Lorenz Pöhlmann, CEO adretto AG, im Interview
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Pöhlmann, Sie vermieten Herrenanzüge und Smokings. Grundsätzlich und speziell in der Post-Corona-Zeit hat man ja das Gefühl, das werde immer weniger benötigt. Belehren Sie uns eines Besseren…
Lorenz Pöhlmann: Das ist absolut korrekt. Schaut man sich die Verkaufszahlen in Europa an, ist ein leicht abnehmender Trend feststellbar. Das heisst, Männer kaufen und besitzen weniger Anzüge. Für uns ist das jedoch von Vorteil, denn die Zahl der Anlässe, für welche man einen Anzug benötigt, ist nach wie vor konstant und steigt sogar leicht an.
Haben sich die Ankleide-Gewohnheiten mit Monaten, ja Jahren des Home-Office und praktisch ohne Veranstaltungen verändert?
Ja, definitiv. Vor allem im Business wird vermehrt ein etwas lockerer Dresscode gepflegt. Hochzeiten und Galas sind davon jedoch meist nicht betroffen.
Sie haben Adretto 2019 gegründet. Wie kamen Sie durch die Pandemie?
Die Pandemie war für uns eine sehr harte Zeit, da unser Geschäftsmodell sehr stark von Events wie Hochzeiten, Galas, Festivals, etc. abhängig ist und diese während der Pandemie ja bekanntlich nur sehr rar stattgefunden haben. Kurz gesagt: Keine Events – kein Umsatz für adretto. Daher haben wir unsere Fixkosten maximal reduziert, um eine möglichst lange Runway zu haben.
«Wir haben zuletzt den 2000sten Kunden beliefert. Unsere Retention-Rate liegt bei über 20%.»
Lorenz Pöhlmann, CEO adretto AG
Wie viele Kunden haben Sie heute – und wie viele davon mieten mehrfach bei Adretto?
Heutzutage sieht die Welt zum Glück etwas besser aus und wir haben zuletzt den 2000sten Kunden beliefert. Unsere Retention-Rate liegt bei über 20%, was zeigt, dass unsere Kunden sehr zufrieden mit dem Service und den Produkten sind. Es bildet sich langsam eine kleine adretto-Community.
Was sind die häufigsten Anlässe für die Anzug- und Smoking-Miete? Hochzeiten? Firmenanlässe?
Die meisten Anzüge und Smokings werden für Hochzeiten und Galas/Awards gemietet. Gefolgt von Diplomfeiern, Job-Interviews und Beerdigungen.
Wie viele Outfits stellen Sie heute zur Wahl?
Derzeit haben wir zehn komplette Outfits für diverse Anlässe und Dresscodes. Diese beinhalten neben dem Anzug auch Hemd, Gürtel, Fliege, Schuhe und ja, seit neuestem auch Uhren. Der Kunde kann sich jedoch auch anhand unseres Konfigurators, ähnlich wie beim Auto, sein eigenes Outfit zusammenstellen.
Wie genau lässt sich die gewünschte Grösse ermitteln?
Dies ist ein weiterer USP von uns, denn die meisten Männer kennen ihre Anzuggrösse nicht. Wir ermitteln diese anhand ein paar weniger Angaben des Kunden und haben eine derzeitige Treffergenauigkeit von über 85%.
«Die meisten Männer kennen ihre Anzuggrösse nicht. Wir ermitteln diese anhand ein paar weniger Angaben des Kunden und haben eine derzeitige Treffergenauigkeit von über 85%.»
Wer Algorithmen nicht traut – besteht die Möglichkeit, die Anzüge bei Ihnen zu probieren?
Diese Kunden gibt es natürlich auch. Für die haben wir einen coolen Showroom in Rotkreuz eingerichtet. Man kann vorbeikommen, anprobieren und adretto erleben.
Von wo beziehen Sie Ihre Anzüge und Smokings?
Wir sind bestrebt, so viel wie möglich aus Europa zu beziehen. Die Anzüge lassen wir derzeit noch in Asien fertigen. Die meisten Produkte kommen jedoch aus Deutschland, Portugal und der Schweiz.
Was können Sie uns über die Herausforderungen in den Bereichen Logistik und Technologie verraten?
Als E-Commerce-Unternehmen gehören diese Bereiche zu unseren Kernkompetenzen. Der Kunde erwartet immer kürzere Lieferzeiten, welchen wir auch gerecht werden wollen. Auf der Technologie-Seite stehen bei uns die virtuelle Anprobe und die Weiterentwicklung des Grössenalgorithmus auf der Agenda.
Im letzten Jahr haben Sie mit Adretto nach Deutschland expandiert. Wie hat sich das Geschäft dort entwickelt?
In Deutschland sind wir seit Mitte letzten Jahres auf dem Markt. Die Geschäftsentwicklung ist vergleichbar mit der in der Schweiz. Wir haben jedoch noch einiges an Aufbauarbeit zu leisten und deshalb ist dies eines der Fokusthemen in diesem Jahr.
Könnten Sie sich vorstellen, Ihr Angebot auf das weibliche Gegenstück zu Anzug, Hemd und Weste auszubauen?
Schuster bleib bei deinen Leisten, besagt ein bekanntes Sprichwort. Und das tun wir aktuell auch. Klar gibt es diverse Überlegungen in diese Richtung, wir fokussieren uns jedoch aktuell nur auf Männer. Wer weiss, was die Zukunft bringt…
Herr Pöhlmann, besten Dank für das Interview.