Lars van der Haegen, CEO Belimo, im Interview
von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr van der Haegen, die «ausgezeichnete» Entwicklung in Indien habe die anhaltenden Herausforderungen in China kompensiert», heisst es in Ihrem Kurzbericht zum abgelaufenen Geschäftsjahr. Wie wird sich das nun gerade abgesegnete Freihandelsabkommen der Schweiz mit Indien auf Belimo auswirken?
Lars van der Haegen: Indien ist mit 18 Prozent der Weltbevölkerung so gross wie China und ein schnell wachsender Markt. Deswegen ist Indien bereits seit langem Bestandteil unserer globalen Wachstumsstrategie. In Mumbai haben wir 2022 unseren 3’800 Quadratmeter grossen indischen Hauptsitz eingeweiht. Das Gebäude besitzt Platin-Status des Indian Green Building Councils und vereint neben Büroräumlichkeiten, Logistik, Customization und technischer Support auch ein Kunden Experience Center unter einem Dach. Wie Sie sehen, sind wir in Indien bereits fest verankert. Das Freihandelsabkommen ist für uns sehr wichtig, da heute unsere von der Schweiz importierten Produkte mit hohen Importzöllen belastet sind. So sichert das Abkommen Arbeitsplätze in der Schweiz.
Auch Sie spüren die abflauende Dynamik im Baugeschäft. In welchen Ländern wird sich das in diesem Jahr noch weiter auswirken?
Aktuell leidet besonders der Wohnungsbau unter den weltwirtschaftlichen Folgen. Belimo fokussiert sich auf Zweckbauten wie Schulen, Krankenhäuser und Datenzentren, dies kommt uns entgegen. Trotzdem sehen wir ein herausforderndes Umfeld, insbesondere in China, das sich nach der Corona-Pandemie langsamer als erwartet erholt und in Deutschland, das momentan anderen Ländern im Wirtschaftswachstum hinterherhinkt.
…und wo sieht man schon den Wendepunkt?
Generell gibt es einen positiven Trend zur Steigerung der Energieeffizienz in Gebäuden, dem grössten Potential zur Reduktion von CO2-Emissionen. Solche Investitionen sind finanziell meistens sehr interessant und amortisieren sich innert wenigen Jahren. Zusätzlich fordern neue Gesetze und Standards diese Nachrüstung, beispielsweise die ISO 15120 Energieeffizienz von Gebäuden.
Wirken der US Inflation Reduction Act (IRA) und das Bipartisan Infrastructure Law weiterhin als starker Treiber für das US-Geschäft?
Unsere Produkte reduzieren den Energieverbrauch von Heizungs-, Lüftungs- und Kühlanlagen entscheidend und helfen so, das angestrebte Netto-Null-Ziel zu erreichen. Da unsere Produkte vor Ort montiert und verbaut werden, schaffen wir dort auch Arbeitsplätze. Der US Inflation Reduction Act und das Bipartisan Infrastructure Law sind ein Schritt zur Bewältigung der Klimakrise und dienen zur Wiederbelebung der US-Wirtschaft. Bei beiden Themen können wir helfen.
«Der US Inflation Reduction Act und das Bipartisan Infrastructure Law sind ein Schritt zur Bewältigung der Klimakrise und dienen zur Wiederbelebung der US-Wirtschaft. Bei beiden Themen können wir helfen.»
Lars van der Haegen, CEO Belimo
Ich nehme an, dass es in Ihrer Warengruppe Elektronik keine Supply-Probleme gibt, trotz aller weltpolitischen Spannungen?
Unser Team im Einkauf hat während der Corona-Pandemie bewiesen, dass wir eine einwandfreie Supply-Chain haben und auch in schwierigen Zeiten die beste Verfügbarkeit im Markt hatten. Dies gilt natürlich auch heute noch.
Bekommen Sie bei Belimo das Chaos um das Deutsche Heizungsgesetz mit? Deutschland wird seine Wärmepumpenziele dieses Jahr ja verfehlen.
Ja, klar bekommen wir das mit, und es ärgert mich zu sehen, wenn Menschen sich gegen solche Initiativen wehren. Gebäude verursachen etwa 40 Prozent der CO2-Emissionen. Wobei noch wichtiger als die Umstellung auf Wärmepumpen ist die richtige Regelung von Heizungs- und Lüftungsanlagen. Solche Investitionen sind, wie bereits erwähnt, rentabler und bilden die Grundlage für ein effizientes Gesamtsystem. Ich ärgere mich aber auch über Schweizer und Schweizerinnen, welche sich gegen Wind- und Solarkraftwerke stellen.
«Ich ärgere mich aber auch über Schweizer und Schweizerinnen, welche sich gegen Wind- und Solarkraftwerke stellen.»
Nach Anwendungen betrachtet, betrug das Nettoumsatzwachstum 2023 bei den Klappenantrieben 1,1 Prozent in Lokalwährungen, während Regelventile um 12% zulegen konnten. Sensoren und Zähler sogar um 31 Prozent. Das sieht nach dem Traum jeden Betriebswirts aus, will heissen, die Produkte mit höherer Marge werden immer stärker gefragt?
Nicht nur unsere Betriebswirte haben Freude an der Arbeit. Ich denke jeder und jede bei uns sehen es gerne, was wir mit unseren Produkten erreichen. Die Rentabilität der verschiedenen Produktelinien ist jedoch ähnlich.
Der Umsatzanteil von Zählern und Sensoren liegt im Moment noch im mittleren einstelligen Bereich. Wird er bald einmal zweistellig sein?
Das Sensorgeschäft ist unser jüngster Geschäftszweig und entwickelt sich sehr gut. Das Marktpotential für Sensoren und Zähler ist grösser als das für Klappenanatriebe und wächst sehr stark. Wie die Regelventile nun die Klappenantriebe überholt haben, werden die Sensoren und Zähler dies eines Tages auch tun.
«Das Marktpotential für Sensoren und Zählern ist grösser als das für Klappenanatriebe und wächst sehr stark.»
Eine konzernweite EBIT-Marge von zwanzig Prozent scheint mir für Belimo nicht mehr weit…
…entfernt zu sein. Unsere Wachstumsstrategie konzentriert sich hauptsächlich auf den Ausbau des Portfolios und Marktanteilgewinne, das kreiert mehr Firmenwert als eine mittelfristige Optimierung des EBIT. Langfristig jedoch rechnen wir mit einer weiterhin positiven Entwicklung der Profitabilität, ähnlich wie man das über die letzte 20 Jahre verfolgen konnte.
Haben die bestehenden Immobilienbesitzer im Moment noch das Geld für ein vernünftiges Retrofitting ihrer Gebäudeklimatechnik?
Bei den Retrofit-Projekten handelt es sich um eine Investition, welche Energieeinsparungen mit sich bringen und somit die Kosten des Betriebs senkt. Ebenfalls reduziert es die Abhängigkeit von schwankenden Energiepreisen und verbessert die CO2-Bilanz. Gebäudebetreiber sollten im Kopf haben, dass sich der Return on Investment nach 1 bis 5 Jahren bemerkbar macht. Meiner Meinung nach kann es sich heute niemand mehr leisten, sein Gebäude mit einer energetisch schlechten Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlage zu betreiben.