Kevin Kelly, CEO Heidrick & Struggles
Interview Teil 2
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Eine weitere, noch nicht ausgeschöpfte Quelle für Talente wären die Frauen. Vor allem in den Schwellenländern haben aber die Frauen oft noch wenig Einfluss. Machen diese Länder dieselben Fehler wie wir oder bieten sie den Frauen bessere und vor allem schnellere Entwicklungsmöglichkeiten?
Ich denke, in vielen dieser Länder können sich die Frauen besser und schneller als bei uns entwickeln. Zwei interessante Bewegungen sind aktuell zu beobachten: Zum einen heiraten die Frauen, wenn überhaupt, später als in der Vergangenheit. Zum zweiten kehren sie zurück in den Arbeitsprozess. Wir selbst haben in den letzten fünf Wochen vier Frauen eingestellt, die nach drei bis vier Jahren Absenz wieder sind in die Arbeitswelt eingestiegen sind; alles sehr fähige, hoch qualifizierte Beraterinnen mit grosser Erfahrung, die wieder in die Berufswelt zurück wollten.
„Wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde ich meinen Abschluss machen, meine Sachen packen und mich an einer Schule in China einschreiben“ Kevin Kelly, CEO Heidrick & Struggles
Wir beobachten, dass diese hochqualifizierten Wiedereinsteigerinnen sehr viel produktiver sind als ihre Kollegen, wenn man ihren familiären Bedürfnissen beispielsweise mit flexiblen Arbeitszeiten oder mit Unterstützung beim Umzug in eine bessere Gegend entgegenkommt. Diese Erkenntnis führt zu einer Veränderung im Denken der Unternehmer, speziell bei Frauen besser sehr flexibel zu sein und dafür mit guten Resultaten belohnt zu werden. Eine Kombination von unterschiedlichen Massnahmen führt dazu, dass mehr Frauen in den Arbeitsprozess zurückkehren oder längere Zeit im Arbeitsprozess verbleiben.
Viele Frauen entschieden sich heute für Karriere statt Familie, was dazu führt, dass in den grossen Städten des nördlichen Europas bis zu 70 Prozent Ein-Personen-Haushalte den Wohnraum beanspruchen.
Zusätzlich sinkt die Geburtenrate in diesen Ländern. In den Niederlanden zum Beispiel könnte so im Jahre 2020 einer von zwei Bewohnern Nicht-Holländer sein. Ähnliche Entwicklungen zeichnen sich in einigen Jahrzehnten auch für Frankreich oder Japan ab. Das führt mich wieder zum Thema der Mobilität. Wenn in absehbarer Zeit wirklich nur einer von zwei Holländern aus dem Land selbst stammt, woher werden die Arbeiter kommen und was heisst das für den Arbeitsmarkt? Die Diskussion um die Bereitschaft zur Arbeitsmarktöffnung wird sehr interessant werden.
Das könnte bezüglich der Mobilität aber genau in die Gegenrichtung gehen. Wenn es immer weniger einheimische, gut ausgebildete Arbeitskräfte gibt, können die sich sagen „wieso soll ich irgendwohin reisen oder mich im Ausland weiterbilden? Ich bin hier ein gesuchtes Talent, also bleibe ich auch hier“.
Ein guter Punkt. Das kann natürlich auch geschehen.
Was wird also eher eintreten: Dass die Leute mobil sein, sich durch Reisen und Aufenthalte in anderen Ländern bilden müssen, oder, wenn sie gut genug sind, einfach warten können, was Ihnen in ihrem gewohnten Umfeld angeboten wird?
Wenn jemand wirklich gut ist und sich einfach hinsetzen und warten möchte, kann er das wahrscheinlich überall machen. Es hängt davon ab, wie weit man es bringen will in einem Unternehmen. Ab einer gewissen Stufe ist Auslandserfahrung gefordert. Man kann sich aber genau so gut wohl fühlen, in dem was man tut, ein glückliches Leben führen und zufrieden sein auf der Stufe, auf der man sich befindet…
«Wenn man an Entwicklung denkt, muss man gleichzeitig an Veränderung denken.»
