Klaus-Peter Röhler, CEO Allianz Suisse
Klaus-Peter Röhler, CEO Allianz Suisse. (Foto: Allianz Suisse)
von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Röhler, Sie sind seit Jahresbeginn CEO von Allianz Suisse. Mit welchen Zielen haben Sie Ihr Amt angetreten?
Klaus-Peter Röhler: Zunächst einmal muss ich betonen, dass ich ein sehr gut bestelltes Haus übernommen habe. Die Allianz Suisse hat angesichts der schwierigen Marktbedingungen ihre Hausaufgaben mit der Reorganisation und strikter Kostendisziplin bereits frühzeitig gemacht und die Weichen für die Zukunft gestellt. Mein Ziel kann deshalb nur lauten, auf den Stärken der Allianz Suisse aufzubauen und mit nachhaltig profitablem Wachstum die Marktposition weiter zu stärken. Und dies auf der Grundlage einer starken Kapitalbasis, innovativer Produkte und ausgezeichneter Servicequalität für unsere Kunden.
Und welche Bilanz ziehen Sie nach den ersten Monaten im Amt?
Wir sind auf bestem Weg, diese Ziele zu erreichen. Wir bieten unseren Kunden als Vollsortimenter bedarfsgerechte Produkte, breite Vertriebswege und arbeiten laufend weiter an der Verbesserung unserer Servicequalität. Zudem zählt die Allianz Suisse zu den finanzstärksten Versicherungsgesellschaften in der Schweiz und bietet ihren Kunden dementsprechend Sicherheit – das ist gerade in diesen schwierigen Zeiten ein echter Trumpf. Die Kunden vertrauen uns, das zeigt auch die positive Entwicklung der Gesamtkundenzahl sowie der Anstieg der Anzahl von Mehrvertragskunden im ersten Halbjahr. Wir haben also eine hervorragende Ausgangsposition und müssen nur an der einen oder anderen Schraube drehen, um den Motor noch leistungsfähiger zu machen.
«Wir müssen nur an der einen oder anderen Schraube drehen, um den Motor noch leistungsfähiger zu machen.»
Klaus-Peter Röhler
Was stand für Sie im ersten Halbjahr im Vordergrund Ihrer Tätigkeit, welches waren die grossen Herausforderungen?
Die europäische Finanz- und Schuldenkrise sowie die tiefen Zinsen stellen für uns als Versicherungsgesellschaft eine enorme Herausforderung dar. Mit ihrer Finanzausstattung ist die Allianz Suisse aber auch in einem länger anhaltenden Tiefzinsumfeld über sehr viele Jahre hinweg in der Lage, alle Garantien gegenüber ihren Kunden zu erfüllen. Eine weitere Herausforderung: Die Schweiz zählt zu den Märkten mit den meisten Versicherungsverträgen pro Einwohner weltweit. Profitables Wachstum in diesem gesättigten Markt ist nur möglich, wenn wir klare Alleinstellungsmerkmale und damit Wettbewerbsvorteile erzielen. Und nicht zuletzt verhält sich der Kunde heute äusserst dynamisch, wie und über welchen Vertriebsweg er zu uns in Kontakt tritt. Der Multi-Access-Fähigkeit, also dem Zugang über alle Vertriebswege, kommt somit eine grosse Bedeutung zu.
«Die Schweiz ist für die Allianz ein überaus wichtiger Markt – und die Allianz Suisse ein Flagship-Unternehmen innerhalb des Konzerns.»
Sie sind seit 16 Jahren bei der Allianz und waren in verschiedensten Funktionen für das Unternehmen tätig. Wie wichtig ist der Schweizer Markt für einen globalen Versicherungskonzern wie die Allianz?
Die Schweiz ist für die Allianz ein überaus wichtiger Markt – und die Allianz Suisse ein Flagship-Unternehmen innerhalb des Konzerns. Wir erzielen in der Schweiz ein Prämienvolumen von fast 4 Mrd. Franken, erwirtschaften einen kontinuierlichen und signifikanten Ergebnisbeitrag für die Gruppe und haben mehr als eine Million Privat- und Unternehmenskunden. Wir verfügen also über eine starke Position in einem attraktiven Markt. Darüber hinaus nehmen wir in vielen Bereichen eine Vorreiterrolle ein. Nehmen Sie zum Beispiel unsere digitalen Initiativen und unser Internet-Kundenportal. Viele dieser Dinge gibt es in dieser Marktreife konzernintern nur in der Schweiz. Das gleiche gilt für unser telematikbasiertes Produkt Flotten Services für Unternehmenskunden und unsere Hausrat All Risk-Deckung. Wir bringen dieses Know-how im Konzern ein und werden häufig als Best-practice-Beispiel herangezogen.
