Marc Aeschlimann, CEO Schaffner, im Interview

Marc Aeschlimann, CEO Schaffner, im Interview
Schaffner-CEO Marc Aeschlimann.

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Aeschlimann, das Book-to-Bill-Verhältnis liegt bei 1,1. Kann das so weiter gehen?

Marc Aeschlimann: Während der Corona-Phase staute sich ein grosser Nachfrageüberhang in allen Märkten auf, der mit den bestehenden Kapazitäten und angesichts der entstandenen Lieferengpässe nur schrittweise abzubauen war. Derzeit beobachten wir, dass sich die Nachfrage wegen der allgemeinen wirtschaftlichen Verunsicherung leicht abkühlt – zumindest vorübergehend. Insgesamt sind wir für das laufende Geschäftsjahr nicht allzu pessimistisch gestimmt.

«Derzeit beobachten wir, dass sich die Nachfrage wegen der allgemeinen wirtschaftlichen Verunsicherung leicht abkühlt.»
Marc Aeschlimann, CEO Schaffner

Die im Vergleich zu den Mitbewerbern bessere Warenverfügbarkeit und kürzere Lieferfristen führten zum Beispiel in der Region Amerika plötzlich zu einem Umsatzsprung von über 50 Prozent. Wieso schlief in den Vereinigten Staaten offenbar die Konkurrenz?

Schaffner hat eine sehr resiliente Supply Chain aufgebaut, mit einer breiten Lieferantenbasis und einer hohen Flexibilität in unseren Werken. Das hat die Grundlage geschaffen, um trotz anspruchsvollem Umfeld eine hohe Lieferbereitschaft aufrechtzuerhalten und die sehr stark ansteigende Nachfrage zu bedienen.

Der letzte Zahlenkranz von Schaffner war hervorragend. Einziges B-Moll ist die Automotive Division. Wie bereitet sich Schaffner da auf die nächsten schwierigen Monate vor?

Die Automobilindustrie war von den Lieferengpässen besonders stark betroffen. Nun sehen wir bei einzelnen Komponenten eine graduelle Entschärfung und in der Folge wieder eine Zunahme der Fertigungsvolumen. Grundsätzlich gilt, dass die Nachfrage nach Neufahrzeugen weiterhin hoch ist und sich bei den Herstellern auch ein hoher Bestellungsbestand aufgestaut hat. Das sollte über die nächsten sechs bis zwölf Monate für eine gewisse Erholung in der Industrie sorgen.

In modernen Autos sind eine Vielzahl elektrischer Komponenten, insbesondere in den Antrieben von Elektroautos verbaut. Wie viele Lösungen kann Schaffner für diese Fahrzeuge bieten?

Die Schaffner Gruppe fokussiert auf EMV-Lösungen für attraktive Zukunftsmärkte. Das umfasst Produkte wie EMV-Filter oder magnetische Komponenten. Auch in Elektrofahrzeugen werden diese Produkte eingesetzt, zum Beispiel EMV-Filter für den Inverter, den Batterieschutz oder verschiedene magnetische Komponenten für den On-Board-Charger.

Schaffner hat sich über die Jahre zunehmend auch zu einem Entwicklungspartner für seine Kunden entwickelt. Bringt das Vorteile?

Dank unserer führenden technischen Kompetenz arbeiten wir mit namhaften internationalen Firmen in Entwicklungsprojekten zusammen. Das ermöglicht uns zum einen, eng mit dem Kunden die besten Produkte zu entwickeln, die optimal in seine Systeme und Anlagen passen. Zum anderen stellen wir aber auch sicher, dass wir unsere Produkte über den gesamten Lebenszyklus des Systems an den Kunden liefern können. Das ist stets unser Ziel und gelingt auch meist.

Kann im laufenden Geschäftsjahr 2022/23 das mittelfristige EBIT-Marge-Zielband von 10 bis 12 Prozent erreicht werden?

Wegen der allgemeinen wirtschaftlichen Verunsicherung und der schwachen Visibilität geben wir zum jetzigen Zeitpunkt keine Guidance für das Geschäftsjahr 2022/23 ab. Schaffner hält jedoch an ihrer mittelfristigen Zielsetzung eines organischen Wachstums von über 5 Prozent pro Jahr sowie einer EBIT-Marge im Zielband von 10 bis 12 Prozent fest.

