Kurt Rohrbach, CEO BKW FMB Energie AG.
Von Bob Buchheit
Moneycab: Herr Rohrbach, an der Leipziger Strombörse sind die Preise gesunken. Müssen sich die europäischen Stromkonzerne jetzt auf magere Jahre einstellen?
Kurt Rohrbach: Die Rahmenbedingungen auf dem Energiemarkt haben sich tiefgreifend verändert – für wie lange ist offen. Sie beeinflussen die Ertragslage der Versorgungsunternehmen. Die weltweite Konjunkturentwicklung hat entscheidenden Einfluss auf unser Ergebnis. Der tiefe Strompreis an den internationalen Märkten zusammen mit dem tiefen Euro treffen uns deshalb, vor allem im Handelsgeschäft, unmittelbar. Hinzu kommen die sinkenden Erträge aus unseren Speicherkraftwerken, welche durch die stark subventionierte Sonnenenergie aus Deutschland immer stärker aus dem Markt gedrängt werden. Ohne zu übertreiben – die Marktverhältnisse sind zurzeit anspruchsvoll.
Die Schweiz ist Weltmeister im Exportieren von teurem Strom bei hoher Auslandsnachfrage. Wie würde sich eine längere Wachstumsverlangsamung im Euroraum auswirken?
Die genannten Effekte würden sich verstärken, das bedetet, die Versorgungsunternehmen wären einem anhaltenden Preisdruck ausgesetzt. Sie führen auch dazu, dass geplante Investitionen nicht mehr wirtschaftlich sind und nicht getätigt werden. Die Erneuerung des europäischen Produktionsparks gerät dadurch ins Stocken.
«Ohne zu übertreiben – die Marktverhältnisse sind zurzeit anspruchsvoll.»
Kurt Rohrbach, CEO BKW FMB Energie AG
Was würde eine Europäische Wirtschaftskrise für die Auslandsengagements der BKW konkret bedeuten?
Das kann heute nicht abschliessend beurteilt werden. Dass wir Wertberichtigungen und die Bildung von Rückstellungen für Anlagen in Deutschland und Italien vornehmen, hat nichts mit dem Standort an sich oder der Technologie zu tun. Auch wenn wir kürzlich in der Schweiz investiert hätten, müssten wir Anlagen nach Marktpreisen bewerten und allenfalls berichtigen, sogar Wasserkraftwerke, solange sie nicht mit Subventionen sozusagen wirtschaftlich gemacht werden.
Die Abschreibung auf ihre zwei Gaskombiwerkbeteiligungen in Italien und diejenige am Kohlestromwerk in Deutschland schlugen mit 300 Millionen Franken negativ zu Buche. Droht durch den sich abzeichnenden harten Wettbewerb noch mehr Ungemach?
Die BKW ist an zwei Gaskombikraftwerken in Italien, Livorno Ferraris und Tamarete, und an einem Kohlekraftwerk in Deutschland, Wilhelmshaven, als Minderheitspartner beteiligt. Wir schätzen die zukünftige Ertragssituation der fossil-thermischen Kraftwerke schlechter ein als bisher erwartet, da sich diese Kraftwerke ohne staatliche Förderung am Markt behaupten müssen. Die Realisierung des Kraftwerkes in Wilhelmshaven erfolgt zeitlich verzögert und wird höhere Baukosten aufweisen als bisher angenommen. Der produzierte Strom aus diesen Kraftwerken wird zu Gestehungskosten übernommen. Wir müssen davon ausgehen, dass diese Gestehungskosten noch während einiger Zeit über den erzielbaren Marktpreisen liegen werden. Aus diesen Gründen werden wir die genannten Wertberichtigungen und Rückstellungen vornehmen. Wir stehen jedoch finanziell nach wie vor auf einer soliden Basis.
Was würde denn gar passieren, wenn die Laufzeit des Kernkraftwerks Mühleberg verkürzt würde?
Eine Verkürzung der Laufzeit würde unseren zeitlichen und finanziellen Handlungsspielraum natürlich einschränken. Wir hätten weniger lang Zeit, die Kernenergie durch andere eigene Produktionsanlagen abzulösen. Wir müssten den Strom vorerst sicher importieren. Bei einer frühzeitigen Ausserbetriebnahme würde sich auch unsere finanzielle Last erhöhen. Wir müssten in kürzerer Zeit höhere Rückstellungen für die Stilllegung, den Rückbau und die Entsorgung vornehmen.
Im letzten Jahr produzierte Mühleberg um 16% weniger Strom, weil die Anlage wegen Revisionsarbeiten längere Zeit still stand. Wird nicht mit zunehmendem Alter dieses Kraftwerks die Stromversorgung zunehmend unsicherer?
Mit den vorgenommenen Revisionsarbeiten erfüllen wir erhöhte Sicherheitsanforderungen. Dank den ständigen Optimierungs-, Instandhaltungs- und Erneuerungsinvestitionen können wir die Produktion fortwährend erhöhen.
Oder schaffen Sie bei Mühleberg längerfristig weiter 90% Auslastung?
