von Sandra Willmeroth
Moneycab.com: Herr Zimmer, im August hat Feintool erwartungsgemäss tiefrote Zahlen bekannt gegeben. Ein Drittel weniger Umsatz, um die Hälfte weniger Aufträge und ein operativer Verlust von 18 Mio Franken. Der Aktienkurs erholt sich stetig. Ist die Talsohle also überschritten?
Knut Zimmer: Wir konnten erfreulicherweise in den letzten Wochen in allen Regionen eine deutliche Erholung der Nachfrage nach unseren Produkten feststellen. Insbesondere in China und den USA hat die Produktion sehr rasch wieder das Vorkrisen-Niveau erreicht.
China erholt sich vom Nachfrageschock und kauft wieder Neuwagen. Wie stark spüren sie das bereits im Auftragseingang?
Die Erholung in China stellt sich als nachhaltig stabil dar. Wir profitieren nun von dem erwarteten Wachstum durch den Anlauf neuer Aufträge. Mit entsprechenden Investitionen in Kapazitäten hatten wir uns in den letzten Jahren bereits darauf vorbereitet.
Auch in den USA scheint sich der Markt zu erholen, trotz der katastrophalen Ausbreitung des Virus und nun auch noch der Waldbrände in Kalifornien und anderen Staaten an der Westküste. Wie wichtig ist der amerikanische Automobilsektor noch für Feintool?
Nach einem dramatischen Lockdown erholte sich die Autoproduktion in den USA erfreulich in einer V-förmigen Konjunktur. Durch die hohe Anzahl der Fahrzeuge ist USA für uns ein wichtiger Markt. Deshalb sind wir dort mit zwei Produktionswerken seit langer Zeit präsent und fertigen dort Produkte für amerikanische Automobilhersteller und deren Systemlieferanten.
«Die Kombination von Verbrennungsmotor mit einem Elektroantrieb bietet uns hohe Lieferanteile.»
Knut Zimmer, CEO Feintool
In Europa sind Hybridfahrzeuge auf dem Vormarsch. Inwiefern profitiert Feintool von speziell dieser Produktkategorie?
Die Kombination von Verbrennungsmotor mit einem Elektroantrieb bietet uns hohe Lieferanteile. Unsere Entwicklungsaktivitäten konzentrierten sich in den letzten Jahren mit unseren Kunden auf Komponenten für dieses Antriebskonzept. Unsere Lieferanteile für diese Fahrzeugkonzepte steigern sich inzwischen kontinuierlich. Hier können wir unsere technologische Stärke im Feinschneiden, Umformen und Elektroblechstanzen voll einsetzen!
Glauben Sie an die Zukunft der Elektrofahrzeuge und welche Rolle spielt diese Entwicklung für Feintool?
Batterieelektrische- und Hybrid-Fahrzeuge werden bereits in naher Zukunft an Attraktivität für den Endkunden gewinnen. Verstärkt wird dieser Trend durch entsprechende gesetzliche Regelungen. Insbesondere mit der Technologie des Elektroblechstanzens hat sich Feintool für die Bedürfnisse der e-Mobilität vorbereitet. Wir sehen darin ein bedeutsames Wachstumspotenzial zuerst in Europa und Asien. Darüber hinaus entwickeln wir ein Verfahren zur wirtschaftlichen Herstellung von Bipolarplatten für Brennstoffzellen. Ebenso eine Investition in nachhaltige Antriebskonzepte der e-Mobilität.
«Insbesondere mit der Technologie des Elektroblechstanzens hat sich Feintool für die Bedürfnisse der e-Mobilität vorbereitet.»
Welche Chance messen Sie dem Thema „Autonomes Fahren“ zu und welche Rolle spielt diese Entwicklung für Feintool?
Autonomes Fahren setzt automatisierte Antriebskonzepte voraus. Mit der Mehrzahl unserer Produkte befinden wir uns bereits heute darin und schaffen damit eine wesentliche Grundlage zu diesem weiteren Trend.
