Manuel Grenacher, VR-Präsident Coresystems. (Foto: Coresystems)
Interview von Annina Haller und Christoph Hilber, Unternehmerzeitung, P-Connect
Was bedeutet es für Sie, Verwaltungsratspräsident von Coresystems zu sein?
Manuel Grenacher: Für mich als Gründer ist es wichtig, die Strategie des Unternehmens festlegen zu dürfen. Die kann ich als Verwaltungsratspräsident am ehesten beeinflussen. Ich will meine Vision des Unternehmens verwirklichen. Für die operativen Geschäfte gibt es aber definitiv geeignetere Leute. Damit Coresystems in drei oder fünf Jahren dort ist, wo ich mir das vorstelle, stelle ich mir einen Verwaltungsrat aus den besten Leuten in den jeweiligen Bereichen zusammen.
«Flache Hierarchien mit kleinen Teams, die sich schnell selbst behaupten können, sind für mich das Richtige.» Manuel Grenacher, VR-Präsident Coresystems
Das heisst, Sie haben einen ziemlich genauen Plan für die Zukunft?
Ja klar, wir wissen, was wir liefern müssen, damit wir auch unsere Investoren zufriedenstellen. Ein jährliches Wachstum von etwa 30 Prozent ist in unserer Branche Pflicht. Sobald wir das nicht mehr erreichen, werden wir auch keine Investoren mehr gewinnen. Die Software-Industrie ist knallhart.
Konkurrenz besteht ja sicherlich auch. Sie sind nicht das einzige Unternehmen, das Field Service Software anbietet…
Nein, da gibt es sicher Konkurrenz. Was uns aber einzigartig macht, ist unsere Cloud-basierte Lösung. Alle anderen konzentrieren sich auf schwerfällige on-premise ERP-Lösungen. Mit unserer Lösung kann man relativ einfach und günstig vom ersten Tag an arbeiten. Dadurch konnten wir bereits einige grössere Firmen gewinnen. Unsere Innovation besteht im front approach: Wir starten lieber mit einem Pilotversuch bei den Anwendern direkt an der Front und arbeiten dann von da aus rückwärts. In der Digitalisierung sollte man vieles praktisch ausprobieren im Gegensatz zu theoretischen Prozessen.
Was ist das Besondere an der Cloud?
Wir beginnen direkt mit der Cloud und müssen nicht mehr darauf umstellen. Bisher ist ein solches Vorgehen eigentlich erst Adobe gelungen. Aber auch dort musste man in den ersten Jahren Einbussen in Kauf nehmen. Für Unternehmen mit Kundenservice sind Servicedaten von strategischer Bedeutung. Diese lassen sich in der Cloud ideal abbilden und liefern so grundlegende Einblicke zur Effizienzsteigerung der Serviceprozesse
Wie kommen Sie auf Ihre vielen Ideen?
Die kommen aus einer Mischung von eigenen Ideen, von Kundenwünschen und Marktbedürfnissen. Die Ideenfindung ist aber immer ein Prozess und passiert nicht von heute auf morgen. Meine erste Firma habe ich ganz einfach gegründet, um Geld während des Studiums zu verdienen. Zuerst habe ich hauptsächlich Homepages verkauft. Mit dem Geld, das ich dabei verdient habe, habe ich 2006 Coresystems gegründet. Und zwar anfangs ohne Investoren.
«Produkte digitalisieren wir bereits – nun müssen wir sehen, dass auch der Service dazu passt.»
Eine Idee müssen Sie uns genauer erklären: Wieso ist es besser, einen Kundendienst in der Cloud zu haben?
Das Internet of Things wird unsere gesamte Service-Haltung verändern. Wenn online vernetzte Geräte irgendwo in einer Produktion oder zuhause melden, dass etwas nicht in Ordnung ist, muss auch die Dienstleistung online und sofort verfügbar sein. Dieser Markt ist sehr spannend, weil dabei viel eingespart werden kann. Wird in einem Haushalt eine Dienstleistung verlangt, und ein Techniker befindet sich gerade in der Nähe, wäre es doch ideal, wenn ich diesen dorthin schicken könnte. Produkte digitalisieren wir bereits – nun müssen wir sehen, dass auch der Service dazu passt. Wir wollen dieses Netzwerk schaffen.
Wie passt Ihr zweites Unternehmen Mila in diese Diskussion?
Mila basiert ebenfalls auf diesem lokalen Dienstleistungsgedanken. Dienstleistung ist nun mal lokal verankert. Bei Mila erreichen wir dies zum Beispiel mit den Swisscom Friends. Das sind von Swisscom unabhängige Personen, die sich in Fragen rund um TV, Computer oder Internet auskennen und ihr Wissen an Menschen in ihrer Region weitergeben können – und dies im Auftrag von Swisscom über Mila als Vermittlerin. Was mich hier vor allem interessiert, ist die Kombination von Hardware, Software und Service. Diese drei Dinge müssen miteinander funktionieren.
