Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Gläser, während Fahrräder in der Krise reissenden Absatz finden, sind die Aussichten für Skigebiete im Winter noch sehr unklar. Was bedeutet das für Sie als Hersteller, der nach Aufgabe des Bike-Segments jetzt praktisch vollständig vom Wintergeschäft abhängig ist, und wie beurteilen Sie den Ausstieg aus dem Fahrradgeschäft im Nachhinein?
Der Fokus auf das Ski-Sport-Geschäft und somit auf unsere Kernkompetenzen ist immer noch völlig richtig und wichtig. Wir haben weiterhin grosses Potenzial im Ausbau unseres Exportgeschäfts. Die Abhängigkeit ist eine Herausforderung, die wir schon vor Corona kannten. Unsere Geschäftspläne für die Zukunft berücksichtigt diese.
«Der Fokus auf das Ski-Sport-Geschäft und somit auf unsere Kernkompetenzen ist immer noch völlig richtig und wichtig. Wir haben weiterhin grosses Potenzial im Ausbau unseres Exportgeschäfts.» Marc Gläser, CEO Stöckli Swiss Sports
Wo hat Corona Sie zu Anpassungen der Strategie gezwungen, welche Möglichkeiten sehen Sie, auch bei eingeschränktem Winterbetrieb in den Skigebieten, die kommende Saison erfolgreich zu gestalten?
Wir mussten keine Anpassungen in der grundsätzlichen strategischen Ausrichtung der Unternehmung vornehmen, weil wir heute immer noch klar davon ausgehen können, dass sich der Ski-Tourismus rasch wieder erholen wird. Wir haben allerdings die geplante Transformation unserer Retails aufgrund der Corona-Krise beschleunigt. Die Anpassungen finden nicht in zwei Jahren, sondern in einem Jahr statt.
«Wir können heute immer noch klar davon ausgehen, dass sich der Ski-Tourismus rasch wieder erholen wird.»
Im Kerngeschäft der Ski-Produktion, dem internationalen Vertrieb und Markenführung mussten wir keine Anpassungen vornehmen. Dort sind wir immer noch auch Wachstumskurs. Natürlich müssen wir hier in diesem Jahr auch einen kurzfristigen Rückgang des Absatzes hinnehmen.
Grundsätzlich haben wir im wichtigen Schweizer Heimmarkt eine sehr stabile Situation und im Ausland als Premium-Nischenmarke immer noch gutes Potenzial zum Wachsen. Gerade für den wichtigen Schweizer Heimmarkt sehen wir für diesen Winter sogar Chancen, weil viele SchweizerInnen in der Schweiz bleiben werden. Der Betrieb der Bergbahnen muss gar nicht gross eingeschränkt werden, weil es ja ein Schutzkonzept mit Masken gibt. Auf der Piste braucht man auch diese nicht.
Die Digitalisierung hat in den letzten Monaten in zahlreichen Bereichen einen ungeahnten Aufschwung erlebt (Meetings, Home Office, Schule ohne Präsenzunterricht…). Wo stehen Sie bei der Digitalisierung, wo sehen Sie noch nicht ausgeschöpftes Potential?
Im Bereich digitales Marketing sind wir schon ziemlich weit und nutzen social and performance marketing kombiniert mit unserem CRM, SalesForce, seit ein paar Jahren sehr gut. Seit Mai haben wir auch einen eigenen e-shop auf www.stoeckli.ch, wo wir den Ski sogar fahrbereit einstellen können, ohne dass der Kunde oder die Kundin uns den Ski-Schuh zustellen muss. Das ist weltweit eine einzigartige Innovation, auf die wir bei Stöckli richtig stolz sind.
Im Bereich „work@home“ haben wir in den letzten Monaten die grössten Fortschritte gemacht. Wo möglich und sinnvoll können die MitarbeiterInnen am Mittwoch und Freitag home office machen. Wir haben komplett auf Teams und Sharepoint umgestellt und sind somit in vielen Bereichen in der Lage komplett mobil zu arbeiten. Natürlich geht das zum Beispiel in der Ski-Manufaktur nicht. Dort muss vor Ort gearbeitet werden; auch in unseren Retailgeschäften.
Carving hat das dahin dümpelnde Skigeschäft wiederbelebt, während das zuvor explodierende Snowboarding im besten Fall stagniert. Welche Entwicklungen sehen Sie im Schneesport, die einen ähnlichen Einfluss haben könnten, wie die diese beiden Innovationen?
Wir sehen einen Trend hin zur Versatilität. Zukünftig werden die Skis, welche die breite Masse fahren will, breitbandiger im Einsatzbereich sein. Dies jedoch ohne Abstriche in der Performance. Hier sind wir mit unseren Produkten bereits heute gut aufgestellt und starke, eigene Technologien wie zum Beispiel unser Turtle Shell unterstützen dies. Das heisst, dass ich als Familienvater mit meinem Ski alleine oder mit Freunden auf der Piste voll performen, danach aber auch mit den Kindern gemütlicher unterwegs sein kann. Die Kunden werden laufend anspruchsvoller und erwarten mehr. Wir können dies bieten.
«Gerade für den wichtigen Schweizer Heimmarkt sehen wir für diesen Winter sogar Chancen, weil viele SchweizerInnen in der Schweiz bleiben werden.»