Sie haben die Herausforderungen durch die Schulden- und Finanzkrise angesprochen. Wie geht die Allianz Suisse damit um?
Die Allianz Suisse hat die Verwerfungen dank ihrer soliden Kapitalausstattung und einer nachhaltigen Anlagepolitik sowie einem effizienten Risikomanagement bislang sehr gut gemeistert. Wir zählen nach wie vor zu den kapitalstärksten Anbietern auf dem Markt, wie unsere Solvabilitätsquote von 326 Prozent (Solvenz 1) und das Standard & Poor’s-Rating von AA- zeigen. Die Allianz Suisse hat ihre Stabilität somit auch in schwierigen Zeiten unter Beweis gestellt und ist trotz der Herausforderungen kontinuierlich profitabel gewachsen.
Welche Anlegestrategie verfolgen Sie und welche Anlagerendite konnte im 1. Halbjahr erreicht werden?
Eine nachhaltige Lösung für die anhaltende Schuldenkrise in Europa ist leider noch nicht in Sicht und auch die Zinsen werden vorerst tief bleiben. Vor diesem Hintergrund halten wir an unserer sicherheitsorientierten, langfristig ausgerichteten Anlagestrategie fest. Wir werden unseren Kunden keine nicht einhaltbaren Rendite-Versprechen abgeben und dann mit riskanten Anlagen versuchen, dieses Versprechen einzulösen. Die Allianz steht für Sicherheit. Daher ist der Prozentsatz von Anlagen in Schweizer Franken mit über 90 Prozent unverändert, Hypotheken vergeben wir nur in der Schweiz und unsere Immobilien in Höhe von über 3 Milliarden Franken sind ebenfalls ausschliesslich in der Schweiz. Die Anlagen, die wir im Ausland halten, wählen wir nach zweierlei Kriterien: einerseits unter dem Aspekt der «Diversifikation», das heisst, wir setzen nicht nur auf eine Karte sondern investieren weltweit.
«Wir werden unseren Kunden keine nicht einhaltbaren Rendite-Versprechen abgeben und dann mit riskanten Anlagen versuchen, dieses Versprechen einzulösen.»
Andererseits durch spezifische Selektion derjenigen Titel, die wir auch langfristig für stabil und attraktiv halten. Diese Strategie hat sich bewährt, die Allianz Suisse hielt zum Beispiel bereits vor der Krise nur minimale Anlagen in den europäischen Peripherie-Staaten und konnte daher ohne Einfluss auf die Ergebnisrechnung bis Mitte 2012 das Exposure in diesen Ländern auf Null reduzieren. Wenn wir die Verteilung der Ratings in unserem Portfolio anschauen, stellen wir fest, dass deutlich über 90 Prozent der Anlagen im Bereich AA oder besser liegen. Dank dieser Ausrichtung gab es keine grossen Veränderungen in der Anlagestrategie aufgrund der Krise – somit wird auch die Anlagerendite auf dem stabilen Niveau des letzten Jahres zu erwarten sein.
Was hat das Geschäft mit den Lebensversicherungen geprägt?
Das Wachstum im Lebengeschäft ist derzeit vor allem durch das BVG-Geschäft getrieben. Die Tatsache, dass derzeit noch immer viele Pensionskassen in Unterdeckung sind, macht Arbeitgebern und Arbeitnehmern das Risiko dieser Lösung bewusst. Deshalb ist die Nachfrage nach der Vollversicherungslösung gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen unvermindert hoch. Denn bei dieser Lösung tragen einzig und allein wir als Versicherer das Risiko. Zudem hat die Allianz Suisse in den vergangenen Jahren im Marktvergleich die attraktivste Gesamtverzinsung gewährt – das hat die Kunden offenbar angesprochen. Im Einzelleben hingegen verlangsamt sich das Geschäft mit Einmaleinlagen angesichts des Tiefzinsniveaus.
Wie begegnen Sie der Herausforderung, die Kundengelder möglichst hoch zu halten?