Feintool fährt eine duale Geschäftsstrategie „Technologie und Teile“. Welcher Geschäftsbereich hat stärker unter dem Corona-Einbruch gelitten?
Der Maschinenbau war von den Folgen des Corona-Einbruchs stärker betroffen. Die Investitionsbereitschaft unserer Kunden ging durch Lock-downs und Überkapazitäten zurück. Dennoch haben wir die Zeit genutzt, um unsere Pressen- und Technologieentwicklungen weiter voranzutreiben um für die Erholung der Märkte bereit zu sein.
Feintool ist aus historischen Gründen seit der Ära Bösch überproportional stark im Automobilsektor verankert, was – wie die Krise nun bewiesen hat – ein Klumpenrisiko darstellt. Was unternehmen Sie, um die Geschäfte breiter abzustützen und welche anderen Branchen wären für eine Diversifikation zumindest auf dem Reissbrett denkbar?
Der Automobilmarkt ist für uns nach wie vor sehr attraktiv und zukunftsträchtig. Unsere Technologien finden sich in einer Vielzahl im Auto wieder. Von Motor/e-Motor über Getriebe und Differenzial bis zu Sitz- und Sicherheitskomponenten fährt Feintool in Autos von heute und morgen mit. Grundsätzlich eignen sich unsere Technologien für verschiedenste Industrien zur wirtschaftlichen Herstellung anspruchsvoller Stahlblechkomponenten. Gerade Elektromotoren finden sich in Branchen wie Energie, Transport, Robotik, Pumpen, Generatoren oder Medizin wieder. Hier sehen wir ebenso grosses Potenzial.
«Von Motor/e-Motor über Getriebe und Differenzial bis zu Sitz- und Sicherheitskomponenten fährt Feintool in Autos von heute und morgen mit.»
Musste Feintool in Europa bislang Personal entlassen?
Seit den Lockdowns nutzen wir das Instrument der Kurzarbeit in Europa in grossem Ausmass. Da wir jedoch nicht erwarten, dass wir in Europa kurzfristig das Vorkrisen-Niveau wieder erreichen, mussten wir leider den Mitarbeiterbestand dem niedrigeren Umsatz anpassen und im ersten halben Jahr 2020 87 Mitarbeitende abbauen. Die Anpassung sollte sozialverträglich sein. Wir konnten die Fluktuation nutzen und mussten nur teilweise Kündigungen aussprechen.
Wie lassen sich Corona-Schutzmassnahmen in den Produktionsbetrieben umsetzen?
Wir halten uns strikt an die Vorgaben der lokalen Behörden. Dazu gehören unter anderem die Einhaltung des Sicherheitsabstandes, der Hygieneregeln sowie der Nutzung einer Atemschutzmaske sofern der Abstand nicht eingehalten werden kann. In der Produktion kann dies soweit gehen, dass Schichtübergaben anders erfolgen oder Mitarbeitende ihre Pausen versetzt vornehmen müssen. In einer Task-Force Gruppe beobachten wir die regional spezifischen Entwicklungen aufmerksam und stellt den Schutz und die Sicherheit der Mitarbeitenden an erster Stelle. Empfehlungen oder erlassene Vorschriften lokaler Behörden setzen wir konsequent um.
Wagen Sie eine Prognose für das 4. Quartal und damit das Gesamtjahr 2020?
Aufgrund der nach wie vor grossen Unsicherheiten über die Ausdehnung der Covid-19 Pandemie und wegen der hohen Volatilität der Nachfrage sind die gesamten Auswirkungen auf Umsatz und Ergebnis für das Gesamtjahr zum heutigen Zeitpunkt kaum abschliessend abschätzbar. Aus heutiger Sicht erwarten wir jedoch für die zweite Jahreshälfte einen leicht höheren Umsatz und dank der umgesetzten Sparmassnahmen eine deutlich verbesserte Profitabilität.