Marc von Waldkirch, CEO Sensirion, im Interview
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr von Waldkirch, Sensirion entwickelt, produziert und implementiert Mikrosensoren und -systeme. Wo finden sich diese Produkte hauptsächlich und wo komme ich mit ihnen in Kontakt?
Marc von Waldkirch: Unsere Sensoren werden in verschiedenen Märkten verwendet. Grundsätzlich helfen sie, die Energieeffizienz, die Sicherheit oder den Komfort zu steigern. Beispielsweise werden im Kühlschrank Feuchte und Temperatur so gesteuert, dass Lebensmittel länger frisch bleiben und nur ein Minimum an Energie verbraucht wird. In der Intensiv- und Notfallmedizin steuern unsere Gasflusssensoren unter anderem Beatmungsgeräte und in Gebäuden helfen unsere Sensoren die Heizungs-, Lüftungs- und Klimasysteme zu optimieren.
Der Börsengang im März verlief sehr erfolgreich, die Performance der Aktie ist beeindruckend. Gleichzeitig ist das Unternehmen auch in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit gerückt. Was hat sich dadurch verändert?
An der grundsätzlichen Strategie hat der Börsengang nichts geändert. Wir verfolgen weiterhin eine langfristige Wachstumsstrategie, welche auf die Innovationsführerschaft abzielt. Die treibende Kraft dahinter ist unsere Firmenkultur, welche auf Fairness, Ehrlichkeit, Zusammenarbeit und einem Bekenntnis zu höchster Leistung aufbaut. Dieser Kultur haben wir bereits vor dem Börsengang viel Aufmerksamkeit gewidmet und sind froh, dass sie sich nach dem Börsengang nicht verändert hat. Denn Innovationen und Spitzenleistungen werden immer von Menschen erbracht. Und die Fähigkeit, diese Talente anzuziehen und ihnen das richtige Umfeld zu bieten, zeichnet Sensirion seit der Gründung aus.
Mit einem Umsatzwachstum von 30% und einem um rund ein Drittel höheren Betriebsgewinn EBITDA als im Vorjahr konnte Sensirion überzeugende Halbjahreszahlen vorlegen. Welches waren die wichtigsten Erfolgsfaktoren?
Das starke organische Wachstum von 18% lag über den Erwartungen als Folge der weltweit robusten Konjunktursituation wie auch dank höherer Nachfrage einiger grösserer Kunden. In allen Endmärkten betrug es zwischen 11 % und 25 % gegenüber der ersten Jahreshälfte 2017. Dazu kam ein anorganischer Anteil von 11% durch die Akquisition der südkoreanischen Firma AIC im vergangenen September. Für das zweite Halbjahr 2018 erwarten wir indes eine Normalisierung der Wachstumsdynamik.
«Ungefähr jedes dritte Auto, welches heute produziert wird, besitzt einen Sensor von Sensirion.»
Marc von Waldkirch, CEO Sensirion
Besonders stark zulegen (+69%) konnte Sensirion im Automobilmarkt. Wo gelangen hier Ihre Sensoren hauptsächlich zum Einsatz?
Dieses Wachstum im Automobilmarkt war speziell geprägt durch den anorganischen Beitrag infolge der Akquisition von AIC in Südkorea. Zu den Einsatzgebieten: Ungefähr jedes dritte Auto, welches heute produziert wird, besitzt einen Sensor von Sensirion. Diese messen beispielsweise die Feuchte- und Temperatur an der Windschutzscheibe. Aufgrund dieser Messungen kann die sehr energieintensive Klimaanlage bedarfsgerecht eingesetzt werden. Dies verhindert das Beschlagen der Windschutzscheibe und spart zudem viel Energie. In einer weiteren Anwendung helfen unsere Sensoren, den Motor energie-effizient zu steuern.
Elektromobilität und vernetzte Fahrzeug sind die grossen Entwicklungstrends der Automobilbranche. Wie ist Sensirion hier als Zulieferer positioniert?
Unsere Sensoren im Automobil helfen einerseits, die Energieeffizienz der Fahrzeuge zu verbessern, andererseits erhöhen sie mittels Messung der Umweltparameter den Komfort im Kabinen-Innenraum. Sowohl Energieeffizienz wie auch Komfort sind bei zukünftigen Elektrofahrzeugen wie auch selbstfahrenden Autos zentrale Trends. Wir glauben daher, Sensirion ist gut positioniert, um von diesen attraktiven Perspektiven in der Sensorindustrie langfristig zu profitieren.