Indem wir den Kunden Produkte bieten, die Sicherheit und und Renditepotenzial miteinander verknüpfen! Das ist uns mit unseren neuen Produkten Balance Invest und der Kindervorsorge, die wir im vergangenen Jahr lanciert haben, sehr gut gelungen. Die Nachfrage ist hoch und kann den Rückgang bei den Einmaleinlagen teilweise kompensieren. Das zeigt mir, dass das Lebensversicherungsgeschäft trotz der vielfältigen Herausforderungen noch immer über erhebliches Potenzial verfügt. Es ist unsere Aufgabe, dieses Potenzial mit innovativen Produkten und ganzheitlicher Beratung zu heben. Ich bin sehr zuversichtlich, dass uns dies als attraktiver Anbieter auch gelingt.
Der Mindestzinssatz der beruflichen Vorsorge liegt seit Jahresbeginn bei 1,5 %. Wie stellen Sie sich zu Forderungen, den Mindestzinssatz weiter zu senken?
Auch wenn der Mindestzinssatz sich zumindest in die richtige Richtung entwickelt hat – er ist immer noch zu hoch. Zudem ist er angesichts der epochalen Herausforderungen, vor denen wir mit dem demographischen Wandel stehen, nicht mehr zeitgemäss und sollte fallengelassen werden. Meiner Meinung nach wäre es sinnvoller, wenn der Wettbewerb bei der Garantieverzinsung der Vorsorgegelder künftig frei spielt. Denn gegenwärtig spiegelt der Mindestzins in einem Umfeld, in dem die Erträge auf den Kapitalmärkten kaum zu erzielen sind, die Realität nicht wider.
Um das Rentensystem langfristig finanzieren zu können, braucht es wahrscheinlich radikalere Massnahmen. Welche wären für Sie zielführend?
Die demographische Zeitbombe tickt, die Alterung der Gesellschaft schreitet auch in der Schweiz rapide voran und ist unumkehrbar. Das kann dem Wirtschaftswachstum künftig enge Fesseln anlegen, denn die Sozialsysteme werden durch diese Entwicklung auf eine harte Probe gestellt. Was die künftige Finanzierbarkeit des Rentensystems anbelangt, muss sich also auch die Schweiz einem demographischen Stresstest unterziehen. Dabei darf es keine Denkverbote geben, sei es bei der Senkung des Umwandlungssatzes, bei einer Ausdehnung der Lebensarbeitszeit oder bei einer Flexibilisierung des Rentenalters. Auch die Unternehmen sind hier gefordert, zum Beispiel durch eine stärkere Förderung von Frauen oder älteren Mitarbeitern.
Die Schadenquote blieb im ersten Halbjahr auf Vorjahresniveau. Sind Sie damit zufrieden?
Wir arbeiten an einer deutlichen Qualitätsverbesserung in den für die Schadenquote relevanten Prozessen wie Underwriting und Pricing sowie an einer grösseren Effizienz in der Schadenbearbeitung. Wir zeichnen längst nicht alle Risiken, um möglichst schnell Marktanteile hinzuzugewinnen, sondern bei uns stehen Risikoselektion und Profitabilität im Vordergrund. Zudem haben wir enorme Fortschritte bei der Automatisierung und Digitalisierung einzelner Arbeitsprozesse gemacht, was sich insbesondere bei den Kosten bemerkbar macht. All diese Verbesserungen werden sich positiv in der Schaden-/Kostenquote niederschlagen.
Wo setzen Sie die Schwerpunkte hinsichtlich Servicequalität?
Ausgezeichnete Servicequalität ist für uns ein wichtiger strategischer Pfeiler und die Grundlage für Erfolg: Denn nur ein zufriedener Kunden empfiehlt uns auch seinen Freunden und Bekannten weiter. Deshalb arbeiten wir kontinuierlich an der Verbesserung unserer Servicequalität. Wir haben Anfang Jahr für unsere Kunden verbindliche Dienstleistungsgarantien wie zum Beispiel Schadenzahlung innert 5 Arbeitstagen und Assistance-Leistungen innert 30 Minuten lanciert – deren Einhaltung wir strikt messen. In einem nächsten Schritt werden wir im Herbst unter dem Titel «Results for the Customer» die Transparenz weiter erhöhen und offen darlegen, wie die Kunden unsere Dienstleistungen, die Beratungsqualität und die Schadenbearbeitung bewerten. Mit bedarfsorientierten Produkten wie der Allianz-Helpbox und Dienstleistungen wie dem Kundenportal «my Allianz» bieten wir den Kunden zudem einen echten Mehrwert, der weit über die klassischen Versicherungsleistungen hinausgeht. Wir arbeiten also zielgerichtet daran, der kundenorientierteste Anbieter auf dem Schweizer Markt zu sein.