Wachstum soll bei Stöckli vor allem im Ausland stattfinden, während in der Schweiz die Marktanteile stabil gehalten werden sollen. In welchen Ländern sehen Sie die grössten Möglichkeiten, wie soll dort die Marke Stöckli bekannt gemacht werden?
In der Tat geht es in der Schweiz eher darum unsere starke Position zu halten. Das internationale Wachstum sehen wir hauptsächlich in drei Bereichen. Die Haupttreiber sind hier sicherlich die europäischen Alpenländer (Österreich, Italien, Frankreich aber auch Deutschland). Zudem sind wir in Nordamerika mit einer eigenen Tochtergesellschaft erfolgreich am Wachsen und konnten den Absatz in den letzten drei Jahren verdoppeln. Ausserdem gilt es in den nächsten Jahren China genau im Auge zu behalten. In diesem Markt wird sich einiges bewegen und wir evaluieren im Moment noch die besten Strategien, um unsere bestehende Marktsituation weiter zu verbessern.
Für die Expansion im Ausland wird viel investiert werden müssen. Wie soll die Finanzierung dieses Schrittes erfolgen, ist die Öffnung für zusätzliche Investoren geplant?
Wir planen heute unser Wachstum selber zu bewältigen. Wir wollen organisch und nachhaltig wachsen, weil ein Wachstum immer auch ein Ausbau der Ski-Manufaktur zur Folge hat, was sehr langfristig orientierte Investitionen mit sich bringt.
Wie wichtig ist die “Swissness” für Stöckli und wird die Produktion auch in Zukunft im Hochpreisland Schweiz bleiben?
Swissness ist zentral für uns als Marke und wir leben dies jeden Tag. Wir setzen uns mit unserer Ski-Manufaktur und dem Lehrlingswesen aktiv für den Erhalt des Ski-Handwerks in der Schweiz ein. Das wir auch so bleiben und wir haben in den letzten Jahren mehrere Millionen in den Standort Malters und in die Modernisierung investiert.
Wir sind heute der erfolgreichste Schweizer Skihersteller, sowohl im Verkauf als auch im aktiven Rennsport und mit unseren Aktivtäten setzen wir alles daran, dass dies so bleibt.
Die Neuausrichtung konnte mit ganz wenigen Entlassungen vollzogen werden. Wie ist die Fokussierung auf das Skigeschäft bei den MitarbeiterInnen aufgenommen worden, was tun Sie, um die Motivation in der schwierigen Zeit hoch zu halten?
Die Fokussierung auf das Kerngeschäft Ski ist schon seit gut vier Jahren spür- und sichtbar. Die Anpassungen in unserem Retailgeschäft, also dem klassischen stationären Handel, kommen für die meisten Angestellten nicht überraschend. Die klare, transparente und offene Kommunikation hat Vertrauen und Klarheit geschaffen. Im Zentrum stand für uns eine offene, ehrliche und transparente Kommunikation. So haben wir zum Beispiel die Belegschaft gewisser Filialen 11 Monate vor der Schliessung informiert, damit wir gemeinsam die besten Lösungen finden können. Dies ist heute nicht alltäglich und wir spüren im motivierten Miteinander, dass dies der richtige Weg ist.
Wenn Sie mit unbeschränkten Mitteln in einen neuen Bereich investieren könnten, wo würden Sie das Geld einsetzen, welches Problem würden Sie lösen?
Wow. Was für eine Frage. Kurzfristig würde ich das Corona-Problem lösen wollen, um für alle Menschen das Leben wieder ein wenig normaler zu gestalten. Bei Stöckli würde ich unsere Ski-Manufaktur weiter modernisieren zu einem Musterbetrieb im Bereich Schweizer Handwerkskunst und high-tech Industrialisierung weiter ausbauen. Weiter würde ich in unsere Stöckli-Textil-Produkte investieren, damit wir auch hier innovativ und vollständig swiss made sein könnten. Im Rennsport ist ein grosses Budget natürlich auch von grossem Vorteil – alle Schweizer Athletinnen und Athleten auf Stöckli, das wäre phänomenal und für die Schweiz beste Werbung mit „swiss made“ Skis.
Marc Gläser ist Experte für die internationale Vermarktung hochwertiger Schweizer Produkte. Seit 2014 leitet er den grössten Schweizer Skihersteller Stöckli. Als erster CEO, der nicht zur Familie Stöckli gehört, modernisierte Marc die Unternehmung und baute den Vertrieb im In- und Ausland stark aus. Zuvor arbeitete Marc 12 Jahre für die Schweizer Uhrenmanufaktur Maurice Lacroix, wo 2012 zum CEO befördert wurde. An Marc und seinem Team lag es, die Marke neu zu positionieren, die Führung näher am Markt und den Kunden auszurichten und die Profitabilität zu steigern. Weitere berufliche Stationen waren das eigene Schweizer Familienunternehmen Wogg, bekannt für hochwertige Design-Möbel, sowie Feldschlösschen und der Konsumgüterkonzern Unilever. Marc ist verheiratet, Vater zweier Kinder und hat sein Rüstzeug an der HSG erworben. |
Firmeninformationen zu Stöckli Swiss Sports bei monetas.ch
Das Interview entstand mit Unterstützung des Digital Festival