Wo steht der Endkunde in Ihren Überlegungen?
Bei uns steht der Endkunde immer im Zentrum. Viele Unternehmen vergessen diesen bei Strategiefragen gerne einmal, denn er ist ja bereits Kunde. Darum beginne ich immer mit der Frage «Was wollen wir für den Kunden?» Für mich bedeutet das oftmals, dass ich eher an den Kunden meines Kunden denken muss. Und so wird man automatisch effizienter.
«Ich habe keine Exit-Strategie. Ich mache das nicht, um für viel Geld zu verkaufen, sondern aus Leidenschaft.»
Der Kunde muss also viel mehr einbezogen werden?
Ja, klar. Über die digitalen Medien ist der Kunde heute viel besser informiert, besser vernetzt und bekommt dadurch mehr Macht. Nehmen wir das Beispiel Zalando: Dort kann man im Nachhinein noch Bestellungen verändern, kann entscheiden, wohin die Bestellung verschickt wird, was zurückgeschickt werden soll und so weiter. So kann der Kunde viel mehr Feedback geben als früher. Auch Negatives ist auf Facebook oder Twitter schnell verbreitet.
Sie sind bei Coresystems VRP, bei Mila sind Sie CEO, während z.B. Adrian Bult bei Mila Ihr VRP ist und bei Coresystems Ihr VR. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?
Genau, er ist sozusagen mein Chef und ich bin sein Chef (lacht). Nein, man muss schon sagen: Mila ist ein Spinoff, da brauche ich bewusst etwas mehr Spielraum. Und das ist als CEO besser möglich. Um mit einem noch kleinen Unternehmen grosse Firmen wie beispielsweise Swisscom zu gewinnen, muss man als Gründer auftreten. Wenn es sich von einer Innovation zum Produkt wandelt, ändert sich diese Vorgehensweise wieder.
Mit Coresystems sind Sie also bereits an diesem Punkt?
Ja, dort geht es bereits um ein gesichertes Wachstum. Und dafür ist meine Position im Verwaltungsrat ideal. Ich würde gerne eine Firmengruppe aufbauen. Dafür finde ich das Vorgehen von Richard Branson interessant. Er hat lieber viele kleine Firmen, anstatt alles unter einer grossen Konzerngruppe zu vereinen. So vermeidet er eine Pyramidenstruktur, wo sich einige Wenige um alles kümmern müssen. Ich gehe lieber nach dem Motto «culture drives the company, not the management». Flache Hierarchien mit kleinen Teams, die sich schnell selbst behaupten können, sind für mich das Richtige.
«Was ich nicht leiden kann, sind Leute ohne Eigenmotivation. Wer nicht an das Projekt glaubt, muss gar nicht erst anfangen.»
Wie ist es für Sie, in Ihrem Team als VRP der Jüngste zu sein? Wie holen Sie sich die etwas erfahreneren Leute ins Boot?
Ich habe mir einen Verwaltungsrat geholt, weil ich schlichtweg keine Erfahrung habe. Ich habe meine Vision, die ich umsetzen will. Aber für die nötige Erfahrung bin ich froh um einen Austausch mit meinem VR. Hinzu kommt das Netzwerk. Kurz gesagt: Ich bin ein 34-jähriger Entwickler, ich habe kein Netzwerk. Auch dafür sind meine erfahrenen Verwaltungsratsmitglieder von entscheidendem Vorteil.
Müssen Sie auch mal gegen Ihre fünf anderen Verwaltungsräte kämpfen?
Nein, ich habe immer das Gefühl, dass es ein miteinander ist, kein gegeneinander. Wir alle haben in das Unternehmen investiert, darum herrscht auch ein grosses gegenseitiges Vertrauen. Wir wollen miteinander vorwärtskommen. Unser Geschäftsmodell basiert nicht auf dem Ist-Zustand, sondern auf unserer Vision.
Gehört zu Ihrem Businessplan auch, dass Sie Coresystems an einen grösseren Konzern verkaufen?
Nein, ich habe keine Exit-Strategie. Ich mache das nicht, um für viel Geld zu verkaufen, sondern aus Leidenschaft. Auch wenn wir ein richtig tolles Angebot erhalten würden, würde ich darum kämpfen, dass wir weitermachen. Wenn es irgendwann aus anderen Gründen sinnvoll wäre, würde ich einen Verkauf vielleicht in Betracht ziehen. Aber nur wegen des Geldes würde ich nie verkaufen. Was will ich mit Geld? Ich würde es sowieso wieder in ein neues Projekt investieren.
Haben Sie auch mal zu viel Visionen? Müssen Sie diese gegen Ihre Unternehmenspartner verteidigen?