Was ja interessanterweise für die USA bis anhin sehr gut funktioniert hat, da viele CEOs auch von grossen Firmen nie im Ausland gearbeitet haben und keine Ahnung davon haben, was ausserhalb der USA geschieht.
Das haben Sie richtig bemerkt. Bis zu den 80-er Jahren haben sich die USA nur wenig um das Ausland gekümmert, da sie höchstens zwischen fünf bis zehn Prozent des Umsatzes ausserhalb der USA erwirtschafteten. Heute sind es zwischen 50 bis 60 Prozent. In den 90-er Jahren haben die meisten USA Firmen ihr Geschäft nach Europa expandiert, ab 2000 war das Motto „Auf nach Asien“.
Ein gutes Argument dafür, sich mehr Wissen um andere Länder und Kulturen anzueignen. Bei der Management-Ausbildung ist die USA immer noch führend. Ist hier eine Änderung zu erwarten, sehen wir hier mehr ursprünglich asiatische Denkansätze? Geschieht in Asien etwas, von dem wir im Westen noch keine Kenntnis haben?
Wenn man an Entwicklung denkt, muss man gleichzeitig an Veränderung denken, an einen dauerhaften Veränderungsprozess. Man verändert sich, man entwickelt sich, man wächst. In den sich entwickelnden Ländern wird dieser Trend verstärkt durch neue Denkansätze und eine neue Art, wie man etwas tut. In den entwickelten Ländern fehlt dieser Antrieb, wirklich etwas verändern zu wollen. Hier herrscht die Geisteshaltung „wieso sollen wir etwas ändern?“ Europa und Amerika werden unwichtiger, wenn wir uns nicht anstrengen, uns weiter zu entwickeln und uns zu verändern. Und wir müssen sicher stellen, dass wir Kreativität und Innovation nicht im Kein ersticken.
Das ganze Gespräch drehte sich bis anhin um Amerika, Europa und Asien, Afrika war kein Thema. Bleibt hier ein ganzer Kontinent aussen vor?
Ich denke, das führt uns wieder zurück zur Ausbildung. Investitionen in die Ausbildung dienen zur Entwicklung der nächsten Generation von Führungskräften. Ich glaube, man wird hier vermehrte Aktivitäten sehen. Die Chinesen gehen auch hier sehr geschickt vor und investieren zum Beispiel in die Infrastruktur einiger Länder, damit sie später von den vorhandenen Ressourcen profitieren können.
Ist Heidrick & Struggles auch in Afrika tätig?
Ja, wir haben eine Niederlassung in Südafrika und sind von dort aus in verschiedenen Teilen Afrikas tätig. Wir sind jedoch noch nicht an einemPunkt angelangt, der es rechtfertigen würde, Niederlassungen in weiteren Ländern zu eröffnen. Wir sind auch im Norden Afrikas, zum Beispiel in Algerien oder Ägypten tätig, vor allem in den Bereichen Gebrauchsgüter und Rohstoffe. Wir sind überzeugt, dass wir analog zu den Entwicklungen in Asien auch in Afrika Fortschritte sehen werden.
«Europa und Amerika werden unwichtiger, wenn wir uns nicht anstrengen, uns weiter zu entwickeln und uns zu verändern.»
Gibt es bestimmte bedeutende Trends, die Sie innerhalb Ihres Unternehmens verfolgen?
