Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Frau Kurt, Sie werden als CEO die neue BX Digital leiten, einen neuen Schweizer Handelsplatz für Digital Assets mit dezentraler Abwicklungs-Infrastruktur. Wie ist der aktuelle Stand des Projektes, welche Herausforderungen haben Sie noch zu meistern bis zum Start?
Lidia Kurt: Wir sind technisch ready und arbeiten derzeit daran, die FINMA-Bewilligung als DLT-Handelssystem zu erlangen. In der Zwischenzeit konnten wir bereits eine spannende Pipeline an Handelsteilnehmern und Emittenten aufbauen. Ein Go-Live sollte dann wenige Monate nach Lizenzerhalt erfolgen. Hier gilt es, die Systeme produktiv zu schalten, die ersten Produkt offiziell zuzulassen und den Anschluss der Handelsteilnehmer aufzuschalten
«In der Zwischenzeit konnten wir bereits eine spannende Pipeline an Handelsteilnehmern und Emittenten aufbauen. Ein Go-Live sollte dann wenige Monate nach Lizenzerhalt erfolgen.» Lidia Kurt, CEO BX Digital, im Interview
Eine Plattform für den Handel von digitalen Assets auf Blockchain-Basis ist in erster Linie ein komplexes IT-Projekt. Welche Teile der Plattform entwickelt BX selbst, mit welchen Partnern arbeiten Sie zusammen?
Das Kernstück unserer technischen Lösung, die wir selbst konzipiert und entwickelt haben, und unser USP ist unsere Abwicklungsplattform. Diese erlaubt die Handelsabwicklung ohne Gegenparteirisiko und direkt in Zentralbankengeld.
Die BX Digital als Einheit der Gruppe Börse Stuttgart ist traditionell sehr stark im Handelsbereich, deswegen mussten diese Systeme nicht neu entwickelt werden. Hier können wir auf bewährte off-chain Handelsinfrastrukturen der Gruppe zurückgreifen. Das wiederum bringt einen grossen Vorteil mit sich: Die Banken und Wertpapierhäuser, welche bei uns Handelsteilnehmer werden, können ihnen bekannte Schnittstellen nutzen, um Trades abzusetzen.
Wie umgehen Sie mit Ihrem System die bekannten Limitationen der Blockchain wie Geschwindigkeit, Interoperabilität oder Energieverbrauch?
Sie sprechen wichtige Themen an. Den grössten Vorteil bringt die Blockchain bei der Geschwindigkeit. Die heute gängigen Abwicklungszyklen von 2 Tagen werden auf ein paar Minuten reduziert. Heute können wir nicht mit Sicherheit sagen, welche Blockchains sich langfristig durchsetzen werden. Deshalb haben wir unsere Lösung so gestaltet, dass sie vollkommen Blockchain-agnostisch ist. Unser Ziel ist es, Transaktionen auf jeder Infrastruktur abzuwickeln, die unsere Kunden nutzen.
Beim Thema Energieverbrauch setzen wir auf sogenannte Proof of Stake basierte Blockchains. Ihr Energiekonsum ist um 99,99 % niedriger als bei der Nutzung von Proof of Work, der Technologie, die zum Beispiel bei Bitcoin eingesetzt wird.
BX Digital soll eine sichere, dezentrale Abwicklung von Handelsgeschäften über eine öffentliche Blockchain ohne zentrale Finanzintermediäre wie Zentralverwahrer anbieten. Welche spezifischen regulatorischen Anforderungen müssen Unternehmen wie BX Digital erfüllen, um eine DLT-Lizenz in der Schweiz zu erhalten? Gibt es Pläne, auch ausserhalb der Schweiz tätig zu werden?
Die Anforderungen der FINMA sind sehr hoch. Dahinter steckt ein intensiver Bewilligungsprozess hinsichtlich technologischer Sicherheit, finanzieller Stabilität, Risikomanagement, Compliance, Marktintegrität, etc. Was Ihre Frage zu den Plänen ausserhalb der Schweiz tätig zu werden angeht, ja, als BX Digital haben wir die Ambition, europaweit im Geschäft der tokenisierten Wertpapiere – sowohl Handel als auch Abwicklung – führend zu werden.
«Als BX Digital haben wir die Ambition, europaweit im Geschäft der tokenisierten Wertpapiere – sowohl Handel als auch Abwicklung – führend zu werden.»
Wer ist das Zielpublikum von BX Digital und welche Bedürfnisse versuchen Sie mit Ihren Dienstleistungen zu adressieren?
Direkte Kunden der BX Digital können einerseits Banken und Wertpapierhäuser als Handelsteilnehmer und andererseits Herausgeber von Finanzprodukten sein, die ihre Produkte in einem liquiden Markt handelbar machen lassen wollen. Dazu zählen tokenisierte Aktien, Bonds oder strukturierte Produkte und ETPs, welche einen liquiden Kapitalmarkt suchen.
Können Sie uns einen Überblick über das Geschäftsmodell von BX Digital geben, wie es sich von anderen Anbietern im Markt unterscheidet und ab wann das Unternehmen profitabel sein soll?
Wir bieten Handel und Abwicklung für Wertpapiere, welche sich auf der Blockchain befinden. Dabei erfolgt der Handel klassisch off-chain über bekannte Handelssysteme, die Abwicklung ist allerdings neu auf der Blockchain. Im Gegensatz zu Angeboten mit klassischen Wertpapieren kann man so schneller, effizienter, kostengünstiger und ohne Gegenparteirisiko abwickeln. Wir sind heute kein Zentralverwahrer – deshalb können wir dieses Geschäft neu denken und die Technologie so nutzen, dass es auch zu einem effektiven Mehrwert bei den Kunden führt.