«Die Lieferengpässe haben sich in den letzten Wochen und Monaten in den meisten Bereichen schrittweise entschärft.»

Rechnen Sie auch für das nächste Jahr, wie viele andere Firmen auch, mit Versorgungsengpässen und Preissteigerungen?

Die Lieferengpässe haben sich in den letzten Wochen und Monaten in den meisten Bereichen schrittweise entschärft. Dafür gibt es zwei Gründe: Einerseits hat sich das Angebot erhöht, andererseits
hat die Nachfrage aufgrund der wirtschaftlichen Abkühlung leicht nachgelassen. Bei einzelnen Materialen und Komponenten wird die Beschaffung aber auch im laufenden Jahr anspruchsvoll bleiben. In dieser Situation zahlt es sich aus, wenn man über eine resiliente Supply Chain verfügt. Auch an der Preisfront hat sich die Lage etwas entspannt, wenn auch immer noch auf hohem Niveau. Wir sind jedoch in der Position, Preiserhöhungen grösstenteils an die Kunden weitergeben zu können.

Werden sichere Komponenten für medizinische Geräte auch in Zukunft ein wichtiger Markt für Schaffner sein?

Der Medizinalsektor wird auch in Zukunft ein Wachstumsmarkt blieben und somit interessant für Schaffner. Haupttreiber sind der technologische Fortschritt einerseits und die demografische Entwicklung andererseits.

Schaffner baut eine Solaranlage für seine Fabrik in Thailand. Rechnet sich das – oder brauchten Sie das für Ihren ersten Nachhaltigkeitsbericht?

Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema. Getreu der Vision «We play a vital role in building a sustainable and electrified society – by shaping electrical power» trägt Schaffner mit ihren innovativen Kundenlösungen zu einem effizienten, zuverlässigen und nachhaltigen Einsatz von elektrischer Energie bei. Gleichzeitig handeln wir auch selbst nachhaltig aus Überzeugung. Die Solaranlage in Thailand zeigt das anschaulich: Erstens rechnet sich die Investition tatsächlich, denn wir können die Energiekosten senken, zweitens erhöhen wir die Versorgungssicherheit unserer Fabrik und drittens leisten wir einen Beitrag zur Nachhaltigkeit. Auch in der Schweiz planen wir, die Solaranlage auf dem Dach unseres Hauptsitzes in Luterbach im Frühjahr substanziell zu vergrössern.

«Die derzeitige Situation hat allerdings dazu geführt, dass unsere Kunden eher in asiatischen Märkten ausserhalb Chinas ausbauen.»

Sehen Sie mit Märkten wie Thailand, Südkorea oder Indonesien, also Ländern ausserhalb Chinas, eine Rückversicherung für solide Geschäftsverbindungen?

Für uns stellt ganz Asien einen wichtigen und zukunftsträchtigen Markt dar – das gilt seit einiger Zeit und sicher auch für die Zukunft. Schaffner hat ihre Struktur so ausgerichtet, dass sie dem grossen Wachstumspotenzial in diesen Märkten Rechnung trägt. So sind wir mit eigenen Mitarbeitenden in diesen Märkten präsent. Trotz der momentanen politischen Unsicherheiten wird auch China ein wichtiger Markt bleiben, und Schaffner muss dort gut positioniert bleiben. Die derzeitige Situation hat allerdings dazu geführt, dass unsere Kunden eher in asiatischen Märkten ausserhalb Chinas ausbauen. Auch das eröffnet Chancen für Schaffner.

Vier Ankeraktionäre besitzen fast die Hälfte Ihres Kapitals. Geniessen Sie es, dass diese Ihnen freie Hand lassen und sehr solide unterwegs sind?

Schaffner pflegt einen regen Austausch mit ihren Aktionären. Der grösste Ankeraktionär ist seit langer Zeit investiert und im Verwaltungsrat vertreten. Er unterstützt die Strategie der Gruppe und sieht das Potential.

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