit 300 Leuten wirst du bei der Begrüssung noch einzeln erwähnt – alle kennen dich, das ist gut fürs Geschäft.
Sie haben sich vor ca. zwei Jahren entschlossen, sich zurückzuziehen und einen externen VRP und CEO einzusetzen. War dies Teil der Strategie oder hatten Sie genug vom Druck des Tagesgeschäfts?
Das war eine strategische Entscheidung. Erfahrungsgemäss braucht ein Generationenwechsel sehr viel Zeit. Wir haben gemerkt: Das geht nicht auf. Wir hätten unsere Kinder bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt in diese Richtung schubsen oder noch bis ins hohe Alter arbeiten müssen. Das wollte ich nicht. Ausserdem war der Zeitpunkt gut, weil wir zu der Zeit aus strategischen Gründen gerade viel veränderten.
Der Familienrat wird aber trotzdem weitergeführt?
Ja, der wird weitergeführt. Unsere beiden Ehemänner sind auch involviert. Irgendwann werden ja vielleicht unsere Kinder soweit sein.
«Erfahrungsgemäss braucht ein Generationenwechsel sehr viel Zeit.»
Stellen Sie fest, dass Sie in Ihren externen VR- Mandaten risikofreudiger sind als im VR von Lenzlinger?
Für mich ist es schon ein Unterschied. Es sind mehr Emotionen da, wenn man gleichzeitig Inhaberin ist. Man will die Firma nicht kaputt machen, sie gehört einem ja. Deshalb ist es wohl schon so, dass man von den Entscheidungen her etwas anders überlegt. Man denkt auch immer darüber nach, wie andere darauf reagieren könnten oder wie sich diese Entscheidung auswirken könnte. Da hat man schon noch einen Rucksack auf, der manchmal schwer ist.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Was würden Sie verändern / einführen / abschaffen?
Wünschenswert wäre, wenn man die Masseneinwanderungsinitiative rückgängig machen könnte (lacht). Das wäre mir ziemlich recht. Denn ich glaube, es braucht sehr viel Energie, sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Der noch grössere Wunsch wäre, dass wir die Flüchtlingsthematik gescheit lösen und die Kriege einmal beenden könnten, damit die Leute nicht mehr hierher kommen müssten.
Die Gesprächspartnerin:
Karin Lenzlinger ist Mitinhaberin und Delegierte des Verwaltungsrats der Lenzlinger Söhne AG. Nach dem Primarlehrerpatent in Zürich und drei Jahren im Beruf als Primarlehrerin besuchte Lenzlinger Vorlesungen des Lehrgangs für Betriebsingenieure an der ETH Zürich und studierte in Boston Betriebs- und Organisationspsychologie. 1993 promovierte sie zur lic.oec. an der Universität St.Gallen und stieg in den elterlichen Betrieb als Leiterin des Geschäftsbereichs Doppelböden ein. Ab September 1999 leitete sie zusammen mit ihrer Schwester (5. Generation) das Unternehmen während 16 Jahren. Neben ihrer Tätigkeit bei der Lenzlinger Söhne AG verfügt Karin Lenzlinger über unterschiedliche Verwaltungsratsmandate, unter anderem bei der SV Group, bei der MCH Group (Messe Schweiz), der Bank Linth und der Zürcher Oberland Medien AG. Zudem setzt sie sich als Präsidentin der Zürcher Handelskammer und Mitglied des Vorstandes von economiesuisse für die wirtschaftspolitischen Interessen der Unternehmen im Kanton Zürich ein.
Das Unternehmen:
Die Lenzlinger Söhne AG ist im Ausbaugewerbe und im Eventgeschäft tätig. Das Unternehmen ist in vier Geschäftsbereiche gegliedert: Doppelböden, Parkett Teppiche Bodenbeläge, Metallbau und Zeltvermietung. Lösungsorientierte und faire Beratung, seriöse Projektplanung, hohe Qualität und Flexibilität bei Fertigung und Montage gehören zum Leistungsverständnis des ganzen Unternehmens – getreu dem Motto: Lösung, Leistung, Leidenschaft. Lenzlinger ist ein traditionsreiches Familienunternehmen, das heute im Besitz der fünften Generation steht. Mit rund 230 Mitarbeitern ist es ein bedeutender Arbeitgeber im Zürcher Oberland. www.lenzlinger.ch