Welche Vermögensklassen sehen Sie als besonders vielversprechend für die Tokenisierung, welche Leistungen bieten Sie Kunden und Partnern, um von neuen Entwicklungen zu profitieren?
Grundsätzlich bieten wir eine Vielzahl von Vermögensklassen an. Neben den Vermögensklassen, die bereits heute sehr liquide sind wie Bonds, Aktien, strukturierte Produkte und welche aufgrund der vielen Transaktionen ein massives Einsparpotential im Bereich der Abwicklung erhalten, stellen wir neu Zugang zu Vermögensklassen her, die bislang schwer zugänglich, illiquide oder komplex zu handeln waren. Dazu gehören beispielsweise Immobilien, Private Debt, Unternehmensanteile im Private Equity-Bereich und andere alternative Investments. Die Tokenisierung schafft hier die Möglichkeit, Zugang zu erweitern, Liquidität zu schaffen und Prozesse zu vereinfachen. Kunden und Partner profitieren von einer erhöhten Effizienz, Innovation und Flexibilität.
Der rasanten technologischen Entwicklung bei den digitalen Assets folgt auch die Regulierung im europäischen Raum (MiCAR (Markets in Crypto Assets Regulation), DORA (Digital Operational Resilience Act), CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive)). Wie wirken sich die Vorschriften auf die Schweiz aus, wo steht sie hier im internationalen Wettbewerb?
Unsere Gruppe macht in Europa sehr gute Erfahrungen und trifft auf offene Aufsichtsbehörden und Regulatoren. Auch wenn die Regulierungsdichte stark zunimmt, spüren wir aus Europa die Ambition, bei technologischen Themen Vorreiter zu sein. Aber auch in der Schweiz sind wir gut aufgestellt. Wir haben eine solide Regulierungsbasis und haben uns als Land früh positioniert. Nun gilt es, unsere Innovationskraft auch künftig weiter voranzutreiben.
Angesichts der Prognose, dass der europäische Markt für digitale Vermögenswerte 2024 ein Volumen von 1,5 Billionen Euro erreichen wird: Wie positioniert sich BX Digital, um von diesem Wachstum zu profitieren, und welche Hürden sehen Sie noch als kritisch für die Branchenentwicklung?
Gemäss unserer Einschätzung befinden wir uns aktuell in einem ChatGPT Moment: Seit Jahren wurde über Tokenisierung gesprochen. Wirklich geschehen ist nicht viel am Markt. Aber was wir jetzt sehen, ist spannend: Die Adoptionskurve nimmt zu – noch sind wir zwar auf sehr kleinem Niveau im Vergleich zu klassischen Kapitalmärkten. Aber das Volumenwachstum hat in den letzten zwei Jahren exponentiell zugenommen. Ein klares Indiz, dass der Schlüsselmoment im Bereich der Adoption kurz vor uns steht.
«Die Adoptionskurve nimmt zu – noch sind wir zwar auf sehr kleinem Niveau im Vergleich zu klassischen Kapitalmärkten. Aber das Volumenwachstum hat in den letzten zwei Jahren exponentiell zugenommen.»
Kritisch sehe ich die Grabenkämpfe zwischen den Blockchain-Arten: Wir sehen einen massiven Einschnitt in die Technologieneutralität, sollte beispielsweise versucht werden, Kapitalanforderungen von Finanzinstituten abhängig von der Technologie zu machen, welche den Vermögenswerten unterliegt. Wir sind offen und werden die Infrastruktur dahin entwickeln, wo unsere Kunden sind. Dennoch sehen wir massives Innovationspotential im Bereich Public Blockchains – wenn wir uns hier einschränken lassen, fallen wir Jahre zurück.
Künstliche Intelligenz ist Bestandteil fast aller Alltagsaktivitäten geworden. Wie integriert BX Digital künstliche Intelligenz in seine Blockchain-Systeme, und welche konkreten Verbesserungen in Bezug auf Effizienz, Sicherheit oder Kundenservice erwarten Sie dadurch?
Für uns steht die Blockchain im Zentrum. AI-Technologien kommen in Umsystemen zum Einsatz – vom Screening von Wallets bis hin zum Gebrauch von GenAI Tools in der täglichen Arbeit.
Die zunehmende Digitalisierung führt auch zu einer Zunahme der Cyberrisiken. Welche Massnahmen hat BX Digital implementiert, um die Sicherheit der Kunden-Assets zu gewährleisten?
Die BX Digital hält keine Kunden-Assets. Die Handelsteilnehmer sind selbst für die Verwahrung der digitalen Vermögenswerte verantwortlich und wenden da die bekannt hohen Sicherheitsanforderungen von Finanzinstituten an.
Dort, wo wir wesentliche Dienstleistungen erbringen mit Bezug zu den Vermögenswerten, wenden wir höchste Sicherheitsanforderungen an. Wir orchestrieren zum Beispiel die Abwicklung der Asset- und Cash-Seite. In diesem Zusammenhang werden für kurze Zeit digitale Vermögenswerte auf der Blockchain blockiert – hier wenden wir ein mehrstufiges Sicherheitskonzept an.
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?
Mein erster Wunsch ist, dass wir in unserer Wirtschaft ein tiefes Verständnis für die Innovationskraft dezentraler Technologien entwickeln – denn nur, wenn wir aufhören, Silos zu bauen, können wir echten Mehrwert schaffen. Und zweitens, dass wir mit unserem Handelssystem den Schweizer Finanzmarkt so international positionieren, dass er auch in der Zukunft für Innovation, Stabilität und Exzellenz steht.