Schwierig zu sagen. Es ist ein kontinuierlicher Prozess, wir diskutieren viel. Zusammen machen wir dann einen Schritt vorwärts. Natürlich gibt es auch mal Rückschläge. Aber ich zweifle nie an meinen Visionen. Für mich ist das nicht nur ein Job, sondern es kommt aus dem Bauch und dem Herzen.
Wo liegen die grössten Schwierigkeiten?
Geeignete Leute zu finden, die meine Visionen und Ideen verstehen und teilen. Diese müssen drei Kategorien erfüllen. Erstens müssen sie extrem selbstmotiviert sein. Ich kann sie nicht auch noch motivieren, das muss bereits vorhanden sein. Zweitens müssen sie wie ich gross denken können. Drittens müssen sie aber auch Ergebnisse abliefern. Eine Kombination aus allen dreien zu finden, ist die grosse Schwierigkeit. Was ich nicht leiden kann, sind Leute ohne Eigenmotivation. Wer nicht an das Projekt glaubt, muss gar nicht erst anfangen.
«In meinen Augen kann man nur Leader sein, wenn man global führend ist. In der Schweiz denken wir dafür aber noch zu klein.»
Hat Sie die Eurokrise auch getroffen?
Natürlich hat es wehgetan. Wir setzen 70 Prozent im Ausland um. Unser grösster Markt ist Deutschland, gefolgt von den USA. Dort spüren wir den starken Franken. Ich habe aber auch damit gerechnet. Vielleicht nicht gerade mit eins zu eins. Schon 2009 haben wir bewusst mehr Mitarbeiter im Euroraum angestellt, haben im Ausland und besonders in Deutschland ausgebaut. Aber es resultieren damit trotzdem Einbussen, die für neue Investitionen fehlen. Das tut weh. Trotzdem stehe ich hundertprozentig hinter dem SNB-Entscheid.
Bei Coresystems sind Sie in Ihrem eigenen Unternehmen im VR. Könnten Sie sich auch vorstellen, in einem klassischen, grösseren Konzern im VR zu sein?
Sofern es um Themen oder Projekte geht, bei denen ich mich auskenne, kann ich mir das durchaus vorstellen. Ich bin beispielsweise ein grosser Fan davon, wenn etablierte Firmen für Innovationen kleinere Spinoffs und Startups gründen. Wenn ich bei einem solchen helfen könnte, würde ich das sehr gerne tun, denn dort könnte ich auch einen Mehrwert leisten.
Wenn wir schon von Visionen und Zukunft sprechen: Wo sehen Sie sich in zwanzig Jahren?
Mein Ziel ist, eine oder mehrere Firmen aufzubauen, die in Erinnerung bleiben. Mir ist es sowohl wichtig, dass meine Mitarbeiter gerne arbeiten kommen, aber auch, dass mein Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich ist. Ich möchte global prägen. In meinen Augen kann man nur Leader sein, wenn man global führend ist. In der Schweiz denken wir dafür aber noch zu klein. Darum möchte ich auch im Ausland noch etwas aufbauen.
«Entweder ist man ein Unternehmer oder nicht. In einer Vorlesung lernt man das nicht.»
Was würden Sie jungen Unternehmern in der Schweiz als Ratschlag mit auf den Weg geben?
Das ist eine interessante Frage. Ich gebe immer mal wieder eine Vorlesung zu Entrepreneurship an der ETH oder an einer Fachhochschule. Und mein ganz ehrliches Feedback dazu ist, dass ich selbst nie in eine solche Vorlesung gegangen wäre. In dieser Zeit hätte ich lieber etwas programmiert und es anschliessend verkauft. Also sind meiner Meinung nach alle, die in dieser Vorlesung sitzen, keine Entrepreneurs. Entweder ist man ein Unternehmer oder nicht. In einer Vorlesung lernt man das nicht.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie verändern?
Ich würde mir wünschen, dass ich mit meinem jetzigen Team weiterhin ein gesundes Wachstum verzeichnen kann. Meine Mitarbeiter sind mir extrem wichtig, denn alleine kann ich es nicht. Ich kann natürlich gross reden, aber umsetzen kann ich nur im Team. Zudem wünsche ich mir, dass grosse Unternehmen in der Schweiz mehr in Startups investieren, um diesen Wirtschaftszweig weiter voranzutreiben. Für die Schweiz wäre es wichtig, ein Technologie-Hub zu werden und eine Gründerszene zu haben.
Der Gesprächspartner:
Manuel Grenacher gründete 2006 sein Unternehmen Coresystems AG, das innovative Lösungen für ERP-Systeme entwickelt und zum Wegweiser im Cloud Computing geworden ist. Dank den Cloud-Services soll der Aussendienst von Unternehmen modernisiert werden. 2013 gründete Manuel Grenacher sein zweites Unternehmen Mila. Mila funktioniert als lokaler Marktplatz zur Vermittlung und Abwicklung von lokalen Dienstleistungen.