«Leider führt der Behindertensport ausserhalb solcher Grossveranstaltungen immer noch ein Schattendasein – dabei verdienen gerade diese Leistungssportler mehr Aufmerksamkeit, denn sie motivieren auch andere Menschen mit Behinderung zum Sport und geben ihnen viel Mut und Zuversicht.»
Die Allianz Suisse ist einer der neuen Sponsoren der Swiss Football League. Welche Erwartungen sind mit diesem Sponsoring-Engagement verbunden?
Die Allianz Arena in München ist den Fussballfans bereits weltweit ein Begriff. Und auch in der Schweiz ist Fussball ist mit über 4 Millionen Fans die populärste Sportart mit stetig steigenden Zuschauerzahlen. Mit unserem Sponsoring unterstreichen wir die grosse strategische Bedeutung des Fussballsponsorings für die Allianz und wollen unsere Markenbekanntheit angesichts der grossen Medienpräsenz weiter steigern. Der Schweizer Fussball bietet mit seinen attraktiven Stadien und leidenschaftlichen Fans dafür eine ideale Plattform.
Heute werden in London die Paralympics eröffnet. Allianz Suisse engagiert sich als Sponsor für den Behindertensport in der Schweiz. Worauf zielt das Sponsoring der Allianz Suisse bei Swiss Paralympic ab?
Durch das Engagement stärkt die Allianz Suisse die Stellung des Behindertensports in der Gesellschaft. Die finanzielle Unterstützung ermöglicht es den Athleten, sich sich auf ihren Sport zu konzentrieren und mehr Zeit fürs Training zu investieren. Die Sportler zeigen aussergewöhnlichen Ehrgeiz, Professionalität und Teamgeist. Das macht sie zu Top-Athleten und Vorbildern für uns alle. Leider führt der Behindertensport ausserhalb solcher Grossveranstaltungen immer noch ein Schattendasein – dabei verdienen gerade diese Leistungssportler mehr Aufmerksamkeit, denn sie motivieren auch andere Menschen mit Behinderung zum Sport und geben ihnen viel Mut und Zuversicht.
Herr Röhler, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Klaus-Peter Röhler (47), steht seit 1. Januar 2012 an der Spitze der Allianz Suisse und ist Mitglied des International Executive Committees der Allianz SE. Er begann seine Laufbahn bei der Allianz 1996 nach einer Banktätigkeit und dem Abschluss des Studiums der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Er absolvierte Führungsaufgaben im Ausschliesslichkeits-, Makler- und Bankvertrieb sowie im Underwriting. Ab 2002 leitete er das Vorstandsbüro des Vorstandsvorsitzenden der Allianz SE. Ab Januar 2006 verantwortete er als Senior Vice President den Unternehmensbereich Europa 1 Insurance (Schweiz, Österreich, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland und Türkei). Klaus-Peter Röhler ist seit 2007 General Manager der Allianz SpA in Italien, wo er im Rahmen der Integration die Insurance Operations der drei lokalen Gesellschaften erfolgreich zusammenführte und wesentlich zum Turnaround beitrug.
Zum Unternehmen:
Die Allianz Suisse ist mit einem Prämienvolumen von über 3,9 Mrd Franken eine der bedeutenden Versicherungsgesellschaften der Schweiz. Ihre Geschäftstätigkeit umfasst Versicherung, Vorsorge und Vermögen. Sie beschäftigt über 3’700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ist Teil der internationalen Allianz Gruppe, die in über 70 Ländern auf allen Kontinenten präsent ist.
Über 930’000 Privatpersonen und über 100’000 Unternehmen verlassen sich in allen Lebens- und Entwicklungsphasen auf die Beratung und den Versicherungs- und Vorsorgeschutz der Allianz Suisse. Ein dichtes Netz von 130 Geschäftsstellen sichert die Nähe zu den Kunden in allen Landesteilen. Die Allianz Suisse ist offizieller Partner des Schweizerischen Roten Kreuzes.
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