«Unser Augenmerk gilt in erster Linie dem organischen Wachstum. Wir haben eine grosse Produktpipeline, die uns viele Chancen bieten kann.»
Sie haben die AIC-Übernahme angesprochen. Auch durch den Börsengang besteht reichlich finanzieller Spielraum für weitere Akquisitionen. In welchen Bereichen halten Sie besonders nach Opportunitäten Ausschau?
Unser Augenmerk gilt in erster Linie dem organischen Wachstum. Wir haben eine grosse Produktpipeline, die uns viele Chancen bieten kann. Wir beobachten aber auch den Markt nach interessanten Kandidaten, welche unser Technologie-Portfolio wie auch unser gegenwärtiges Produktangebot ergänzen oder erweitern könnten. Wir tätigen Akquisitionen aber nur dann, wenn wir wirklich überzeugt sind, dass sie gut zu Sensirion und unserer Strategie passen. Nur des Wachstums halber machen wir das nicht.
Sensirion ist bekannt für seine Innovationskraft. Wie viel investieren Sie in den Bereich Forschung und Entwicklung?
Innovation ist unsere DNA, deshalb investieren wir jährlich rund 20-25% des Umsatzes in Forschung und Entwicklung.
Das Unternehmen ging vor 20 Jahren aus der ETH hervor. Wie viele Mitarbeitende kommen heute noch von dort oder von anderen Hochschulen zu Sensirion?
Wir pflegen sehr enge Beziehungen zu den Hochschulen und rekrutieren dort direkt. Ungefähr ein Viertel unserer Mitarbeitenden studierten an der ETH Zürich. Insgesamt 60% der Mitarbeitenden, welche bei uns in der Schweiz arbeiten, besitzen einen Hochschulabschluss und 23% besitzen einen Doktortitel.
«Unsere Hierarchien sind flach, die Prozesse unbürokratisch, die Türen offen und der Austausch unter den Mitarbeitenden lebhaft.»
Im vergangenen Jahr belegte Sensirion bei Great Place to Work den zweiten Platz. Viel wird auch vom «SensirionSpirit» gesprochen. Was macht Sensirion zu einem besonderen Arbeitgeber?
Bei Sensirion arbeiten Menschen, die bereit sind, neue und auch mal unkonventionelle Wege zu gehen. Im Zentrum steht dabei immer die Freude an der Innovation. Um dies zu ermöglichen, haben wir eine Unternehmenskultur, in der Respekt, Wertschätzung und Eigenverantwortung eine zentrale Rolle spielen. Die Hierarchien sind flach, die Prozesse unbürokratisch, die Türen offen und der Austausch unter den Mitarbeitenden lebhaft. Top Leistung und das faire und ehrliche Miteinander geniessen bei uns einen sehr hohen Stellenwert. Dies zeigt sich auch jeden Freitag um Viertel vor fünf: Da trifft sich, wer kann, auf der Dachterrasse zu einem gemeinsamen Freitagsbier.
Herr von Waldkirch, wir bedanken uns für das Interview.
Zur Person:
Marc von Waldkirch, Schweizer (Jahrgang 1974)
• Forschungsassistent an der ETH Zürich, ab 2005 Projektmanager bei der Sensirion AG, später Leiter der Entwicklung Flüssigkeitssensoren, dann Vice President Entwicklung, seit 2016 CEO
• Physikstudium an der ETH Zürich, MSc in Physik
• Ph.D. in Elektrotechnik an der ETH Zürich
Zum Unternehmen:
Die Sensirion Holding AG mit Sitz in Stäfa, Schweiz, ist ein Hersteller von digitalen Mikrosensoren und -systemen. Der Sensorspezialist ist gut positioniert, für das Wachstum, welches durch die strukturellen Megatrends und dem Internet der Dinge angetrieben wird. Das Produktsortiment umfasst Durchflusssensoren für Gase und Flüssigkeiten, Differenzdrucksensoren und Umweltsensoren für die Messung von Feuchte und Temperatur, flüchtigen organischen Verbindungen (VOC), Kohlendioxid (CO2) und Feinstaub (PM2.5). Ein internationales Netzwerk von Vertriebsbüros in den USA, in Europa, China, Taiwan, Japan und Südkorea beliefert die internationalen Kunden mit standardisierten und massgeschneiderten Sensorsystemlösungen für eine Vielzahl von Anwendungen. Sensoren von Sensirion sind an vielen Stellen in der Automobilindustrie, Medizintechnik, Industrie und Unterhaltungselektronik zu finden.