Lucas Bruggeman, CEO BX Swiss, im Interview
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Bruggeman, nach Stationen bei traditionellen Banken (ABN Amro, LLB) und einem Startup (sentifi), sind Sie seit Februar 2020 CEO der BX Swiss. Was sind die wichtigsten kulturellen und strategischen Herausforderungen im neuen Umfeld?
Kulturell sind die Herausforderungen aus meiner Sichtweise nicht allzu gross, Wir haben bei der BX Swiss ein äusserst kompetentes, engagiertes Team und eine sehr positive Firmenkultur in welcher wir untereinander und gegenüber Partnern und Kunden wertschätzend, zukunfts- und lösungsorientiert agieren. Es liegt im Kern unseres Selbstverständnisses, dass wir die Dinge aktiv vorwärtsbringen, in neue Bereiche vorstossen und dabei ebenso auf die Bedürfnisse unserer Kunden wie auf die Entwicklungen im Finanzmarkt reagieren. Nur so können wir gemeinsam etwas bewegen.
«Wir wollen in den nächsten drei Jahren den SME Main Market deutlich ausbauen und die Anzahl der kotierten KMUs verdoppeln.» Lucas Bruggeman, CEO BX Swiss
Unsere Kultur hilft uns auch, die strategischen Herausforderungen anzugehen. Hier sind die Ziele klar gesteckt: Wir wollen in den nächsten drei Jahren den SME Main Market deutlich ausbauen und die Anzahl der kotierten KMUs verdoppeln. Auch konnten wir die Visibilität unsere Produkte bereits deutlich erhöhen, wollen diese aber, insbesondere auf E-Banking-Plattformen, weiter steigern. Diese Plattformen sind uns sehr wichtig, da sich dort unsere Zielgruppe, der selbstentscheidenden, aktiven Anleger bewegt. Die direkte Ansprache dieser Anleger gewinnt zunehmend an Bedeutung.
Kurz nach Ihrem Start mussten auch Sie sich wegen der Pandemie mehrheitlich ins Home-Office begeben. Wie führt man als neuer CEO ein Unternehmen ohne den sonst üblichen Kontakt zu den Mitarbeitern, was waren die grössten Herausforderungen, wo hat die neue Situation eventuell sogar zu Verbesserungen geführt?
Ja genau, mein erster Arbeitstag war der 1. Februar 2020 in einem noch vollbesetzten Büro, und nur eineinhalb Monate später waren wir alle im Home-Office. Das war schon speziell.
Doch die Umstellung verlief bei uns zum Glück schnell und unkompliziert. Als bereits stark digitalisiertes Unternehmen hatten wir den Vorteil, dass wir mit allen notwendigen Tools ausgerüstet sind. Da das Team wirklich gut eingespielt ist und jeder den anderen bzw. die andere jederzeit unterstützt und wir aufgrund unserer überschaubaren Grösse auch immer wissen, wer woran gerade arbeitet – hat die Verlagerung aller Prozess von der Marktsteuerung- und Überwachung bis zur Kundenbetreuung in dezentrale Home-Offices wirklich gut geklappt.
Die Pandemie hat in vielen Bereichen Ihrer Kunden die Digitalisierung signifikant beschleunigt. Wie hat sich das auf die BX Swiss ausgewirkt, die schon zuvor dank der Online-Ausrichtung ziemlich schlank und agil aufgestellt war?
Die konsequente Investition der letzten Jahre in den Aufbau digitaler Geschäftsprozesse mit den Kunden zahlt sich in der aktuellen Situation aus. Wir konnten daher sowohl die steigenden Umsatzzahlen im Handel als auch den weiteren Aus- und Aufbau unseres Produktuniversums vollumfänglich und reibungslos von zu Hause aus managen. Auch unsere Kunden und Emittenten waren bereits vor der Pandemie weitestgehend digital aufgestellt.
«Wir konnten den gesamten Prozess von der Eingabe, Prüfung bis hin zur Registrierung und Eintragung vollumfänglich digitalisieren, inklusive der Echtheitsprüfung unter Verwendung der Ethereum Blockchain.»
Weiterhin konnten wir Mitte des letzten Jahres mit zwei neuen Geschäftsfeldern rund um das Inkraftreten von FIDLEG an den Markt gehen. Mit regservices.ch bieten wir eine Prüfstelle für Prospekte und ein Beraterregister an, beides Dienstleistungen, mit dem wir eine internationale Kundschaft ansprechen. Unsere Kunden haben diese Dienstleistungen dankend angenommen, wir konnten den gesamten Prozess von der Eingabe, Prüfung bis hin zur Registrierung und Eintragung vollumfänglich digitalisieren. Für die Prüfstelle bieten wir zudem eine Echtheitsprüfung unter Verwendung der Ethereum Blockchain an.