Die verlängerte Revision im letzten Jahr war eine Ausnahme. Wir haben die Erkenntnisse aus der vertieften Sicherheitsüberprüfung nach den Ereignissen in Fukushima umgesetzt. Das Kernkraftwerk Mühleberg hat in den letzten Jahren immer deutlich mehr als 90% (2010 rund 93%) der Jahreszeit Strom ins Netz gespeist. Die durchschnittliche Verfügbarkeit seit 1972 beträgt 89.9%. Dies ist im internationalen Vergleich ein sehr guter Wert.
«Mittel- bis langfristig wird es im Strommarkt bestimmt zu einer stärkeren Konsolidierung kommen.»
Überall in der Strombranche werden Stellen abgebaut. Wie halten Sie in der jetzigen schwierigen Situation die Moral der Truppe hoch?
Es stimmt, das aktuelle Umfeld ist nicht einfach. Aber unsere Mitarbeitenden wissen, dass wir gerade jetzt auf eine fähige und motivierte Crew angewiesen sind, die sich für das Unternehmen einsetzt.
Kommt es, wie von Alpiq-CEO Hans Schweickardt vermutet, zu einer weiteren Konsolidierung im Schweizer Strommarkt? Haben wir, um mit seinen Worten zu sprechen bald wie in Frankreich einen einzigen Anbieter à la EDF, also eine Art Eléctricité de Suisse?
Mittel- bis langfristig wird es bestimmt zu einer stärkeren Konsolidierung kommen. Auf dem Weg zu einem einzigen Anbieter sind wir aber deshalb wohl noch nicht. Letztlich setzt die Politik die Rahmenbedingungen und bestimmt so, ob diese Konsolidierung eher die kleineren, die mittelgrossen oder die grossen Unternehmen betreffen wird. Das Ziel der BKW ist aber nach wie vor, eigenständig zu bleiben.
Strom wird europaweit verkauft. Rekrutiert die BKW auch europaweit Spitzenkräfte aus der Energiebranche?
Ja, wir rekrutieren auch Mitarbeitende aus dem europäischen Raum. Nach dem Entscheid Deutschlands aus der Kernenergie auszusteigen, ist entsprechend der Bestand an Fachkräften deutlich angestiegen.
Gehen Sie da manchmal über Headhunter?
Für gewisse Positionen, insbesondere im Top-Management ist eine Unterstützung durch Spezialisten bei der Rekrutierung sicher angebracht. In der Regel schreiben wir aber auch zusammen mit diesen Spezialisten aus.
«Schon heute ist unser Anteil an Erneuerbaren Energien, insbesondere dank der Wasserkraft, beträchtlich.»
Welchen Anteil sehen Sie im 2050 bei BKW an Erneuerbaren Energien?
Heute einen exakten Anteil zu nennen ist fast nicht möglich. Es gibt noch zu viele Unklarheiten. Wie werden die Rahmenbedingungen aussehen, wie wird sich die Akzeptanz entwickeln, welche technologischen Entwicklungen werden stattfinden? Wir streben natürlich einen möglichst hohen Anteil an. Schon heute ist unser Anteil, insbesondere dank der Wasserkraft, beträchtlich.
BKW setzt ja speziell auf Windenergie, hat beispielsweise mit HelveticWind ein bedeutendes Joint Venture. Reicht der Wind in der Schweiz überhaupt aus? Was ist gegen den Gott der Winde und gegen die Widerstände der Lärmgegner und der Landschaftsschützer an Gigawatt machbar?
Es stimmt, die Schweiz ist sicher kein typisches Windland, weder vom Windaufkommen noch von der Akzeptanz her. Deshalb sind wir gezwungen, unsere Investitionen vor allem im Ausland zu tätigen, insbesondere in Deutschland und Italien. Auf diese Länder konzentrieren sich vorderhand auch die Aktivitäten von HelveticWind, eine Kooperation mit Energie Wasser Bern (ewb), Elektra Baselland (EBL), EKZ Renewables AG (Tochter der Elektrizitätswerke des Kantons Zürich) und SN Erneuerbare Energie AG (SNEE). Die BKW versucht, alle Anspruchsgruppen frühzeitig und partnerschaftlich einzubeziehen.
Gibt es je eine Chance, mit erneuerbaren Energien die sich trotz der wirtschaftlichen Verlangsamung abzeichnende Stromlücke zu schliessen?
Grundsätzlich wäre dies für alle das Ziel. Es in der vorgegebenen Zeit (bis 2030) zu realisieren, bedeutet ein grosses Engagement. Die Anpassung der Produktions- und Netzstrukturen braucht Zeit. Wir sprechen hier von Investitionszyklen von 20 bis zu 80 Jahren. Schon heute ist unser Anteil an erneuerbaren Energien, insbesondere dank der Wasserkraft, beträchtlich.
Zur Person
Kurt Rohrbach (Jahrgang 1955) ist seit 1980 für die BKW tätig. Neben seiner Funktion bei der BKW ist er Präsident des Verbands schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) und Mitglied des Vorstandes des Handels- und Industrievereins des Kantons Bern. Bis Ende 2000 leitete Kurt Rohrbach die Energiedirektion der BKW.
Zum Unternehmen
Die BKW FMB Energie AG (kurz auch nur BKW) gehört mit 26,7 Terawattstunden Energieumsatz zu den grossen Energieunternehmen der Schweiz und beschäftigt rund 2’800 Mitarbeitende. Mehrheitsaktionär ist der Kanton Bern. Die BKW liefert in rund 400 Gemeinden für rund eine Million Personen Strom.