Vor rund zweieinhalb Jahren haben wir den Fokus unserer Strategie weg von der Suche von Führungskräften hin zur Beratung verschoben. Wenn Sie schauen, wo wir einem Unternehmen einen echten Mehrwert bieten können, ist es nicht in der Aushändigung eines Lebenslaufes und den guten Wünschen bei der Einstellung dieser Person. In unserer Welt mit LinkedIn und Web-Technologien ist unsere proprietäre Datenbank kein Wettbewerbsvorteil mehr. Wir können die Datensammlungen im Netz nicht konkurrenzieren. Wir können aber eine wertvolle Leistung bieten, wenn es um die Beurteilung der Kandidaten geht, um die Frage, ob sie in das kulturelle Umfeld des Kunden passen. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass 40 Prozent der Führungskräfte, die häufig wechseln, weniger als 18 Monate im neuen Unternehmen bleiben. Zusätzlich haben 40 Prozent der Unternehmen keine Nachfolgeregelung geplant. Es geht also hier nicht nur um das Finden von Talenten, sondern ebenso um die Planung der Nachfolge, der Entwicklung der Führungskräfte und der Bindung dieser Führungskräfte an das Unternehmen.
Der Beratungsbereich macht heute 10 Prozent unseres Geschäftes aus und das Ziel sind 20 Prozent. Sogar in der Krise ist dieser Bereich um 11 Prozent gewachsen, während die Suche von Führungskräften um über 30 Prozent geschrumpft ist.
Wenn Sie Ihre Karriere heute starten würden, in welchem geografischen Gebiet und in welchen Geschäftsbereich würden Sie beginnen?
Eine grossartige Frage. Ich ging im Alter von 24 zum Studium nach Japan und habe mir dort mit Englisch-Unterricht etwas Geld verdient. Für mich war das eine fantastische Erfahrung. Wenn ich heute nochmals beginnen müsste, würde ich wahrscheinlich nach China gehen. Ich würde wiederum studieren, die Sprache lernen. In welchem Geschäftsbereich ich arbeiten möchte, vielleicht nochmals dieselbe Industrie. Mit Sicherheit aber würde ich zuerst die Kultur und die Sprache kennen lernen wollen.
Das ist übrigens auch der Rat, den ich allen Leuten immer wieder gebe. Wenn ich an Universitäten spreche, fragen mich Studenten immer wieder nach meinem Ratschlag und ich antworte jeweils „Wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde ich meinen Abschluss machen, meine Sachen packen und mich an einer Schule in China einschreiben“. Das ist aber nicht das, was die Studenten gerne hören möchten.
Der Gesprächspartner:
Kevin Kelly ist der CEO von Heidrick & Struggles, einem global tätigen Beratungs- und Vermittlungsunternehmen von Führungskräften. In seiner erfolgreichen Laufbahn unterstützte er einige der weltweit innovativsten Firmen bei der Gestaltung von Führungs-Teams. Kevin Kelly begann seine Karriere bei Heidrick & Struggles 1997 in der Niederlassung in Tokyo, war danach Regional Manager für Asia Pacific, danach für Europa und ist seit 2006 er CEO des Unternehmens. Kevin Kelly besitzt einen Bachelor der George Mason University in Fairfax, Virginia und einen MBA der Duke University’s Fuqua School of Business. Als Autor veröffentlichte er unter anderem 2010 “Leading in Turbulent Times”. Aus der Erfahrung von 35 global tätigen CEOs wird dokumentiert, was sie aus der Krise 2008-2009 gelernt haben und wie dieses Wissen Führungskräfte nach dem Abschwung zugute kommen kann.
Das Unternehmen:
Heidrick & Struggles International Inc. ist weltweit führend in der Vermittlung und Beratung von Führungskräften. Im Kerngeschäft Top Executive Search, das sich auf die Vermittlung von Verwaltungsräten, C-Level- und Senior Management-Positionen konzentriert, setzt Heidrick & Struggles seit rund 60 Jahren wichtige Impulse für die Branche. Stark ausgebaut wurde in den letzten Jahren der Bereich Leadership Consulting, der Dienstleistungen wie die Beurteilung, Betreuung und Weiterbildung von Führungskräften – von der Einführung bis zur Nachfolgeplanung –, die Förderung und das Management von Talenten und die Beratung bei der Integration des Humankapitals bei M&As umfasst. Das Unternehmen ist in Europa, Nordamerika, Lateinamerika, Afrika, im Mittleren Osten und in Asia Pacific tätig. In der Schweiz verfügt Heidrick & Struggles über Büros in Zürich und Genf.