Die BX Swiss, als Tochter der Börse Stuttgart, steht im Wettbewerb zur Schweizer Börse SIX. Was bietet Ihre Börse den Kunden, das diese nicht bei SIX bekommen, wo sehen Sie für die Zukunft innovative Wachstumsfelder in denen Sie als kleinere Anbieterin Vorteile haben?
Die BX Swiss vereint die Vorteile einer etablierten und regulierten Börse mit der Wendigkeit, Preisgestaltung und Nutzerfreundlichkeit eines modernen Tech-Unternehmens. Auch darf man nicht vergessen, dass wir in allem was wir tun auf die internationale Infrastruktur und den Marktzugang der ganzen Börse Stuttgart Gruppe zurückgreifen können. Von diesen Vorteilen werden unsere Kunden in Zukunft immer mehr profitieren können.
In allem, was wir tun, legen wir einen ausgeprägten Fokus auf die Bedürfnisse der aktiven, selbstentscheidenden Anleger und KMUs. Was die Kotierung von KMUs angeht, so sind unter anderem unsere Anforderungen an die Kapitalisierung etwas tiefer als an der SIX. Auch geniessen gerade kleinere Firmen eine höhere Visibilität bei uns, da sie nicht mit den Blue Chips an der gleichen Börse um Aufmerksamkeit buhlen.
Von den Banken und Emittenten werden wir als sehr agil wahrgenommen, da wir grundlegende Bedürfnisse rasch erkennen und abdecken können. Das zeigte sich unter anderem darin, dass unser Marktmodell für Strukturierte Produkte, welches wir bereits 2018 in der Schweiz lanciert haben, letztes Jahr nun auch von der SIX übernommen wurde.
Der Erfolg der BX Swiss wird sich unter anderem an deren Wachstum messen lassen. Welche quantifizierbaren Wachstumsziele haben Sie mit der BX Swiss?
Wir setzen uns klare Ziele, die wir kurz-, mittel- und langfristig erreichen wollen. Das Wachstum der Umsätze und Handelsvolumen steht für uns im Vordergrund. Das erreichen wir primär durch die Gewinnung von neuen Handelsteilnehmern und Emittenten. Wir wollen unsere Umsätze mittelfristig verdoppeln.
Wichtig sind uns aber auch qualitative Ziele wie Kundenzufriedenheit, Markt und regulatorisches Wissen der Mitarbeitenden, Service-Level sowie Nutzerfreundlichkeit der Plattform.
Trotz der überschaubaren Grösse bietet die BX Swiss ein umfassendes Anlage-Universum, wozu seit kurzer Zeit auch Strukturierte Produkte («deriBX») gehören. Hier konnte Leonteq als Emittentin gewonnen werden. Welche Bedeutung werden Strukturierte Produkte in Zukunft für die BX Swiss haben, welches Wachstum planen Sie für diesen Bereich?
Wir werden “deriBX” – unser Marktsegment für Strukturierte Produkte – auch in Zukunft weiter ausbauen. Wir freuen uns sehr, neben Leonteq, welche wir vor zwei Monaten an der BX Swiss begrüßen durften, weiterhin die Société Générale sowie Lang und Schwarz als Emittenten bei uns zu haben. Mit diesen drei Emittenten können wir bereits ein sehr breites Spektrum an Strukturierten Produkten anbieten. Aber wir arbeiten bereits mit Hochdruck daran, im Q3 zwei weitere Schweizer Emittenten zu begrüssen. Damit werden wir die Produktpalette von “deriBX” weiter ausbauen und unseren Kunden ein noch vielfältigeres Angebot zur Verfügung stellen können.
Kryptowährungen, Tokenisierung und Securization (Verbriefung) haben in den letzten Monaten viel mediale Aufmerksamkeit bekommen. Wie positioniert sich die BX Swiss hier, welche Möglichkeiten bieten Sie den Kunden, um an dieser Entwicklung teilzuhaben?
Mit der Börse Stuttgart Digital Exchange (BSDEX) und der Bison App bietet unsere Muttergesellschaft ein sehr erfolgreiches Produkt im Bereich Crypto-Currency Trading und Storage an.
«Der Fokus eines zukünftigen Angebotes liegt deshalb auch auf der Tokenisierung und dem Sekundärmarkthandel von Security Tokens.»
Selbstverständlich analysieren wir solche Themen im engen Austausch mit unseren Kunden und möglichen Kooperationspartnern und haben dabei festgestellt, dass diese sich von der BX Swiss als voll regulierte Börse insbesondere auch eine wichtige Rolle im Ökosystem der Security Token wünschen. Der Fokus eines zukünftigen Angebotes liegt deshalb auch auf der Tokenisierung und dem Sekundärmarkthandel von Security Tokens.
Börsengänge sind verbunden mit hohen Kosten und grossem Aufwand, was immer wieder dazu führt, dass auch grosse Unternehmen sich von der Börse zurückziehen. Wie wollen Sie KMU, von denen jetzt 19 bei Ihnen gelistet sind, dazu motivieren, den Gang an die Börse zu wagen?
