Lars van der Haegen, CEO Belimo, im Interview

Lars van der Haegen, CEO Belimo, im Interview
Lars van der Haegen, CEO Belimo. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr van der Haegen, Grossraumbüros und andere Formen von Menschenansammlungen sind Austauschplattformen für Viren. Wie kann intelligente Belüftungstechnik da Abhilfe schaffen?

Lars van der Haegen: Tatsächlich, erste COVID-19 Studien zeigen, dass 95 Prozent der Ansteckungen in Innenräumen stattfinden. Dies kann durch eine gute Lüftungsanlage stark reduziert werden. Dabei wichtig sind ein hoher Aussenluftanteil, die Filtrierung, eine gut geplante Luftverteilung sowie das Regeln der relativen Luftfeuchtigkeit in einem Bereich zwischen 40 und 60%. Bei trockener Luft schweben die virentragenden Tröpfchen viel länger in der Luft und führen zu Ansteckungen.

Ebenso können ja durch trockene Schleimhäute in Nasenhöhlen und Rachen Erkältungsviren leichter in den Körper eintreten, da die Schleimhäute einen Grossteil ihrer Schutzfunktion einbüssen…

Das ist schon seit über hundert Jahren bekannt und wird laufend durch Studien bestätigt, wie beispielsweise 2019 von Professorin Akiko Iwasaki der Yale University. Qualitativ hochwertige Lüftungsanlagen und regelmässige Wartung hilft hier. Einfache, sogenannte Split-Klimageräte wirken als Umluftschleudern und sind je nach Raumzweck gefährlich.

«Bei trockener Luft schweben die virentragenden Tröpfchen viel länger in der Luft und führen zu Ansteckungen.»
Lars van der Haegen, CEO Belimo

Die Kombination aus Sensor-, Antriebs- und Ventiltechnologie macht Belimo zum Systemanbieter, was wiederum eine höhere Marge rechtfertigt. Wie stark drängen Fernablese-Lösungen in Ihre Feldgeräte ein?

Solche Kombinationen, wie das Belimo EnergyValve, generieren einen unglaublichen Kundenmehrwert. Diese Geräte werden heute standardmässig in die Gebäudeautomations-Architektur integriert, und die gewonnen Daten können in einer Applikation ausgewertet werden, beispielsweise zur Optimierung des Energieverbrauchs oder zur Energieabrechnung. Lokales Ablesen ist passé.

Bei Belimo haben Amerika und Asien Europa erneut deutlich abgehängt. Liegt das nicht auch in vorderster Linie am Bevölkerungswachstum?

Für Asien gilt das eindeutig, etwa die Hälfte des Wachstums im Bausektor kommt aus Asien Pazifik, wo 4 Milliarden von insgesamt 7.9 Milliarden Menschen wohnen. Das Wachstum in Europa und Amerika verhält sich etwa gleich, je nach Jahr. In unserer Markregion Europa ist auch der Mittlere Osten, Afrika und Russland enthalten.

In wie weit hat das administrative Coronachaos in den USA Rückwirkungen auf Ihr Geschäft?

Momentan reduziert sich der Umsatz in Regionen mit starken Lockdown-Massnahmen und wird sich mit den Lockerungen wieder langsam erholen. Die Situation beeinflusst auch aktuelle Investitionsentscheide, was Auswirkungen auf unser Geschäft in den nächsten Jahren haben wird.

Es bestehen Pläne für die Eröffnung von vier neuen Standorten in China. Ist das jetzt noch aktuell? 19,5% Wachstum wie im letzten Jahr dürfte 2020 wohl selbst für Belimo ein hohes Ziel sein?

Ja, nach der erfolgreichen Umsetzung unserer Wachstumsstrategie in China sind wir nun in der zweiten Phase, und wir haben bereits zwei der geplanten vier Standorte eröffnet. Die Umsätze in China haben sich verhältnismässig wieder gut erholt, werden aber wahrscheinlich unter den ambitionierten Zielen liegen.

«Die Umsätze in China haben sich verhältnismässig wieder gut erholt, werden aber wahrscheinlich unter den ambitionierten Zielen liegen.»

Mit einer Reingewinnmarge von 17,5% wurde im letzten Jahr ein absoluter Spitzenwert erzielt. Ist das, neben dem einmaligen Steuereffekt, auch auf die weiter zunehmende vertikale Integration zurückzuführen?

Nein, wir halten an unserem Asset-Light Model mit Umsätzen um die 400’000 Franken pro Mitarbeitenden fest. Margenverbesserungen entstehen durch verschiede Initiativen. Wir investieren viel in die Automation und Digitalisierung unserer globalen Prozesse.

Aus der stark gestiegenen Differenz zwischen freiem und Gesamtcashflow liest man hohe Zukunftsinvestitionen. Worin, ausser in ihre Bauprojekten und Anlagen, fliessen diese?

Wir investieren kontinuierlich in neue innovative Produkte und in die entsprechenden Produktionsanlagen. Im letzten Jahr haben wir ein Gebäude in Grossröhrsdorf in der Nähe von Dresden gekauft, als eine für Belimo grössere Investition. An neuen Standort wird die gesamte Logistik für Deutschland abgewickelt. Ebenso das Customizing und die Logistik für Sensoren in ganz Europa.

«Margenverbesserungen entstehen bei uns viel durch Automation und Digitalisierung unserer globalen Prozesse.»

Die Antriebe und Regelventile für Heizung, Lüftung und Klimatisierung hat Belimo mit einem umfassenden Angebot an Sensoren ergänzt. Welche Schlagzahl erwarten Sie bei den Sensoren in den nächsten Jahren?

Im Moment kommunizieren wir diesbezüglich noch keine Umsatzzahlen. Das weltweite Marktpotential beträgt 700 Millionen Franken. Das Geschäft ist planmässig angelaufen, und im Moment sind wir vor allem mit der Entwicklung und der Markteinführung neuer Sensoren beschäftigt. Wir haben 2017 mit dem Aufbau dieses Geschäftsfeldes begonnen. In wenigen Jahren wird der damit erzielte Umsatz wesentlich zum nachhaltigen Wachstum der Belimo Gruppe beitragen.

Schaut man sich die letzten zehn Jahre an, bekommt man das Gefühl, ein steigender Aussenwert des Frankens kann Ihrer Firma überhaupt nichts anhaben. Wie kommt das?

Ein starker Schweizerfranken ist für uns als Unternehmen mit einem Exportanteil von 97% ungünstig. Die negativen Auswirkungen auf der Nachfrageseite (Umsatz) kompensieren sich jedoch teilweise auf der Angebotsseite durch eine tiefere Kosteninflation und relativ tiefere Kosten für Rohmaterialien aus dem Ausland.

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