29. Juni hat die Kursaal Bern AG, ein Schweizer Traditionsunternehmen mit Geschäftsfelder wie Konferenz-Zentrum, Hotel & Gastronomie sowie Casino, ihre Aktien an der BX Swiss kotiert. Der «SME Main Market», in dem der Kursaal ab sofort bei uns kotiert ist, ist unser börsliches Hauptsegment, welches als Teil eines grösseren Kapitalmarkt-Ökosystems betrachtet werden kann.
Ein Börsengang bringt einer Firma und deren Aktionäre immer verschiedene Vorteile: Einfachere Handelbarkeit, höhere Sichtbarkeit, höhere Liquidität sowie auch Diversifizierung des Aktionariats sind dabei sicher alles nennenswerte Vorteile.
Die initialen und laufenden Kosten einer Börsenkotierung müssen immer im Verhältnis zum Nutzen stehen. Der Nutzen einer Börsenkotierung muss letztlich jede Unternehmung für sich individuell beurteilen. Da können regulatorische Gründe im Vordergrund stehen oder auch einfach ein besserer Zugang zu Wachstumskapital. Als Börse können wir auf die Kostenseite einer Börsenkotierung nur beschränkt Einfluss nehmen, da der grösste Teil der Kosten ausserhalb der Börse anfällt und viele Vorschriften für eine Börsenkotierung auf Gesetzesebene festgelegt wurden.
Als Börse wollen wir vor allem dafür sorgen, dass den KMUs der Nutzen einer Börsenkotierung bekannt ist und wir ihnen ein funktionierendes Ökosystem an Partnern zur Verfügung stellen können, die es für eine erfolgreiche Börsenkotierung braucht. Im KMU Bereich sind wir erst am Anfang in der Schweiz. Ausländische Märkte wie England oder Skandinavien verzeichnen viel mehr Aktivität im KMU Bereich. Von diesen Märkten sollten wir lernen.
Ein bewährtes Instrument, Firmen an die Börse zu binden, ist deren Aufnahme in einen eigenen Index. Dieser generiert zudem eine gewisse mediale Aufmerksamkeit und hat somit auch einen Marketingeffekt. Welche Pläne haben Sie bezüglich eigener BX-Indices?
Wir lassen bereits eigene Indizes berechnen und werden demnächst eine eigene Familie an Indizes lancieren. Wichtig für uns ist, dass unsere Indizes einen Mehrwert bieten. Bei den KMUs stellen wir beispielsweise sicher, dass nicht nur Freefloat Kriterien zur Anwendung kommen, sondern auch die Liquidität im Sekundärmarkt berücksichtigt wird.
Die BX Swiss agiert seit 2020 unter dem Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) als Prospekt-Prüfstelle und führt ein Beraterregister. Was hat die BX Swiss bewogen, sich in diesen Bereich zu begeben, welche finanzielle oder strategische Bedeutung haben diese Aufgaben?
Die Führung einer Prospektprüfstelle war für uns eine strategische Entscheidung. Als Börse wollten wir die Funktion der Prospektprüfung für eigene Kotierungen nach wie vor selber wahrnehmen können. Zudem kommen wir dadurch mit vielen interessanten Firmen aus dem In- und Ausland in Kontakt, die ausserhalb einer Börsentransaktion prospektpflichtig werden. Die Prospektprüfung und das Beraterregister vereinen etliche Synergien, das Personal, die Online- Plattform und Prozesse, die wir für die Prüfstelle aufgebaut hatten, konnten wir auch gleich für das Beraterregister nutzen.
Auch diese Dienstleistung ist sehr erfolgreich. Wir haben mittlerweile Kunden aus 39 Nationen. Praktisch alle in der Schweiz aktiven Auslandsbanken nutzen unsere Dienstleistung, zudem sehr viele kleinere Vermögensverwalter und Berater aus dem In- und Ausland.
Zum Schluss des Interviews haben Sie einen Wunsch frei. Wie sieht dieser aus?
Die Demokratisierung der Börsenlandschaft, angefeuert durch die Digitalisierung und die Pandemie, sorgt dafür, dass wirklich alle Menschen direkten, einfachen Zugang zu den Finanzmärkten erhalten und informierte Entscheidungen treffen können. Vor allem die jüngere Generation scheint ihre Liebe zum Kapitalmarktentdeckt zu haben und möchte ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen.
Es ist der BX Swiss und mir ein Anliegen, allen Marktteilnehmern Zugang zu einer erfolgreichen finanziellen Zukunft zu ermöglichen. Daher sehen wir uns auch als mehr als eine Börse. Wir möchten der Kurator einer Gemeinschaft sein, welche Bildung und Knowhow, Dialog und Austausch, Content und Kontext, sowie ein Partnernetzwerk, Innovationskraft und Wertschöpfung in einem Ökosystem miteinander vereint.
Das Interview entstand mit Unterstützung des Fundplat «Mountain Talks» Summit